Die Öko-Tierhaltung sichert die Gesundheit der Tiere vorbeugend durch die strengsten, gesetzlichen Tierhaltungsvorschriften. Chemisch-synthetische Arzneimittel wie Antibiotika müssen deshalb weniger eingesetzt werden, ihre präventive Verabreichung ist verboten. Stattdessen werden, wenn ein Tier krank wird, vorzugsweise Naturheilmittel verwendet. Die Bedingungen ökologischer Tierhaltung erhöhen die Ansprüche an das Gesundheitsmanagement. Daher besteht z. T. noch erheblicher Forschungsbedarf, Wissenstransfer und ein kontinuierlich gutes Management, damit die Tiergesundheit weiter verbessert wird. Bei der Suche nach betriebsspezifischen Lösungen entwickeln Forschung und Praxis gemeinsam innovative tier- und umweltverträgliche Lösungen.
Gesundheit erhalten als zentraler Aspekt ökologischer Tierhaltung
In der EU-Öko-Verordnung [1] ist die Erhaltung der Tiergesundheit als zentralen Aspekt ökologischer Tierhaltung festgeschrieben und soll vorrangig über vorbeugende Maßnahmen erreicht werden. Dazu gehören z. B. eine bedarfsgerechte Fütterung, tiergerechte und die Widerstandskraft steigernde Haltung mit Zugang zu Auslauf oder Weide, eine niedrige Besatzdichte und die Wahl geeigneter Rassen. Die vorbeugende Verwendung chemisch-synthetischer Arzneimittel wie Antibiotika ist verboten.
Treten Krankheiten auf, müssen die unmittelbar und vorzugsweise mit pflanzlichen, homöopathischen oder anderen Naturheilmitteln behandelt werden. Chemisch-synthetische Medikamente und Antibiotika werden verabreicht, wenn alternative Behandlungsmethoden fehlgeschlagen sind. Die Behandlungsart und -dauer muss der Bio-Tierhalter dokumentieren und die gesetzliche Wartezeit verdoppeln (ohne gesetzliche Wartefrist gelten für Bio 48 Stunden) – in dieser Zeit, dürfen die vom Tier erzeugten Lebensmittel nicht verarbeitet bzw. verkauft werden. Damit wird sichergestellt, dass keine Medikamenten-Rückstände ins Lebensmittel gelangen. Müssen in einem Jahr mehr als dreimal (bzw. einmal, wenn die Lebensdauer der Tiere geringer als ein Jahr ist) Antibiotika verabreicht werden, dürfen die Tiere bzw. ihre Produkte nicht mehr „Bio“ vermarktet werden. Die Vorgaben sichern zugleich die Qualität und Rückstandsfreiheit der Lebensmittel und es wird eine Belastung der Umwelt mit schwer abbaubaren Stoffen vermieden.
Gesundheitsmanagement als Schlüsselfaktor
Die Umsetzung der EU-Öko-Verordnung ermöglicht den Tieren ein arteigenes Verhalten. Entscheidend für die positive Wirkung der strukturellen Haltungsbedingungen ist aber, dass die Betriebe ein gutes Management gewährleisten, also auf die Aufzucht, Betreuung und Versorgung der Tiere sowie die Hygienemaßnahmen [2; 4] achtgeben. Bio-Bauern stehen hier vor besonderen Herausforderungen: So erfordert die Auslauf- bzw. Weidehaltung sorgfältige Hygienemaßnahmen und Planung, um etwa den Parasitenbelastung der Tiere im Freiland gering zu halten [2; 5]. Ebenso muss der Öko-Tierhalter hochwertige Futtermittel für eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung der auch in der Öko-Tierhaltung eingesetzten Hochleistungsrassen sicherstellen [6]. Sogenannten Faktorenkrankheiten, die aus dem Zusammentreffen verschiedener Managementmängel entstehen, stellen daher ein Hauptproblem dar [6; 8; 9] und müssen weiter durch gute Ausbildung und Fortbildung der Landwirte und Tierärzte, gute Betreuung der Tiere auf dem Betrieb sowie weitere Forschung in diesem Bereich der Ökologischen Landwirtschaft gelöst werden.
Lösungen für mehr Gesundheit weiterentwickeln und verbreiten
Der im Mittel annähernd gleichrangige Gesundheitsstatus beruht bei konventionell gehaltenen Tieren z. T. auf einem stärkeren Medikamenteneinsatz. In der Öko-Viehwirtschaft sollen die Tiere in die Lage versetzt werden, mit Hilfe ihrer Selbstregulationskräfte auf die Herausforderungen der Umwelt zu reagieren [6; 11].
Als zukunftsweisend für ein nachhaltiges Tiergesundheitsmanagement erweist sich die enge Zusammenarbeit von Betrieben, Beratung, Tierärzten und interdisziplinär tätigen Forschern, wie sie in mehreren Öko-Projekten erfolgt und z. T. schon nach kurzer Zeit sichtbare Verbesserungen mit sich brachten [z. B. 2; 10; 12]: So sind etwa Tiergesundheitspläne bei konsequenter Umsetzung und Erfolgskontrolle gut geeignet, um betriebsspezifische Probleme und Risiken zu erfassen und langfristige Verbesserungen einzuleiten [z. B. 3; 4; 8].
Tier- wie umweltgerechte Ansätze wurden auch zur Minderung der Parasitenbelastung entwickelt: Der Infektionsdruck wird z. B. durch mobile Ställe für Geflügel oder die alternierende oder gemischte Weidehaltung verschiedener Tierarten bzw. unterschiedlich anfälliger Altersgruppen reduziert. Andere Ansätze basieren auf der Verfütterung tanninhaltiger Futterpflanzen, die den Wurmbefall ohne chemisch-synthetische Wurmmittel reduzieren [13]. Dies ist gerade angesichts allgemein zunehmender Resistenzen gegen Medikamente, die etwa durch breite Antibiotikagaben in der konventionellen Landwirtschaft zustande kommen, von großer Bedeutung für die gesamte Landwirtschaft [5]. Die vielversprechenden Ansätze der Öko-Forschung gilt es nun, mit Hilfe von Schulungen der Berater und Bauern, weiter in die breite Praxis umzusetzen [u. a. 2; 10]. Sowohl bei der weiteren Entwicklung und Verbreitung nicht-chemischer Behandlung als auch vorbeugender Maßnahmen besteht aber nach wie vor großer Forschungs- und Fortbildungsbedarf (auch seitens der Tierärzte) [2; 4; 6; 14].
Tiergesundheit im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
Eine gute Tiergesundheit bedarf in der Öko-Landwirtschaft umfangreicher Mehraufwendungen der Tierhalter. Gerade die Qualität der Betreuung der Tiere ist ein bedeutender Einflussfaktor [7; 11; 15]. Erschwert wird ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement, das Zeit und Engagement benötigt, durch die hohe Arbeitsbelastung der Bauern [2; 4; 8; 14]. Seit 2013 wird auf den Bio-Höfen, die nach den Richtlinien von Bioland, Biokreis, Demeter oder Naturland wirtschaften, nicht nur die Haltungsbedingungen vorgeschrieben und deren Einhaltung kontrolliert, sondern auch die Tiere und ihr Gesundheitszustand überprüft, mit dem Ziel einer verbesserten Tiergesundheit.
Eine nachhaltige Verbesserung der Tiergesundheit ist vor allem auch durch die Unterstützung der Politik und Behörden, des Handels, des verarbeitenden Gewerbes und des Kunden realisierbar – indem sie einen guten Tiergesundheitsstatus honorieren bzw. ungenügende Zustände sanktionieren [2; 4; 8; 15].
Foto Header: Demeter e.V., Eva Müller
* Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde an den Stellen, die aktuelle Zahlen ausweisen, aktualisiert und auf den Stand vom 28.09.2018 gebracht.
Quellen:
[1] Verordnung (EU) Nr. 834/2007 und 889/2008.
[2] Dietze, K., C. Werner und Sundrum, A. (2008): Umsetzung eines Tiergesundheitsplanes unter Berücksichtigung sozio-ökonomischer Gesichtspunkte auf ökologisch wirtschaftenden Ferkelerzeugerbetrieben.
[3] Vaarst, M. et al. (2010): Minimising medicine use in organic dairy herds through animal health and welfare planning.
[4] Rahmann, G. et al. (2008): Weiterentwicklung der Tiergesundheit zur Verbesserung der Prozess- und Produktqualität im ökologischen Landbau und deren Umsetzung in die Praxis – modellhaft durchgeführt am Beispiel der Legehennenhaltung.
[5] Rahmann, G., R. Koopmann und Hertzberg, H. (2002): Gesundheit erhalten statt Krankheit kurieren. Tiergesundheit im ökologischen Landbau. ForschungsReport Nr. 1/2002 (Heft 25), S. 4–7.
[6] Sundrum, A., Benninger, T. und Richter, U. (2004): Statusbericht zum Stand des Wissens über die Tiergesundheit in der ökologischen Tierhaltung. Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen für die Agrarpolitik. Bericht, Universität Kassel.
[7] Rahmann, G. (2004): Ökologische Tierhaltung. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.
[8] Schumacher, U., Rahmann, G. und Oppermann, R. (2009): Wo steht der ökologische Landbau heute mit Blick auf zentrale Forderungen der Tierschützer und den tierethischen Diskurs in unserer Gesellschaft? In: Rahmann, G. und Schumacher, U. (Hrsg.) Praxis trifft Forschung – Neues aus der ökologischen Tierhaltung, S. 7–20.
[9] Brinkmann, J. et al. (2011): Status Quo der Tiergesundheitssituation in der ökologischen Milchvieh-haltung in Deutschland – Ergebnisse einer repräsentativen bundesweiten Felderhebung.
[10] March, S., Brinkmann, J. und Winkler, C. (2008): Tiergesundheit als Faktor des Qualitätsmanagements in der ökologischen Milchviehhaltung – Eine Interventions- und Coaching-Studie zur Anwendung präventiver Tiergesundheitskonzepte.
[11] Mülleder, C. und Waiblinger, S. (2004): Analyse der Einflussfaktoren auf Tiergerechtheit, Tiergesundheit und Leistung von Milchkühen im Boxenlaufstall auf konventionellen und biologischen Betrieben unter besonderer Berücksichtigung der Mensch-Tier-Beziehung. Forschungsbericht, Veterinärmedizinische Universität Wien.
[12] Heil, F. et al. (2006): Pro-Q: Förderung der Qualität biologisch erzeugter Milch in der Schweiz durch Prävention und Antibiotikaminimierung. Abschlussbericht, FiBL, Frick, Schweiz.
[13] Werne, S. et al. (2012): Sainfoin – New Data on Anthelmintic Effects and Production in Sheep and Goats. 2nd IFOAM/ISOFAR International Conference on Organic Animal Husbandry, Tackling the Future Challenges of Organic Animal Husbandry, Hamburg, 12.–14. September 2012.
[14] Sommer, H. et al. (2011): Aktuelle Tiergesundheitssituation in ausgewählten Betrieben der ökologischen Schweinehaltung.
[15] Sundrum, A. (2011): Möglichkeiten und Grenzen der Qualitätserzeugung in der ökologischen Schweinehaltung. In: Rahmann, G. und Schumacher, U. (Hrsg.), Praxis trifft Forschung. Neues aus dem ökologischen Ackerbau und der ökologischen Tierhaltung, S. 35–47.
[16] Boehncke, E. (2006): Dem eigenen Anspruch gerecht werden! Tiergesundheit im ökologischen Landbau. In: Agrarbündnis e. V. (Hrsg.): Der kritische Agrarbericht 2006, S. 112–115.