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Stellungnahme

BÖLW zum Entwurf der Nationalen Strategie Bioökonomie

Planetare Belastungsgrenzen respektieren und Maßnahmen koheränt daran ausrichten

Berlin, 02.07.2019. Öko-Bauern, -Lebensmittelhersteller und -Händler orientieren sich in der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen an den planetaren Belastungsgrenzen. Sie verstehen sich als Pfadbereiter hin zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und Ernährung und damit hin zum notwendigen bioökonomischen Systemwandel.

Die Bio-Branche hat sich auf der Grundlage ihres Systemverständnisses selbst Begrenzungen auferlegt, die mittlerweile gesetzlich verankert sind. Sie betreffen bspw. die Stickstoffintensität oder die Zahl der Zusatzstoffe in Lebensmitteln. Dadurch sind zahlreiche innovative Techniken und Forschungsansätze entstanden, die im ganzheitlichen Sinne gesunde Öko-, Agrar- und Ernährungssysteme maßgeblich voranbringen. Dies schließt auch umfangreiche Erfahrung und Expertise in der transdisziplinären Gewinnung von Wissen als wesentlichen Innovationsmotor ein.

Wir begrüßen es, dass die Ökologische Landwirtschaft als Goldstandard nachhaltiger Landbewirtschaftung in dem neuen Entwurf zur Bioökonomiestrategie (BÖS) aufgegriffen worden ist. Damit wird die Bedeutung ökologischer Ernährungssysteme untermauert, wie das bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie und in der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau der Bundesregierung geschehen ist.

Bioökonomie in allen Wissensfeldern verorten und umsetzen

Wie der Strategievorschlag richtig anerkennt, erfordert eine klima-, umwelt-, tier- und artenschutzfreundliche Bewirtschaftung und der Umgang natürlicher Ressourcen ein umfassendes Verständnis der komplexen Vorgänge und Dynamiken natürlicher Prozesse. Das verhindert die Reduzierung auf einen biowissenschaftlich und biotechnologisch verengten Blickwinkel. Stattdessen muss das wissenschaftliche Blickfeld auf alle relevanten Wissensfelder gleichermaßen gerichtet werden, also auch auf den lebenswissenschaftlichen, sozioökonomischen und geisteswissenschaftlichen Fächerkanon.

Zugleich wird keine wissenschaftliche Erkenntnis eine echte Transformation anstoßen, wenn sie nicht von der Entwicklung politischer Umsetzungskonzepte begleitet wird. Solche Umsetzungskonzepte fehlen in dem Entwurf jedoch weitgehend. Dadurch wird nicht sichtbar, wie der bioökonomische Ansatz dazu beitragen soll, dass die planetaren Belastungsgrenzen respektiert werden.

Ein unabdingbarer Bestandteil der Strategie müsste es sein, die Externalisierung von Kosten der Produktion zu Lasten von Gemeingütern zu beenden. Das erfordert verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in Freihandelsabkommen und das dort verankerte Recht, Grenzabgaben zum Ausgleich von Kostenvorteilen durch Umwelt- und Sozialdumping zu erheben. Nur dann können auch ausreichend wirksame ordnungsrechtliche und fiskalische Instrumente eingesetzt werden, die das Marktversagen bei der Nutzung von Gemeingütern beenden. Auch die stärkere Ausrichtung von Förderprogrammen auf ökologische Aspekte muss Bestandteil eines Umsetzungskonzeptes werden.

Innovationen gehen über reine Technologien hinaus

Der Strategieentwurf bleibt weiterhin stark technologiebasiert und Wissenschaftstechnokratisch. Das betrifft nicht nur die deutliche Betonung technischer und biotechnologischer Innovationen im Bereich neuer Pflanzenzüchtungstechniken und künstlicher Intelligenz, sondern auch der gänzlich fehlende Bezug auf den Menschen und seine Rolle in den Dynamiken aus Wissen und Handeln. So wundert es nicht, dass wichtige Personengruppen die maßgeblich Bioökonomie umsetzten und mitgestalten, als Akteure von der Strategie nicht angesprochen werden.

Das gilt bspw. für Bäuerinnen und Lebensmittelhersteller und die Frage wie diese in ihrer Unabhängigkeit befördert werden können, anstatt sie mit neuen Marktabhängigkeiten weiter zu bedrängen. Die Strategie muss deshalb betonen, dass Patente auf Leben (Nutzpflanzen / -Tiere) ausgeschlossen bleiben müssen, um gemeinwohlorientierte Ansätze wie das Züchter- und Landwirteprivileg nicht zu gefährden.

Züchtungsforschung und Zulassungsverfahren müssen auf robuste, gesunde, systemintegrierte Sorten orientiert werden, anstatt sich auf in der breiten Gesellschaft abgelehnte gentechnische und neue Züchtungsverfahren zu konzentrieren. Zugleich müssen Produktions-verfahren an „Produktionsorganismen, also insbesondere Nutzpflanzen, aber auch Insekten, Algen oder Mikroorganismen“ (S. 15) angepasst werden – und nicht umgekehrt!

Grundsätzlich muss einer BÖS ein sehr viel breiteres Verständnis von Innovation zugrunde liegen. Es muss die soziökonomische und ökologische Dimension gleichgewichtig zu ökonomischen Zielen von (technischen) Innovationsleistungen einbeziehen. Eine Strategie zur bioökonomischen Transformation ohne eine solche Erweiterung wäre nicht geeignet, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Politik, Forschung und Bildung an gesellschaftlichem Bedarf orientieren

Der Entwurf der BÖS enthält keine Lenkungs- und Steuerungsinstrumente. Die Entwicklung von Mess- und Zertifizierungssystemen und eines Monitoring-Verfahrens sind sicher richtige Ansätze, sofern deren Evaluierung und kontinuierliche Weiterentwicklung ebenso verankert sind wie ihre grundsätzliche Orientierung an positiven Effekten auf Klima, Artenvielfalt, Um-welt- und Tierschutz. Nicht näher benannt ist, wie diese Instrumente in den weiteren politischen Kontext integriert werden sollen und mit welchen Maßnahmen vorgesehen ist, politik-übergreifende Kohärenz darin konkret zu erreichen.

Nicht nur alle Wissensfelder, sondern auch alle Wissensträger müssen zur Wissensgenerierung für die Entwicklung tragfähiger und in der Breite der Gesellschaft anerkannter Lösungen einbezogen werden. Transdisziplinäre Ansätze sind zu stärken. Ebenso müssen zivilgesellschaftliche Vertreter und Vertreterinnen in Forschungsprozesse stärker einbezogen werden. Forschung muss sich am gesellschaftlichen Bedarf orientieren, der nicht nur durch wirtschaftliche Interessen definiert werden kann, etwa durch die Befragung und Ansprache von Käufergruppen. Es wird nicht deutlich, wie die BÖS dies sicherstellen will und wie der Beitrag der zivilgesellschaftlichen Akteure als gleichwertig Anerkennung finden soll.

Im Bereich Ausbildung und Lehre greifen die Schwerpunkte erweiterter Ausbildungsinhalte in der „Nutzung digitaler Technologien in der Züchtung und in der Land- und Forstwirtschaft“ (S. 29) viel zu kurz. Vielmehr müssen ökosystemares Wissen, Kenntnisse in Natur- und Artenschutzmaßnahmen und klimaangepasste Bewirtschaftungsmethoden zum Kernbestandteil in Ausbildung und Lehre bioökonomisch relevanter Berufe werden.