Im Ökolandbau werden weder Gentechnik noch chemisch-synthetische Pestizide eingesetzt. Bio-Bauern streben nach vielfältigen Getreide-, Obst- und Gemüsesorten sowie nach eigenständig zu vermehrenden Arten. Die im Ökolandbau verwendeten Pflanzensorten müssen robust und standortangepasst sein – eine eigenständige Öko-Züchtung ist deshalb essentiell.
Mehr zugelassene Öko-Sorten auf dem Markt
Ökologische Pflanzenzüchtung leistet bereits heute einen herausragenden Beitrag für den Erhalt und den Ausbau der genetischen Vielfalt bei Getreide und Gemüse.
Allein die Züchtervereinigung Kultursaat e.V. hat seit ihrer Gründung 1994 bereits 91 neu gezüchtete und 19 erhaltene Gemüsesorten zur offiziellen Anmeldung gebracht (Stand 05/2018) – und jährlich werden es mehr. Für Getreide gibt es in der Schweiz zehn ökologisch gezüchtete Weizen- und sechs Dinkelsorten. In Deutschland stehen acht Weizen-, drei Roggen-, zwei Einkorn- und eine Sommergersten-Sorte zur Verfügung [1]. Diese Öko-Sorten wurden seit Mitte der 1980er-Jahre insbesondere von biologisch-dynamischen Züchtungsinitiativen entwickelt. Die Finanzierung erfolgte vor allem aus Spenden und Zuwendungen von Stiftungen [1;2]. Letztendlich kann das Potential des Ökolandbaus mit seinem ganzheitlichen Ansatz und seinen Nachhaltigkeits-Zielen nur gerecht werden, wenn die Bio-Züchtung weiter vorangebracht wird.
Bio-Züchtung entwickelt angepasste Sorten
Den gefährlichen Trend des Rückgangs der Sortenvielfalt in der Landwirtschaft will der Ökolandbau umkehren. Und geht mit gutem Beispiel voran: Damit etwa Öko-Gemüsebauern wieder Populationssorten kultivieren können, die auch konkurrenzfähig sind, hat der Kultursaat e.V. Grundlagen für die Zuchtarbeit bei vielen Gemüsearten geschaffen und eine "Gendatenbank" von mehr als 700 Saatgutmustern samenfester Sorten aus ganz Europa wurde angelegt [3].
Die wichtigsten Ziele einer ökologischen Pflanzenzüchtung ergeben sich aus dem systemischen Ansatz in der Ökologischen Landwirtschaft. Bio-Züchter fokussieren deshalb auf die Pflanzengesundheit, eine gute Nährstoffeffizienz sowie die Ertrags- und Qualitätsstabilität [2; 4] und es wird z.B. mit Blick auf die Ernährungs- und sensorische Qualität gezüchtet.
Samenfeste Sorten reifen meist besser aus (z.B. höhere Zucker- und Trockensubstanzgehalte) und haben häufig einen besseren Geschmack [5;6]. Wichtig für den Ökolandbau, bei dem chemisch-synthetische Pestizide verboten sind, ist das Zuchtziel Unkrautkonkurrenzfähigkeit: Das bedeutet, dass die Pflanzen in Ertrag und Qualität relativ tolerant auf die Anwesenheit von Unkräutern reagieren oder diese unterdrücken.
Für die Praxis auf Bio-Betrieben stehen weiter zu wenige Bio-Sorten zur Verfügung, vor allem auch weil die Finanzierung der ökologischen Züchtung unzureichend ist [6]. Das muss sich ändern, denn die Nachfrage nach Öko-Sorten steigt: 2010 wurden in Deutschland über 840 t Saatgut von biodynamisch und ökologisch gezüchteten Getreidesorten verkauft: Das reicht für 4.200 ha Getreideanbau (insgesamt rund 200.000 ha Bio-Getreidefläche in Deutschland). Die übrigen Betriebe müssen weiterhin ökologisch vermehrtes Saatgut einsetzen, das nicht ökologisch gezüchtet, aber mindestens ein Jahr lang auf einem anerkannten Bio-Betrieb vermehrt wurde. Bei entsprechender Verfügbarkeit, die in der Datenbank OrganicXseeds dokumentiert ist, ist der Einsatz von Saatgut aus ökologischer Vermehrung laut den EU-Rechtsvorschriften vorgeschrieben.
Der Schuh in falscher Größe: Konventionelles Saatgut im Öko-Betrieb wenig passend
Bio von Anfang an – also Öko-Sorten im Ökolandbau, das ist nicht nur für den Erfolg der Bio-Bauern wichtig. Denn die Bio-Züchtung, die überwiegend aus der Branche heraus finanziert wird, bringt robuste Sorten hervor, die auch für konventionelle Bauern attraktiv sind, da sie z.B. weniger Spritzmittel einsetzen müssen und damit Kosten einsparen. Hingegen entwickelt die konventionelle Pflanzenzucht, die deutlich stärker mit öffentlichen Mitteln ausgestattet wird, Pflanzen für eine Produktionsweise, in der synthetisch hergestellte Dünge- und Pflanzenschutzmittel integraler Bestandteil sind. Im Ökolandbau bringen diese Sorten nicht die gewünschten Ertrags- und Qualitätseigenschaften. Und: Sowohl die konventionelle Zuchtmethode der Hybridzüchtung mit Inzuchtlinien, als auch die Qualität der Hybridsorten sind umstritten in der Bio-Branche. Und auch wenn Hybridsorten durch einige Eigenschaften positiv erscheinen, so gibt es einen entscheidenden Nachteil: Landwirte können und dürfen kein Saatgut für die eigene Verwendung gewinnen und „nachbauen“, sie müssen jedes Jahr neues Saatgut kaufen – dadurch steigt die Abhängigkeit der Bauern von wenigen Chemiekonzernen wie z.B. Bayer oder Syngenta [1], deren Strategie es ist, ihr Kerngeschäft – also den Verkauf von Agrarchemie – mit dem Verkauf des jeweils „passenden“ Saatguts abzusichern. Züchtung erfolgt heute zunehmend in monopolähnlichen Marktstrukturen: So bestimmen nur drei große Saatgutunternehmen weltweit fast 60 % des gesamten Saatgutmarktes [7]. Bio-Züchter setzen dieser Entwicklung Vielfalt und patentfreies, nach dem Open-Source-Prinzip entwickeltes Saatgut entgegen, welches von den Bauern selbst an die jeweiligen Standortbedingungen weiter angepasst werden kann – eine echte, risikofreie und günstige Zukunftslösung mit Blick auf Klimaveränderungen und die wachsende Weltbevölkerung.
* Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde an den Stellen, die aktuelle Zahlen ausweisen, aktualisiert und auf den Stand vom 28.09.2018 gebracht.
Quellen:
[1] Willing, O. (2011): Ökologische Saatgutzüchtung, Informationen auf www.saatgutfonds.de, Bochum.
[2] Roeckl, C. und Willing, O. (2006): Eine Aufgabe für alle. Ökologische Saatgutzüchtung und ihre Voraussetzungen. In AgrarBündnis e.V. (Hrsg.): Der Kritische Agrarbericht 2006, ABL Verlag, Hamm, S. 139 – 144.
[3] Fleck, M. und Nagel, C. (2011): Aufbau einer Sammlung (Erhaltungszuchtbank) für samenfeste Gemüsesorten als Basis für ökologische On-farm-Züchtung, In: Brock, C. et al, Es geht ums Ganze: Forschen im Dialog von Wissenschaft und Praxis. Proceedings zu: 11. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Giessen, Verlag Dr. Köster, Berlin.
[4] Urich, D. et al. (2004): Vergleichende Qualitätsuntersuchungen von alten und neuen Gemüsesorten zur Entwicklung von Zuchtzielen für den ökologischen Gemüsebau. Bericht, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Bonn.
[5] Fleck, M. et al. (2002): Samenfeste Sorten oder Hybriden. Untersuchungen an Speisemöhren aus einem Anbauvergleich an zwei Standorten des Ökologischen Landbaus. In: Treutter, D. et al. (Hrsg.): Qualität und Pflanzenzüchtung 37, S. 167-172.
[6] Heine, H. (2000): Ergebnisse von Sortenprüfungen mit Dauermöhrensorten. Gemüse 9/2000, S. 15-17.
[7] Wiggerthale, M. (2018): Die Fusion von Bayer und Monsanto. Eine Beurteilung aus kartell- und wettbewerbsrechtlicher Sicht, Berlin.