Seit 1991 regelt die EU, wie Bio-Produkte erzeugt, verarbeitet, importiert und gekennzeichnet werden und wie überwacht wird, dass dies ordnungsgemäß geschieht. Das Bio-Grundgesetz sorgt seither für fairen Wettbewerb und es garantiert den Kunden, dass Bio drinsteckt, wenn Bio auf dem Produkt drauf steht. Die EU-Öko-Verordnung wird stetig weiterentwickelt und markiert den strengsten, gesetzlichen Standard für die Landwirtschaft und Lebensproduktion.
Von privatwirtschaftlichen Normen zur gesetzlichen Regelung
Die Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat ihren Ursprung in der Eigeninitiative von Bauern, Verarbeitern und Händlern. Sie setzten sich privatwirtschaftliche Landwirtschafts- und Verarbeitungsregeln, um sich, die Tiere und die Umwelt zu schützen. Und sie entwickelten in ihren Verbänden Systeme der Qualitätssicherung sowie kollegialer Kontrolle. Von dem seit den 1970er-Jahren immer größer werdenden Verbraucherinteresse an Bio-Produkten versuchten auch Trittbrettfahrer zu profitieren, die ihren Produkten den Anschein von Bio-Produkten gaben, ohne dass sie den Standards genügt hätten. Ende der 1980er-Jahre forderten Bio-Branchenvertreter die EU-Kommission daher auf, ihr Initiativrecht zu nutzen und eine gesetzliche Definition auf den Weg zu bringen, was ‚Bio‘ bedeutet und wann ‚Bio‘ verwendet werden darf. Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/92 erfasste von 1991 an dann erstmals zunächst die pflanzlichen und dann seit 1999 auch die tierischen Bio-Produkte. Mit inhaltlich nur unerheblichen Änderungen wurden die Regelungen dann 15 Jahre später neu erlassen, weil man sich verständlichere Regeln und eine klarere Struktur erhoffte. Das Ergebnis liegt seither in drei gesonderten EU-Verordnungen als derzeit geltendes Gesetzesrecht vor [1], werden aber ab 2021 durch eine wiederum revidierte Öko-Verordnung abgelöst. Die aktuell gültigen Verordnungen bauen aufeinander auf und müssen daher zusammen gelesen werden. In der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 regeln der EU-Rat und das -Parlament die Grundzüge und darauf aufbauend die EU-Kommission in der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 Details für die landwirtschaftliche Erzeugung, Verarbeitung, Kennzeichnung und Kontrolle von Bio-Produkten. Die Verordnung (EG) Nr. 1235/2008 regelt die Einfuhr von Bio-Produkten in die EU. Das EU-Bio-Recht gilt als Verordnung in den Mitgliedsstaaten direkt wie die nationalen Gesetze und hat vor diesen Vorrang. Für die Praxis ist es wichtig, die häufigen Änderungen der Verordnungen zu beachten.
Anwendungsbereich und Inhalte der Verordnung
Im EU-Bio-Recht werden Ziele und Grundsätze, welche die Ökologische Landwirtschaft ausmachen, benannt. Schon die erste Bio-Verordnung von 1991 bezeichnet die Wirtschaftsweise als eine "besondere Art der Agrarerzeugung". Diese Besonderheit wird gesetzlich nicht durch eine Betrachtung der Produkte definiert, insbesondere nicht durch Kontaminationsmaximal- oder sonstige Analysewerte, sondern durch die detaillierte, prozessorientierte Definition, wie Bio-Waren produziert werden. Das EU-Bio-Recht schließt chemisch-synthetische Pflanzenschutz- bzw. künstliche Düngemittel, die in der Landwirtschaft sonst allgemein erlaubt sind, ebenso aus wie mineralische Stickstoffdünger. Nur punktuell werden durch eine Positivliste, die die EU-Kommission in einem Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 889/2008 führt, wenige, vorwiegend aus Naturstoffen bestehende Mittel für die ökologische Gesunderhaltung der Pflanzen zugelassen. Ebenso dürfen in der Verarbeitung von Bio-Produkten nur 53 der 391 allgemein zulässigen Hilfs- und Zusatzstoffe (Stand: 17.07.2019) [2] eingesetzt werden. In der Tierhaltung gelten ebenfalls hohe Anforderungen, beispielsweise ist der Auslauf für Bio-Tiere ebenso vorgeschrieben wie die größere je Tier verfügbare Fläche und die Bio-Fütterung.
Das EU-Bio-Recht gilt für pflanzliche und tierische Lebens- und Futtermittel, die als aus Ökologischer Landwirtschaft stammend angeboten werden. Für Agrarerzeugnisse, die nicht Lebens- oder Futtermittel sind, gilt es nur, solange diese nicht verarbeitet wurden. Die EU-Verordnungen gelten daher für Öko-Baumwolle, nicht aber für das daraus hergestellte Öko-T-Shirt. Die EU-Öko-Verordnung gilt auch nicht für Arznei-, aber für Nahrungsergänzungsmittel, denn diese zählen zu den Lebensmitteln.
Kontrollen und Sanktionen
Die Bio-Unternehmen sind dafür verantwortlich, dass sie die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Während aber das Einhalten der lebensmittelrechtlichen Vorgaben – wie in konventionellen Betrieben – nur stichprobenartig von den Lebensmittelbehörden überwacht wird, erfolgt die Kontrolle der spezifischen Bio-Vorschriften engmaschig und prüft umfangreich. Die Tätigkeiten der Bio-Bauern und -Lebensmittelunternehmen werden mindestens einmal jährlich vor Ort überprüft. Hinzu kommen risikoorientierte, unangekündigte Kontrollen. Neben der Prüfung der Betriebsabläufe erfolgt auch ein detaillierter Check der Eingangs-, Betriebs- und Ausgangsdokumentationen.
Das EU-Recht verlangt von den Mitgliedsstaaten die Einrichtung dieser besonderen Öko-Kontrollen. In Deutschland sind sie durch das Öko-Landbaugesetz des Bundes den privaten Öko-Kontrollstellen anvertraut. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lässt die privaten Kontrollstellen zu und die 16 Bundesländer beaufsichtigen deren Tätigkeit jeweils für ihr Territorium. Je nachdem, ob ein Bundesland seine Kontrollstellen damit beauftragt (‚beleiht‘) oder nicht, entscheiden die Öko-Kontrollstellen oder -Behörden der Bundesländer über Ausnahmeregelungen oder – im Fall von Unregelmäßigkeiten – über Sanktionen. Hier muss die Praxis z. T. recht große Unterschiede zwischen den Bundesländern beachten.
Nicht jede Abweichung von den in einigen Bereichen sehr detaillierten Vorgaben der Verordnung in der Praxis eines Bio-Betriebs rechtfertigt eine harte Sanktion, wie etwa die Aberkennung des Bio-Status von Produkt oder Betrieb. Anders liegt der Fall bei Unregelmäßigkeiten, die den Kern dessen berühren, was Verbraucher mit Recht als Leistung der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft erwarten dürfen. Artikel 30 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 verpflichtet zu einer besonderen Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen. Wenn Produkte konventioneller Herkunft vorsätzlich als Bio-Ware verkauft werden, liegt Betrug vor. Solche schweren Fälle können nicht nur mit dem Ausschluss aus der Produktion oder des Handels mit Bio-Produkten sanktioniert werden [3] sondern werden von der Staatsanwaltschaft verfolgt.
Unterschiede zwischen dem EU-Bio-Recht und den Richtlinien der Bio-Verbände
Die Öko-Verordnung markiert den gemeinsamen, gesetzlichen EU-Standard für die Öko-Produktion und -Verarbeitung sowie dem Import, der Kennzeichnung und der Kontrolle. Die Richtlinien der nationalen Öko-Verbände setzen weitere Anforderungen und damit einen noch höheren Maßstab für das, was Verbraucher von Bio-Produkten erwarten können. So verlangen die privatwirtschaftlichen Richtlinien die Umstellung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes. Beispiele für weitere Mehrleistungen der privaten Standards führt die untenstehende Tabelle auf.
Das EU-Bio-Recht trägt seit 1991 das Ansehen von Bio-Produkten. Es garantiert den Kunden, dass Bio drinsteckt, wo Bio drauf steht und es schützt Bio-Unternehmen vor unfairem Wettbewerb. Die ständige Weiterentwicklung des EU-Bio-Rechts sorgt im Angesichts des ständigen Wandels dafür, dass die gesetzliche Grundlage stets den aktuellen Anforderungen der Branche, Kunden und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst wird.
Foto Header: NürnbergMesse, Frank Boxler