Berlin, 04.10.2017. Es ist ein zentrales Anliegen des Ökologischen Landbaus Tiere artgerecht zu halten und negative Umweltauswirkungen der Tierhaltung zu minimieren. Daher begrüßt der BÖLW grundsätzlich die Vorlage einer Nutztierhaltungsstrategie (NTHS) (PDF, 60 Seiten, 2,6 MB) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (WBA) 'Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung' machte, wie auch andere Studien deutlich, welcher Handlungsbedarf besteht, um die Tierhaltung in Deutschland zu verbessern. Die vorgeschlagene Strategie beleibt weit hinter dem WBA-Gutachten zurück. Sowohl im Hinblick auf die formulierten Leitlinien für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Tierhaltung als auch für Vorschläge einer ausreichenden Finanzierung der Umsetzung. Der WBA schätzt den Finanzbedarf für den notwendigen Umbau der Tierhaltung auf 3-5 Mrd. Euro pro Jahr.
Hinweise zu einzelnen Maßnahmenvorschlägen:
Die Notwendigkeit einer flächengebundenen Tierhaltung wird in der NTHS angesprochen – aber nur als langfristiges Ziel (S. 46). Dem muss widersprochen werden. Denn eine zeitnahe Zielerreichung einer flächengebundenen Tierhaltung insbesondere in den Problemgebieten ist eine zentrale Grundlage zur Erreichung wichtiger europäischer und nationaler Um-weltvorgaben und –ziele in den Bereichen Gewässerschutz, Klimaschutz, Emissionsschutz und Biodiversität.
Ein freiwilliges staatliches Tierwohl-Label hält der BÖLW für unzureichend. Nur durch eine verbindliche staatliche Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte können sich Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst für mehr Tierwohl und Umweltschutz entscheiden. An dieser Stelle verweisen wir auf unsere Stellungnahmen, die wir im Rahmen der Diskussion zur Erstellung der Label-Kriterien im Schweinebereich eingereicht haben.
Das BMEL setzt in der NTHS weiter auf Agrarexporte. Neu ist dabei die Strategie von Exporten auf Premiumniveau. Statt weiter auf Exportmärkte außerhalb Europas zu setzen, schlägt der BÖLW vor, regionale Märkte gezielt auszubauen und die Wertschöpfung für Qualitäts-Produkte auch für Landwirte deutlich zu erhöhen. Nur so wird es möglich sein, dass Verbraucher einen wesentlichen Teil des 'Umbaus der Nutztierhaltung' finanzieren.
Der Ausbau des ökologischen Landbaus sollte gemäß dem 20 %-Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sowie die Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZÖL) nicht nur im Kapitel 'Zwischenbilanz Ausgangspunkt' erwähnt werden sondern eine weitaus zentralere Rolle bei der NTHS bekommen. Dafür bedarf es eines kohärenten Umsetzungs-Konzeptes und der Verknüpfung von NTHS mit der ZÖL.
Die Aussagen zur künftigen EU-Agrarpolitik (GAP) beschränken sich auf die Aussage, dass die Direktzahlungen 'stärker auf kleine und mittlere Betriebe und damit auf Betriebe mit Viehhaltung konzentriert werden' sollen (S. 51). Allein daraus ist jedoch keine Qualifizierung für das Tierwohl abzuleiten. Statt pauschaler Direktzahlungen der 1. Säule müssen die EU-Agrargelder zielgerichtet für Leistungen der Landwirte in den Bereichen Umwelt, Klima und Tierschutz eingesetzt werden.
Die Ankündigung einer 'Grünlandstrategie', mit der auch eine Erhöhung des Grünlandanteils erreicht werden soll, begrüßt der BÖLW. Die Maßnahmen sollten genauso wie die der NTHS mit den Zielen und Maßnahmen der ZÖL verknüpft werden.
Die NTHS macht Vorschläge zur Weiterentwicklung der GAK-Grundsätze für die einzelbetriebliche Investitionsförderung (AFP). Investiv gefördert sollten nur Stallsysteme, die bestimmte im Gutachten 'Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung' des WBA erfüllen. Um ein Höchstmaß an Tierwohl zu erreichen und zwischen den unterschiedlichen Strategien des BMEL Kohärenz herzustellen, sollte künftig kein Stallbau mehr gefördert werden, bei dessen Planung keine einfache Umnutzung in eine Haltungssystem gemäß den Anforderung des Ökologischen Landbaus vorgesehen wird. Nur so lässt sich die unternehmerische Freiheit der Landwirte absichern der Marksituation entsprechend reagieren zu können.
Die NTHS schlägt erweiterte Maßnahmenangebote der 'markt- und standortangepassten sowie umweltgerechte Landbewirtschaftung' vor. Eine Konkretisierung fehlt allerdings. Bisher üben die Bundesländer eine große Zurückhaltung im Angebot der bisherigen Fördermaßnahmen. Sie scheuen insbesondere den hohen Kontroll- und Verwaltungsaufwand und damit verbundene Anlastungsrisiken. Die NTHS sollte verdeutlichen wie sie dieses Manko überwinden will.
Grundsätzlich muss aus Sicht des BÖLW sehr gut überlegt und begründet werden, welche Tierwohlleistungen zeitlich begrenzt (Einführungsförderung) und welche dauerhaft (Beibehaltungsförderung) gefördert werden sollen. Eine Förderung (=Steuergeld) ist nur für ein hohes Niveau von Tierwohlleistungen begründbar. Hierfür ist zunächst eine Zielperspektive für die gewünschten Haltungsverfahren zu entwickeln. Alle Fördermöglichkeiten müssen für ökologisch wirtschaftende Betriebe aufsattelbar sein. Bisher berechnet sich die Flächenprämie für die ökologische Bewirtschaftung aus den Mindererträgen im Pflanzenbau. Leistungen im Bereich Tierwohl werden damit nicht abgegolten. Das Fördergefüge darf in keiner Weise so ausgerichtet sein, dass die relative Vorzüglichkeit des Ökologischen Landbaus im Vergleich zu konventionellen Tierhaltungsverfahren sinkt. Dies würde der Intention des 20 % Flächenziels der Bundesregierung sowie der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau zuwiderlaufen.
Die gesamte Stellungnahme (PDF, 5 Seiten, 342) beinhaltet weitere Details zu den hier aufegführten Punkten.