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Soll sich der Staat für Bio engagieren?*

Politik als Weichensteller für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung

Mit dem Engagement des Staates für die Ökologische Lebensmittelwirtschaft werden ihre gesellschaftlichen Leistungen honoriert, wie z.B. die Förderung der Artenvielfalt oder der Wasser- und Bodenschutz. Die Maßnahmen sollten außerdem zum Abbau struktureller Probleme des Sektors beitragen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Ökolandbaus in Deutschland stärken. Ein gut aufeinander abgestimmtes Bündel von verschiedenen Politikmaßnahmen ist daher sinnvoll und notwendig [9]. Mit Ökologischer Landwirtschaft können zudem Politikziele im Bereich Umwelt, Tierschutz oder Klima erreicht werden.

Gründe für eine staatliche Förderung der Ökologischen Landwirtschaft

Die Landwirtschaft erbringt über die Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion hinaus wichtige Leistungen für die Gesellschaft, z. B. das Pflegen der Kultur- und Erholungslandschaften, Sicherstellen eines Mindestmaßes an nationaler Selbstversorgung und Beiträge zur ländlichen Entwicklung. 78 % der Bevölkerung wünschen die Honorierung dieser Leistungen, allerdings nur dann, wenn sie an eine umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft gebunden sind [1]. Die Ökologische Landschaft kommt diesem gesellschaftlichen Ziel besonders nahe. Ein zielgerichteter Einsatz der Steuermittel verlangt daher von der Politik eine mindestens gleichrangige, wenn nicht vorrangige Förderung der Ökologischen Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen Produktion. Die Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist eine innovative Branche, die mit den für junge Branchen typischen Struktur- und Kostennachteilen kämpft. Um sie aus eigener Kraft wettbewerbsfähig zu machen, ist eine Unterstützung gerechtfertigt, ähnlich wie bei regenerativen Energien. Des Weiteren schließt Bio risikobehaftete Technologien (z. B. Gentechnik, chemischen Pflanzenschutz) aus und verringert so Risiken [2; 3; 4].

Anreize für umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft

Die Förderung der Landwirtschaft durch die EU fußt auf zwei Säulen: Direkte Einkommensübertragungen sowie Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums, darunter die wichtigen Agrarumweltprogramme. Die direkten Einkommensübertragungen sind derzeit noch an niederschwellige Umweltleistungen, das sogenannte Greening, gebunden. So müssen mindestens drei Kulturen als Furchtfolge angebaut werden, Dauergrünland darf nicht mehr umgebrochen werden und es müssen 5 % der Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen eingerichtet werden. Bio-Höfe werden automatisch als Greening-konforme Betriebe eingestuft, da sie von Haus aus mit vielfältigen Fruchtfolgen arbeiten, die vorgeschriebenen Weiden auf Dauergrünland eingerichtet sind und mit dem ausgeprägten Leguminosenanbau, Hecken- oder Blühstreifen die 5 % für die ökologischen Vorrangflächen schnell übererfüllt sind.

Innerhalb der Agrarumweltprogramme der zweiten Säule gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, die nur zum Teil ausschließlich auf den Ökolandbau ausgerichtet sind. Eine spezielle Fördermaßnahme für die Ökologische Landwirtschaft ist die flächenbezogene Umstellungs- und Beibehaltungsförderung, womit ihre ökologischen Leistungen honoriert werden. Diese Prämien haben für die Wirtschaftlichkeit der meisten Öko-Betriebe große Bedeutung [5]. Die Umstellung auf ökologischen Landbau bringt einen höheren Produktionsaufwand und niedrigere Erträge mit sich, die Produkte dürfen jedoch erst nach einer mehrjährigen Umstellungszeit als Bio-Ware vermarktet werden. Um diesen Einkommensausfall auszugleichen, sind die Umstellungsprämien meist höher als die Beibehaltungsprämien. Im europäischen Vergleich nehmen die in Deutschland gewährten Prämien eine Mittelstellung ein [7]. In Deutschland wird die Höhe der Prämie von den Bundesländern festgelegt, was sehr unterschiedliche Förderniveaus zur Folge hat. Zudem steigen immer wieder einzelne Bundesländer temporär aus der Förderung aus. Das steht völlig im Gegensatz dazu, dass als Umstellungsanreiz für Bauern verlässliche Rahmenbedingungen entscheidend sind. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Umstellungsrate immer noch hinter dem Umsatzwachstum der Bio-Branche zurückbleibt.

EU-Agrarpolitik: Bio stärken

Ohne die zusätzliche Förderung für ökologische Leistungen im Rahmen der Agrarumweltprogramme würden die Gewinne der Bio-Betriebe deutlich geringer ausfallen als die der konventionellen Vergleichsbetriebe [5]. Dies ist jedoch im Kontext zu sehen, dass konventionelle Betriebe Folgekosten ihrer Produktion externalisieren. Seit 2014 wurde die Agrarförderung ein wenig an ökologische und soziale Kriterien gebunden und die Stellung der Ökologischen Landwirtschaft in der Förderstruktur gestärkt. Gleichwohl sind die Umweltwirkungen des Greenings als sehr gering einzustufen [6]. Mit der nächsten Etappe EU-Agrarpolitik ab 2020 braucht es deutlichere Veränderungen hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz.

Unterschiedliche Fördermaßnahmen in den Bundesländern

Weitere Programme der Länder neben der Flächenförderung sind zum Teil öko-spezifisch, zum Teil stehen sie sowohl konventionellen als auch ökologischen Unternehmen offen. Zu den Maßnahmen gehören die Förderung von Erzeugerzusammenschlüssen, die Finanzierung von Beratungsangeboten, Maßnahmen zum Ausbau der Verarbeitung und Vermarktung sowie zur Verbraucherinformation und die Bereitstellung von Forschungsgeldern. Auch ist eine langsame Ausweitung der Ausbildungsangebote zur Öko-Landwirtschaft an Berufs- und Fachschulen sowie Hochschulen zu beobachten. Die von den Ländern eingesetzten Förderinstrumente und vor allem die Höhe der dafür bereitgestellten Landesmittel variieren auch hier zum Teil beträchtlich [7].

Viele Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) haben sich in einem Öko-Aktionsplan konkrete Strategien erarbeitet und Ziele gesteckt, um Bio weiterzuentwickeln.

Neue Förderansätze in der Bundespolitik

Um strukturelle Hemmnisse zu überwinden und die Nachfrage nach Bio-Produkten auszuweiten, etablierte der Bund ein staatliches Bio-Siegel und führte 2001 das Bundesprogramm Ökologischer Landbau ein, das 2011 auch für ‚andere nachhaltige Formen der Landwirtschaft‘ (BÖLN) geöffnet wurde. Mit dem BÖLN wird der Öko-Sektor mit Mitteln außerhalb der Flächenförderung unterstützt [4; 7]. Schwerpunkte sind z.B. die Forschungsförderung, Maßnahmen zur Information der Verbraucher und zur Qualifizierung von Fachkräften für die Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Mit dem aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die deutsche Bundesregierung das Ziel gesteckt, bis 2030 auf 20 % der Agrarflächen Ökologische Landwirtschaft zu etablieren. 2017 lag der Anteil bei 8,2 %, bereits jeder zehnte deutsche Betrieb wirtschaftete biologisch. Vor allem die Förderung der Öko-Forschung, der Öko-Ausbildung und die Honorierung der Bio-Betriebe für ihr umweltfreundliches Wirtschaften werden wichtige Stellschrauben auf dem Weg zu diesem Ziel sein.


* Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde an den Stellen, die aktuelle Zahlen ausweisen, aktualisiert und auf den Stand vom 28.09.2018 gebracht.


Quellen:

[1] Forsa (2017): Meinungen zur finanziellen Unterstützung der Landwirtschaft. Telefonische Repräsentativbefragung im Auftrag des NABU.

[2] Dabbert, S. und Häring, A. M. (2003): Vom Aschenputtel zum Lieblingskind – Zur Förderung des Ökolandbaus. Gaia 12/2, S. 100–106.

[3] Mann, S. (2003): Meritorik und Transaktionskosten – Ökonomische Argumente für eine Ökolandbauförderung. Gaia 12/2, S. 107–110.

[4] Isermeyer, F. et al. (2001): Bundesprogramm Ökologischer Landbau: Entwurf der vom BMEL beauftragten Projektgruppe. Braunschweig.

[5] Sanders, J., Nieberg, H. und Offermann, F. (2010): Bedeutung der Ökoprämie für die Wirtschaftlichkeit des ökologischen Landbaus. Ländlicher Raum, Band 61, Heft 2, S. 28–29, deutsch.

[6] Bundesamt für Naturschutz (BfN) (2017): Agrar-Report 2017. Bonn.

[7] Nieberg, H., Kuhnert, H. und Sanders, J. (2011): Förderung des ökologischen Landbaus in Deutschland – Stand, Entwicklung und internationale Perspektive. 2., überarb. u. aktualis. Aufl. Braunschweig: vTI, XII, 265, 70 Seiten, Landbauforschung vTI agriculture and forestry research – Sonderheft 347, deutsch.

[8] Kuhnert, H. (2006): Social Marketing – ein Konzept für die Gestaltung von Politik zur Ausweitung des ökologischen Landbaus in Deutschland? Agrarwirtschaft 55, Heft 2, S. 112–126.


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