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Pressemitteilung

Gentechnikrecht endlich umsetzen, Bürger & Wirtschaft schützen

Was Gentechnik ist, muss auch nach Gentechnikrecht reguliert werden

Berlin, 07.09.2020. Gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft und Verbände haben heute das erste Nachweisverfahren für einen Raps vorgestellt, der mit einem Verfahren der neuartigen Gentechnik manipuliert wurde. Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert:

„Dass die, die Gentechnik gar nicht nutzen, jetzt auch noch für Nachweisverfahren sorgen, wirft ein schlechtes Licht auf Landwirtschaftsministerin Klöckner.

Schließlich muss auch Deutschland dafür sorgen, dass das geltende Gentechnikrecht umgesetzt wird. Das schließt ein, dass diejenigen, die Gentechnikgewächse auf den Markt bringen, auch ein Nachweisverfahren anbieten müssen. Und seit dem EuGH-Urteil von 2018 ist bereits klar, dass Cripr und Co. Gentechnik sind.

Statt selbst aktiv zu werden, argumentierte Klöckners zuständige Behörde, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, man könne neuartige Gentechniken ohne Nachweisverfahren nicht regulieren.

Die Herausforderungen wie Klima-Krise, Hunger oder Artenschwund bleiben mit Gentechnik ungelöst. Entscheidend ist doch, mit einer enkeltauglichen Agrar- und Ernährungspolitik den gesamten Sektor resilienter zu machen. Gerade heute, wo die Zukunftskommission Landwirtschaft in Berlin das erste Mal zusammenkam, muss das doch klar sein.

Gentechnikfreie Produktion stärkt die deutsche Ernährungswirtschaft. Kundinnen und Kunden bestätigen bei jeder Umfrage, dass sie keine Gentechnik auf dem Acker und dem Teller wollen. Und greifen jedes Jahr zu mehr Bio- oder gentechnikfrei gelabelten Lebensmitteln.“


Hintergrund

Die EU-Freisetzungsrichtlinie schreibt die Risikoprüfung und Kennzeichnung von Gentech-Organismen vor. Der EuGH bestätigte 2018, dass das auch für neuere Gentechnikverfahren gilt.  Die Richter berücksichtigten dabei Ähnlichkeiten zwischen potenziellen Risiken von älteren und neueren Gentechniken vor dem Hintergrund europarechtlicher Grundlagen und verwiesen auf das im Umwelt- und Gentechnikrecht verankerte Vorsorgeprinzip. Jede andere Entscheidung hätte das geltende EU-Recht auf den Kopf gestellt.

Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht urteilte bereits 2010, dass dem Gesetzgeber bei der Gentechnik eine ‚besondere Verantwortung‘ aufgrund des ‚tiefen Eingriffs in die Lebensgrundlagen‘ obliegt.

Im EU-Gentechnikrecht ist die Risikoprüfung, Kennzeichnung und Verursacherhaftung verankert. Diese Elemente garantieren Züchterinnen, Landwirten, Unternehmen und ihren Kundinnen Wahlfreiheit. Und sie sind von entscheidender Bedeutung für wirksamen Schutz vor Kontaminationen. Nicht zuletzt gewährleisten sie auch eine wissenschaftsbasierte Bewertung der mit den neuen Gentechnik-Verfahren erzeugten Organismen.

Keine der neuen Gentechniken kann ohne wirksame und unabhängige Prüfung der Ergebnisse als harmlos angesehen werden. Das zu behaupten ist unwissenschaftlich. Denn Verfahren wie CRISPR-Cas können gravierende Veränderungen im Genom und darüber hinaus auslösen, sagen ihre Fürsprecher. Wie die Genmanipulation auf den Organismus oder die Umwelt wirken, muss deshalb zwingend durch eine Risikoprüfung geklärt werden. Und genau diese ermöglicht das aktuelle Gentechnikrecht.

Trotz gegenteiligen, immer wieder vorgebrachten Behauptungen: Gentechnikprodukte können in Europa in Verkehr gebracht werden. Sie müssen aber zuvor ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Auch die Forschung an Gentechnikorganismen ist mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen erlaubt.

Wichtig ist, dass bei der Forschung nicht alles auf die Gentechnik-Karte gesetzt wird, die bereits die letzten 20 Jahre vor allem Heilsversprechen, mehr Abhängigkeit der Bauern, und höhere Umweltschäden hervorbrachte aber keine Erfolge. Es braucht dringend wieder eine unabhängige Risikoforschung, die derzeit gegen Null gefahren worden ist. Auch muss die neue Gentechnik realistisch beurteilt werden – und zwar entlang der Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt. Bis heute ist es weder durch alte, noch mit der neuen Art der Genmanipulation gelungen, etwa Resistenzen gegen wirtschaftlich bedeutende Pilzkrankheiten im Getreide, höhere Erträge oder die Resilienz gegen Extremwetterlagen zu erreichen. Denn für solche Eigenschaften genügt es nicht, eines oder wenige Gene zu verändern – weshalb man hier mit klassischen Züchtungsmethoden leichter zum Ziel kommt.

Bio-Betriebe setzten gemäß den Vorgaben der EU-Öko-VO keine Gentechnik ein.

Zum Offenen Brief „Neue Gentechnik-Verfahren: Umsetzung der Richtlinie 2001/18“

Zur Pressemeldung des EuGH vom 25. Juli 2018

Zum Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018

Züchtung ohne Gentechnik und damit ohne Risiken, Nebenwirkungen und Patente schafft schon seit fast 200 Jahren erfolgreich ertragreiche und angepasste Sorten. Besonders Öko-Züchter zeigen, wie innovativ und erfolgreich das Open Source System der Bio-Züchtung ist. Lesen Sie mehr zur Öko-Züchtung in der BÖLW-Position ‚Ökologische Pflanzenzüchtung: Ein Beitrag zu Vielfalt und Resilienz in der Landwirtschaft‘.


1716 Zeichen (Statement), Abdruck honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten. Ansprechpartner: BÖLW-Pressestelle, Joyce Moewius, Tel. +49 30 28482-307, presse[at]boelw.de

Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von fast 50.000 Bio-Betrieben etwa 12 Mrd. Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Biopark, Bioland, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.