Berlin, 22.01.2016. „Wir müssen beim Pflanzenschutz umsteuern und zu neuen naturverträglichen Innovationen kommen. Der Ökolandbau macht vor wie es geht“, so das Fazit von Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zur Tagung Mehr Innovation, weniger Risiko: Wie wir unsere Pflanzen gesund erhalten können beim Tag des Ökologischen Landbaus auf der Internationalen Grünen Woche.
Was der Pestizideinsatz wirklich kostet, hatten Schweizer Wissenschaftler in der Pilotstudie Volkswirtschaftliche Kosten des Pestizideinsatzes in der Schweiz errechnet. „Die volkswirtschaftlichen Kosten des Pestizideinsatzes sind hoch“, so BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig zu den Ergebnissen der Pilotuntersuchung, die auch auf Deutschland übertragbar sind. „Dass für jeden Euro, der für Pestizide ausgegeben wird, mindestens weitere 40 bis 80 Cent an Folgekosten für Schäden an Umwelt und Gesundheit sowie für die Regulierung dazukommen, ist nicht hinnehmbar und führt zu Marktversagen“.
Ein wichtiges Instrument für das Umsteuern beim Pflanzenschutz sei eine Pestizidabgabe, erläuterte Prof. Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der eine Studie zur Pestizidabgabe auf der Tagung vorstellte. Sie setze Innovationsanreize für den nicht-chemischen Pflanzenschutz, ohne die Wahlmöglichkeiten der Anwender zu beschränken. Gawel betonte, dass nicht davon auszugehen sein, dass die Einführung einer Pestizidabgabe die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft per se beeinträchtigen würde.
Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck, der die Pestizidabgabe-Studie in Auftrag gegeben hatte, hob hervor, dass die Abgabe ökonomisch vor allem die Pestizidhersteller und nicht die Landwirte belasten würde. Gerade die Flexibilität für die landwirtschaftlichen Betriebe wurde von Habeck als großer Vorteil dieses Instruments hervorgehoben.
In der abschließenden Podiumsdiskussion der BÖLW-Fachtagung gab es einen breiten Konsens, dass der Pflanzenschutz der Zukunft ökologischer erfolgen muss. Dr. Jutta Klasen vom Umweltbundesamt und Christiane Huxdorff von Greenpeace betonten die massive Schädigung von Ökosystemen durch Pestizide und forderten eine deutliche Ausweitung des Ökologischen Landbaus. Huxdorff betonte, dass ein Weiter-so in der Landwirtschaft keine Option sei. Sowohl das Zulassungsverfahren als auch die gute fachliche Praxis Pflanzenschutz seien reformbedürftig.
Clemens Neumann vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schlug vor, einen „Umweltpakt“ mit der Landwirtschaft zu schließen, um den gesamten Berufsstand einzubinden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass ökologische Pflanzenschutzstrategien, die ohne Herbizide und chemisch-synthetische Pestizide arbeiten, insbesondere in den Bereichen Forschung und Pflanzenschutzmittelzulassungsverfahren wesentlich stärker als bisher nach vorn gebracht werden müssen.
BÖLW-Vorstand Jan Plagge mahnte die Umsetzung des Verursacherprinzips auch beim Thema Pflanzenschutz an. „Es kann nicht sein, dass Bio-Bäuerinnen und Bauern für Schäden durch Abdrift von Pestiziden aufkommen müssten“ so Plagge. „Wenn Wirkstoffe wie Pendimethalin oder Prosulfocarb nicht vom Markt verschwinden, ist Ökolandbau oder ein Anbau von sensiblen Kulturen wie Heilkräuter und Gemüse für Babynahrung in Deutschland bald nicht mehr möglich.“
Gleichzeitig müsse konsequent auf die Einhaltung bewährter Praxis-Methoden wie z. B. Mindest-Fruchtfolgen gedrungen werden damit der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln gedrosselt wird. Zentrales Instrument zur Reduzierung der Pestizid-Risiken soll eigentlich der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz sein (NAP). Der BÖLW und Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung wiesen jedoch darauf hin, dass trotz NAP die Menge der in Deutschland ausgebrachten Pflanzenschutzmittel und deren negative Auswirkungen in letzter Zeit sogar zu- und nicht abnehmen.
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