06.06.2019. Deutschland wurde im Juni 2018 vom Europäischen Gerichtshof zur wirksamen Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie innerhalb von 24 Monaten verurteilt, 27 Jahre nachdem das EU-Gesetz in Kraft trat und 25 Jahre nachdem es in wirksames nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen.
Wieder Änderungen nach neuer Düngeverordnung in 2017?
Eine wissenschaftliche Untersuchung sagt, dass die angepassten Regeln aus dem Jahr 2017 „keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser“ [1] bewirken würden. Das weiß auch die EU-Kommission, die Deutschland deshalb weiter zu wirksamen Maßnahmen in ‚roten Gebieten‘, die besonders mit Nitrat im Grundwasser belastet sind, drängt.
Wo stehen die Verhandlungen?
Die politischen Verhandlungen über eine erneute Novellierung des Düngerechts, mit der Strafzahlungen an die EU in Höhe von täglich etwa 800.000 € verhindert werden sollen, stehen nun unter hohem zeitlichen Druck. Damit Deutschland der EU-Kommission bis Juni 2020 ein wirksames Düngerecht vorlegen kann, muss noch vor der diesjährigen Sommerpause ein Gesetzentwurf eingebracht werden.
Die Bundesregierung will nun Vorschläge vorlegen, die die Akzeptanz der EU-Kommission finden. Dazu reisen noch im Juni 2019 die Bundesministerinnen für Umwelt sowie Landwirtschaft Schulze und Klöckner nach Brüssel, um Eckpunkte abzustimmen. Aktuell laufen informelle Abstimmungen mit den Bundesländern, den Regierungsfraktionen und Verbänden. Die Federführung liegt beim Bundesumweltministerium, das den Prozess gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium führt.
Während sich Manfred Weber, der Unions-Kandidat für das Amt des Kommissionpräsidenten, gegen ein wirksames Düngerecht ausspricht und sich für eine Aussetzung des Strafverfahrens gegen Deutschland einsetzt, sprach sich Bundeskanzlerin Merkel zuletzt für einen besseren Schutz des Grundwassers aus.
Wenn Deutschland weiter ein wirksames Düngerecht verschleppt, ist neben den Strafzahlungen zu erwarten, dass Brüssel die Auflagen beim Düngerecht diktiert.
Situation in Deutschland unterschiedlich
Die Betroffenheit und Positionen in Deutschland sind sehr unterschiedlich. Baden-Württemberg etwa praktiziert bereits seit vielen Jahren eine engagierte Umsetzung der EU-Düngevorgaben und hat heute nur wenige rote Gebiete. Besonders schlecht stehen unter anderem Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen da, wo in einigen Regionen sehr hohe Viehdichten bzw. auch intensiver Gemüsebau besonders besorgniserregende Nitratbelastungen verursachen.
Problem: hochintensive Tierhaltung auf zu wenig Fläche & zu viel Mineraldünger
Für den schlechten chemischen Zustand des Grundwassers ist die Belastung mit Nitrat aus der landwirtschaftlichen Fläche die häufigste Ursache. Innerhalb Europas gehört Deutschland zu den sechs Ländern mit den höchsten nationalen Stickstoff-Salden.
Die Haupt-Probleme:
- Zu viele Tiere auf zu wenig Fläche, also eine nicht-flächengebundene Tierhaltung, bei der mehr Gülle anfällt, als die Böden und das Grundwasser verkraften können.
- Besonders im Gemüsebau aber auch im Ackerbau wird viel mehr mineralischer Stickstoff gedüngt als die Pflanzen aufnehmen können.
- Der Import von Gülle, bspw. den Nachbarländern wie den Niederlanden, verschärft die Situation in ohnehin belasteten Gebieten.
Wird zu viel Dünger auf den Feldern verwendet, gelangt mehr Stickstoff in den Boden, als die Pflanzen für ihr Wachstum benötigten und aufnehmen können. Als im Wasser gelöstes Nitrat sickert der Stickstoff tiefer durch das Erdreich und gelangt schließlich ins Grundwasser.
Wichtig: Bei den genannten Problemen geht es nicht um den Großteil der deutschen Betriebe, sondern vor allem um Unternehmen mit hochintensiver Viehhaltung oder zu hohem Mineraldüngereinsatz [2].
Wie schaffen es andere EU-Staaten, die Nitratrichtlinie wirksam umzusetzen?
Dass es funktioniert, die EU-Nitratrichtlinie wirksam in nationales Recht umzusetzen, zeigt der Blick zu unseren Nachbarn. Dänemark zum Beispiel hat ein wirksames Recht bereits vor Jahren umgesetzt und Erfolge bei der Sanierung des Grundwassers erreicht. Mittlerweile konnten dort Dünge-Auflagen zurück genommen werden. In den vergangen Jahren hatten deutsche Betriebe einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil, da sie geringe Umweltauflagen erfüllen mussten als ihre Kollegen in Nachbarstaaten.
Welche neuen Regeln werden diskutiert?
Diskutiert wird unter anderem, dass in roten Gebieten 20 % weniger gedüngt werden muss. Entscheidend ist die Gesamtstickstoffbilanz. Wer organisch düngt, also zB mit Gülle oder Mist, wird (wie bei Bio) auf 170 kg N/ha begrenzt – egal ob Bio-Betrieb oder konventioneller Hof. Wer leicht löslichen Kunstdünger nutzt und evtl. zusätzlich organisch düngt, hat 140 kg N /ha. Der Grund: Bei organischem Dünger muss der Stickstoff erst mineralisiert werden, wird deshalb langsamer freigesetzt und für die Pflanze verfügbar. Die Gefahr der Nitratauswaschung ist aber auch geringer. Bei leichtlöslichem Kunstdünger ist der Stickstoff leichter verfügbar, kann aber auch leichter als Nitrat ausgewaschen werden.
Der Regelvorschlag ist nachvollziehbar, sollte allerdings für die Betriebe gelten, welche für Nitratüberschüsse verantwortlich sind. Das ist nachvollziehbar, sollte allerdings für die Betriebe gelten, welche für Nitratüberschüsse verantwortlich sind. Entscheidend ist, dass mit einer wirksamen die Kontrolle, die einen Abgleich vorhandener Daten zu Tierzahlen, Flächen und Düngetransporten sichergestellt wird, Problembetriebe zu identifizieren und in die Pflicht zu nehmen – und gute Betriebe, die heute schon so wirtschaften, dass Wasser sauber bleibt, nicht unnötig gegängelt werden. Instrumente der Digitalisierung können helfen, den Vollzug bzw. die Dokumentation bei der Düngung unbürokratisch für Betriebe und Behörden zu er-leichtern.
Was das Wasser nicht sauber hält, aber Betrieben schaden kann, ist der Vorschlag, die Herbstdüngung von Zwischenfrüchten zu verbieten. Zwischenfrüchte fixieren vorhandenes Nitrat und können so die Auswaschung verringern. Der in den Pflanzen gespeicherte Stickstoff steht dann im Frühjahr der Folgekultur zu Verfügung. Zwischenfrüchte bereichern so den Nährstoffkreislauf.
Wie können Nitratverschmutzungen wirksam verhindert werden?
Ein wirksames Düngerecht muss sicherstellen, dass auf der Fläche nur so viele Tiere gehalten werden, wie Böden und Gewässer verkraften. Ohne diesen wichtigen Schritt werden die Nitratüberschüsse in unseren Gewässern nicht ausreichend reduziert.
Wichtig ist auch, dass Stickstoffüberschüsse bei der Düngung mit löslichen synthetischen Stickstoffdüngern vermindert werden.
Wie Bauern heute schon Wasser schützen
Es wäre kontraproduktiv, wenn die Politik die Bauern mit Auflagen behindern würde, die heute schon Wasser schützen. Denn Wasserschützern das Leben schwer zu machen, löst das Nitratproblem nicht, sondern verschärft es. Das gilt besonders für Bio-Betriebe. Denen hat zuletzt das staatliche Thünen Institut bestätigt, wasserfreundlich zu wirtschaften: „71 % der Paarvergleiche öko-konventionell ergeben, dass Bio mit Blick auf den Gewässerschutz eindeutige Vorteile bringt, da weniger kritische Stoffe eingesetzt werden wie Stickstoff oder chemisch-synthetische Pestizide.“
Auch positiv: Das strengste Landwirtschaftsgesetz Europas, der EU-Öko-Verordnung, schreibt eine flächengebundene Tierhaltung vor. Bio-Bauern halten nur so viele Rinder, Schweine, Geflügel oder Schafe und Ziegen wie Böden und Gewässer vertragen. Leichtlösli-che synthetische Mineraldünger sind verboten.
Mehr Infos zum Thema Düngung in der Ökologischen Landwirtschaft hier. Eine Grafik verdeutlich die Unterschiede zwischen organischer Düngung und dem Einsatz von leichtlöslichem Kunstdünger: