Berlin, 02.04.2020. Der Durchführungsrechtsakt mit dem Schwerpunkt Tierhaltungsregeln wurde am 31. März im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die neue Rechtssetzung tritt zusammen mit der Basisverordnung am 1.1.2021 in Kraft.
Bio bleibt der höchste gesetzliche Standard für die art- und umweltgerechte Tierhaltung. Im Grundsatz bleibt sich die Verordnung bei der Tierhaltung treu: Öko-TIerhaltung bleibt flächengebunden und setzt auf Platz im Stall, Auslauf und Bio-Futter. Einige Regeln bleiben gleich, weil sie sich bewährt haben, einige Vorgaben ändern sich.
Rinder und Schweine
Der Rechtsakt definiert die Anforderungen an Ställe und Ausläufe für Rinder, Pferde, Ziegen, Schafe, Schweine, Geflügel, Wild und Kaninchen sowie Besatzdichten und Vorgaben für Aquakultur-Arten. Darüber hinaus wurden für alle Säuger Säugeperioden festgelegt.
Die Flächenvorgaben für Ställe und Ausläufe in der Bio-Sauen-, Schweine-, und -Rinderhaltung bleiben unverändert – mit einer Ausnahme: Künftig soll der Anteil an durchgängig festem Boden in Ausläufen für Schweine mindestens 50 % betragen. Bisher gab es hierzu nur eine Vorgabe für die Stallflächen. Die Übergangsfrist beträgt acht Jahre.
Geflügel
Die EU-Kommission hat – auch aufgrund des Einsatzes des deutschen Bio-Sektors – eine Regel aufgenommen, nach der der bisherige Außenklimabereich bei Geflügelställen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Stallfläche anrechenbar werden kann.
Der Bereich muss, damit der von den Tieren gut angenommen wird:
- 24 Stunden zugänglich sein,
- eine gewisse Isolation vom Außenklima aufweisen und
- genügend große Wandöffnungen sowie z.B. Fütterungs- und Tränke-Einrichtungen haben.
Für diese Anpassungen der Ställe ist eine Übergangsfrist von drei Jahren vorgesehen. Bei der Umsetzung müssen Legehennenhalter darauf achten, dass sie dabei auch die Vorgaben der Tierschutznutztierhaltungsverordnung einhalten
Davon unterschieden werden muss die Veranda, die für Geflügel bereits im Basisrecht definiert wurde und nun genauer beschrieben wird. Die Veranda ist ein überdachter Bereich des Stalls mit Außenklimabedingungen, nicht auf die Stallfläche anrechenbar, muss nicht rund um die Uhr zugänglich sein und kann freiwillig angeboten werden.
Erstmals legt das Bio-Recht die Zahl der erhöhten Ebenen in Geflügelställen (Volieren) fest. So sind bei Legehennen bis zu zwei Ebenen zusätzlich zum Boden möglich. Für diese Anpassung wird den Betrieben eine Übergangsfrist von acht Jahren gewährt.
Für Junghennen, Bruderhähne und Elterntiere werden erstmals konkrete Vorgaben für die Größe und Gestaltung von Stallflächen sowie für Ausläufe festgelegt. Bereits im Basisrecht wurde festgelegt, dass Jung- und Elterntiere verpflichtend Auslauf haben müssen.
- Für Junghennen und Bruderhähne sind für die Bereitstellung der geforderten Ausläufe Übergangsfristen von acht Jahren vorgesehen.
- Für Elterntiere ist für die Bereitstellung der Ausläufe keine Übergangsfrist vorgesehen. Da die Elterntierhalter die Versorgung mit ökologisch gezüchtetem Geflügel gewährleisten, wäre eine Übergangsfrist für die Anpassung sinnvoll gewesen. Auch Widersprüche zwischen dem laut künftiger Öko-Verordnung geforderten Grünauslauf für Elterntiere sowie den hygienischen Anforderungen nach den EU-Regeln für die Bruteiervermarktung müssen noch gelöst werden.
- Neu sind Vorgaben für Bruderhähne, hier sind für den Auslauf 1 m2 pro Tier vorgesehen (für Masthähnchen 4 m2). Angemessener wäre, die Vorgaben für Bruderhähne und Masthähnchen zu vereinheitlichen.
Erstmals im Bio-Recht: Auslaufdistanzen für Geflügel. Wie für die deutschen Betriebe bereits heute üblich, beträgt die maximal erlaubte Auslaufdistanz für Legehennen 350 m. Die Übergangsfrist beträgt acht Jahre. Eine Begrenzung der Auslaufdistanz auf 150 m für Legehennen – wie vom BÖLW gefordert – hätte eine bessere Nutzung des Auslaufs ermöglicht.
Ebenfalls neu: Vorgaben zur Abtrennung von Stallabteilen. Hier sind für Mastgeflügel (außer Hähnchen) feste Trennungen, bei allen anderen Hühnern feste oder halboffene Trennungen vorgesehen. Die Wandöffnungen zwischen Stall und Veranda bzw. dem neu definierten anrechenbaren Stallbereich müssen halb so groß wie die Öffnungen zum Grünauslauf sein. Das Angebot an Sitzstangen und erhöhte Ebenen muss vergrößert werden. Für diese Anpassungen haben die Betriebe eine Übergangsfrist von drei Jahren.
Gehegewild & Kaninchen
Für Gehegewild – wie zum Beispiel Hirsche – und Kaninchen werden erstmals Bio-Regeln eingeführt, die Vorgaben für die Größe und Gestaltung der Wildgehege sowie für die Ställe und Ausläufe für Kaninchen enthalten. Die Regeln sollen ohne Übergangsfrist gelten.
Weiterentwicklung der Tierhaltung
Die EU-Kommission hat anerkannt, dass viele Bio-Betriebe in den vergangenen Jahren auf Grundlage neuer nutztierethologischer Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen innovative Haltungssysteme in aufgelöster Bauweise entwickelt haben, die das Bio-Recht bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Beispiel: Haltungen von Schweinen und Rindern, bei denen Stall- und Auslaufbereich nicht mehr klar zugeordnet werden können – die sich aber als besonders tiergerecht erwiesen haben.
Da die EU-Kommission aktuell unter hohem Zeitdruck steht, alle Rechtsakte noch 2020 zu beschließen, hat sie angeboten, die innovativen Haltungssysteme ab 2021 erneut zu beraten. Dafür gibt es eine Protokollnotiz des Gesetzgebers, allerdings nur für Schweine.
Der BÖLW setzt sich dafür ein, dass diese Initiative kommt und auch Rinder berücksichtigt werden.
Im Durchführungsrechtsakt sind ebenfalls weitere neue Regeln enthalten, ein Überblick:
Herstellung von Lebens- und Futtermitteln
Für die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln enthält dieser Rechtsakt auch neue Regeln für Verarbeitungsverfahren.
Prinzipiell sind alle üblicherweise eingesetzten Verarbeitungsverfahren zulässig. Diese können jedoch – ähnlich wie bei zugelassenen Zusatz- oder Hilfsstoffen – per Antrag eines Mitgliedsstaates überprüft und dann ggf. beschränkt oder verboten werden.
Der Gesetzgeber führte eine Beschränkung für Ionenaustauscher in der Lebensmittelherstellung ein: Ionenaustauscher und Adsorberharze dürfen künftig nur für die Entmineralisierung von Babynahrung verwendet werden. Eine Anpassungsfrist dafür ist nicht vorgesehen.
Weitere Regeln
Die Mitgliedsstaaten müssen zukünftig jährlich über die Verfügbarkeit von Öko-Saatgut, Öko-Tieren und Eiweißfutter auf der Grundlage der Informationen in den Datenbanken berichten.
Es ist zudem festgelegt worden, unter welchen Voraussetzungen Umstellungszeiten rückwirkend anerkannt werden können.