In repräsentativen Meinungsumfragen wird häufig als wichtigstes Kaufmotiv für Bio-Produkte genannt, dass diese gesünder seien. Gemeint ist dabei die eigene Gesundheit und vor allem auch die der eigenen Kinder. Viele Menschen haben also die Frage, ob Bio-Lebensmittel gesünder sind, bereits für sich beantwortet. Wissenschaftlich kann diese Aussage gestützt werden, wenn man einen erweiterten Gesundheitsbegriff zugrunde legt.
Gesundheit in gesunden Systemen
Gesundheitsförderung wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschrieben mit dem Ziel, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen [1]. Ansatzpunkte liefern die Faktoren, die einen wesentlichen und nachweisbaren Einfluss auf die Gesundheit ausüben:
(1) sozioökonomische Faktoren und umweltbedingte Verhältnisse, (2) individuelle Lebensstile und -weisen, (3) Alter, Geschlecht und erbliche Faktoren [2]. Dabei gibt es zwei Hauptstrategien: Die der Prävention, d. h. Gesundheitsrisiken erkennen und vermeiden, und die der Widerstandsbefähigung. Die Aussage, dass Bio-Lebensmittel gesünder sind, stimmt, wenn man ihr dieses moderne Gesundheitsverständnis zugrunde legt. Unsere derzeitige ernährungs- sowie gesundheitswissenschaftliche Praxis ist vorwiegend auf eine Einzelstoffbetrachtung ausgerichtet. So können wir einzelne Vitamine oder Pestizide exakt messen und untersuchen. Die Schwierigkeit einer solchen Wissenschaft besteht darin, dass sie den Nährstoff aus dem Zusammenhang des Essens, das Essen aus dem Zusammenhang der Ernährung und die Ernährung aus dem Zusammenhang des Lebensstils nimmt. Die wissenschaftlichen Methoden und Forschungsdesigns zeigen dagegen noch Schwächen bei Untersuchung von mehreren Faktoren gleichzeitig (z. B. bei der Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Mehrfachpestizidrückständen oder bei den Konsequenzen einer bestimmten Ernährungsweise). Unsere Lebensmittelauswahl, unser Essverhalten und auch unsere Lebensmittelwertschöpfung haben zweifelsohne einen Einfluss auf unsere Gesundheit.
Bio hilft Gesundheitsrisiken vermeiden
In unseren Lebensmitteln möchten wir keine ungesunden Stoffe wie Pestizid- oder Arzneimittelrückstände, Schwermetalle, Nitrat oder Mykotoxine finden. Zwar gelten für herkömmliche Lebensmittel und solche aus ökologischer Erzeugung dieselben gesetzlich zulässigen Höchstmengen, aber Bio-Lebensmittel leisten einen stärkeren Beitrag zur Vermeidung dieser Stoffe. Deshalb weisen regelmäßige Untersuchungen durch Lebensmittelüberwachungsämter [3] sowie das Monitoring für Obst und Gemüse des Bundesverbandes Naturkost & Naturwaren [4] nach, dass Bio-Lebensmittel deutlich weniger schädliche Stoffe im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln enthalten. Ähnliche Untersuchungen in anderen Ländern bestätigen dies [5-8]. Dass Bio-Produkte nachweislich weniger Kontaminationen von Pflanzenschutzmitteln, weniger Spuren von Gentechnik und niedrigere Nitratwerte als konventionelle Lebensmittel aufweisen, überrascht nicht weiter. Denn die Rechtsvorschriften zur ökologischen Landwirtschaft verbieten die Anwendung dieser Stoffe und Techniken bzw. reglementieren etwa die Düngung stark. Bio-Lebensmittel dürfen zudem nur mit sehr wenigen Zusatzstoffen verarbeitet werden. Durch den Verzehr von Bio-Lebensmitteln können empfindliche Konsumenten die Aufnahme dieser Hilfsstoffe begrenzen und sich damit beispielsweise vor allergischen Reaktionen schützen.
Bio – in der Tendenz mehr gesündere Inhaltsstoffe
Mit unserer Nahrung führen wir sowohl essenzielle Nährstoffe (z. B. Vitamine, Mineralstoffe, essenzielle Fett- und Aminosäuren) zur Lebenserhaltung zu, als auch nicht-essenzielle Nährstoffe (z. B. Kohlenhydrate, Ballaststoffe), die dem Funktionserhalt dienen. Hinzu kommt eine Vielzahl an sekundären Pflanzenstoffen, von denen vielen eine gesundheitsfördernde Funktion zugeschrieben wird (z. B. blutdrucksenkend, das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen senkend). Zwar ist die Datenlage für Bio noch nicht vollständig, jedoch weisen Untersuchungen beispielsweise auf einen eher höheren sekundären Pflanzenstoffgehalt hin, insbesondere bei Flavonoiden und Phenolen [9; 10]. Auch belegt ist eine i. d. R. höhere Nährstoffdichte bei Bio-Lebensmitteln, die von einem größeren Trockensubstanzgehalt bei Bio-Lebensmitteln herrührt [11]. Die genauere Betrachtung einzelner Inhaltsstoffe bei einzelnen Lebensmitteln zeigt jedoch nicht immer statistisch signifikante Unterschiede [5; 9; 10; 12; 13]. Dies kann darauf zurück zu führen sein, dass der Gehalt vieler positiver Inhaltsstoffe häufig von Aspekten abhängt, die den Unterschied zwischen Bio und konventionell überlagern. Zu nennen sind hier beispielsweise pflanzliche Sortenwahl und Standort, Tierrassen und -zuchtlinien [14].
Gibt es Bio-Essgewohnheiten und sind diese gesünder?
In einer Studie zum Kaufverhalten wurde der Frage nachgegangen: Wer trifft die gesündere Lebensmittelauswahl und wer verhält sich gesundheitsbewusster: Bio-Käufer oder Nicht-Bio-Käufer? Die repräsentativen Daten über deutsche Erwachsene zeigten, dass Bio-Käufer – gemessen an gültigen Ernährungsempfehlungen – eine günstigere Lebensmittelauswahl aufweisen als Nicht-Bio-Käufer. Sie essen mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch und Süßwaren und erreichen dadurch die Zufuhrempfehlungen vieler Nährstoffe eher als Nicht-Bio-Käufer. Die günstigere Lebensmittelauswahl war ferner mit guten Ernährungskenntnissen sowie einem insgesamt gesundheitsbewussteren Verhalten gekoppelt [15].
Die Gesundheit des Öko-Systems bestimmt auch unsere Gesundheit
Was wir essen, beeinflusst unsere Gesundheit und die andere Menschen direkt und indirekt. Für die Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, um unsere (tropischen) Früchte, unser Fleisch, unseren Kaffee und unsere Gewürze zu produzieren, leistet eine Bewirtschaftung nach ökologischen Kriterien einen entscheidenden Beitrag, den Kontakt an potenziell problematischen Pestiziden u. a. Betriebsmitteln deutlich zu reduzieren [16].
Was wir essen, kann die Gesundheit und die Sicherheit von anderen Menschen auch indirekt beeinflussen. Auch der Boden hat eine variable Widerstandskraft, die sich in der Fähigkeit zeigt, sich nach Katastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen wieder zu regenerieren. Langzeitversuchen zufolge versickert z.B. doppelt so viel Regenwasser auf Bio- wie auf herkömmlichen Böden [17]. Bio kann also dazu beitragen, unser System widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen zu machen.
Sind Natur und Umwelt nicht gesund, betrifft das auch den Menschen. Wenn wir Gesundheit umfassender verstehen, erkennen wir, dass ein gesundes System gesunde Lebensmittel, eine gesunde Ernährungsweise und einen gesunden Lebensstil ermöglichen kann.
Foto Header: NürnbergMesse, Hans-Martin Issler
Quellen:
[1] WHO (1986): Ottawa Charter for Health Promotion. Von der: First International Conference on Health Promotion, Ottawa, 21 November 1986 – WHO/HPR/HEP/95.1.
[2] Dahlgren, G., Whitehead, M. (1991): Policies and strategies to promote social equity in health. Stockholm: Institute for Future Studies.
[3] BNN (2008): BNN-Monitoring für Obst und Gemüse im Naturkosthandel. Ergebnisse aus fünf Jahren unternehmensübergreifenden Pestizidanalysen. Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) Herstellung und Handel e. V., Berlin, S. 11.
[4] Rösner, K. (2010): Alles bio. Alles rückstandsfrei? Biofach 2010.
[5] Soil Association (Hrsg.) (2001): Organic farming, food quality and health. A review of the evidence. Bristol, GB.
[6] Smith-Spangler, C., Brandeau, M. L., Hunter, G. E., Bavinger, J. C., Pearson, M., Eschbach, P. J., Sundaram, V., Liu, H., Schirmer, P., Stave, C., Olkin, I., Bravata, D. M. (2012): Are Organic Foods Safer or Healthier Than Conventional Alternatives? A Systematic Review. Annals of Internal Medicine, 157 (5). S. 348–366.
[7] Williams, P., Bos, C., Shum, M. (2010): Does Eating Organic Food Reduce Pesticide Exposures and Health Risks? National Collaborating Centre for Environmental Health, S. 6.
[8] Lu, C., Toepel, K., Irish, R., Fenske, R. A., Barr, D. B., et al. (2006): Organic Diets Significantly Lower Children’s Dietary Exposure to Organophosphorus Pesticides. Environ Health Perspect 114 (2): doi: 10.1289/ehp.8418.
[9] Dangour, A., Aikenhead, A., Hayter, A., Allen, E., Lock, K. und Uauy, R. (2009): Comparison of putative health effects of organically and conventionally produced foodstuffs: a systematic review. Comparison of composition (nutrients and other substances) of organically and conventionally produced foodstuffs: a systematic review of the available literature. Report for the Food Standards Agency, London.
[10] Velimirov, A. und Müller, W. (2003) Die Qualität biologisch erzeugter Lebensmittel. Ergebnisse einer umfassenden Literaturrecherche. Wien, S. 59 – und überarbeitet: Claus Holler (2005) Ist Bio wirklich besser? Faktensammlung zur Qualität biologisch erzeugter Lebensmittel. S. 20.
[11] Aminforoughi, S. und Ploeger, A. (2011) Bio überzeugt. UGB-Forum 4/11, 189-191.
[12] FiBL (Hrsg.) (2006): Qualität und Sicherheit von Bioprodukten. Lebensmittel im Vergleich. (Dossier Nr. 4) Dossier.
[13] Beck, A., Busscher, N., Espig, F., Geier, U., Henkel, Y., Henryson, A.-S., Kahl, J., Kretzschmar, U.,Mäder, R., Meischner, T., Seidel, K., Weber, A., Wirz, A. (2012): Wissensstandsanalyse zu Qualität, Verbraucherschutz und Verarbeitung ökologischer Lebensmittel, (Hrsg.) Beck, A., Kahl, J. und Liebl, B., S. 150.
[14] Tauscher B., Brack G., Flachowsky G., Henning M., Köpke U., Meier-Ploeger A., Münzing K., Niggli U., Rahmann G., Willhöft C., Mayer-Miebach E. (2003): Bewertung von Lebensmitteln verschiedener Produktionsverfahren – Statusbericht 2003. Senatsarbeitsgruppe 'Qualitative Bewertung von Lebensmitteln aus alternativer und konventioneller Produktion', S. 109.
[15] Hoffmann, I., Spiller, A. (2010): Auswertung der Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II): eine integrierte verhaltens- und lebensstilbasierte Analyse des Bio-Konsums. Max-Rubner-Institut, Institut für Ernährungsverhalten, Karlsruhe und Georg-August-Universität Göttingen, Abteilung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte, Göttingen, S. 175.
[16] U.S. Dept. of Health and Human Services. National Institutes of Health. National Cancer Institute (2011): Reducing Environmental Cancer Risk. What We Can Do Now.
[17] FiBL (Hrsg.) (2001): Bio fördert Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt. Erkenntnisse aus 21 Jahren DOK-Versuch. (Dossier Nr. 1) Dossier, 3. Aufl., S. 16.