Berlin, 29.09.2020. Diese Woche diskutiert der Deutsche Bundestag den kommenden Haushalt für Ernährung und Landwirtschaft, den das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) als das größte Budget aller Zeiten anpreist.[1] Die bereits geringen Mittel für die Öko-Forschung (Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft, BÖLN) und die Eiweißpflanzenstrategie (EPS) sollen ebenso gekürzt werden wie der gesamte Topf für Nachhaltigkeit des Ministeriums. Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bio-Spitzenverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert:
„Bundesministerin Julia Klöckner hat den größten Haushalt für Ernährung und Landwirtschaft vorgeschlagen, den es je gab. Ausgerechnet bei den Nachhaltigkeits-Investitionen, die Landwirtschaft und Ernährung enkeltauglich machen würden, setzt das BMEL aber den Rotstift an. Und steuert damit in die falsche Richtung.
Klöckner will bei der Öko-Forschung kürzen. Der Bereich ist seit Jahren chronisch unterfinanziert, obwohl der Forschungsbedarf wächst. Aktuell werden weniger als zwei Prozent der Forschungsmittel in die Bio-Forschung investiert. Und der Anteil schrumpft. Auch bei der Eiweißpflanzen-Strategie, die mehr Vielfalt auf die Äcker und an die Ladentheke bringt, wird gekürzt. Wir fragen uns, wie Klöckner so das Koalitionsvertragsziel von 20 % Bio erreichen und die Land- und Lebensmittelwirtschaft krisenfest machen will?
Wir appellieren an die Bundestagsabgeordneten, jetzt umzusteuern. Der Umbau von Ernährung und Landwirtschaft braucht Innovationen und Forschung. Mit dem Haushalt muss in eine resiliente Landwirtschaft, Lebensmittelherstellung und Ernährung investiert werden. Das deutsche 20 % Bio-Ziel und das 25 % Bio-Ziel Europas legen die Messlatte auf.
Geld für mehr Bio und mehr Nachhaltigkeit wäre im BMEL-Budget mehr als genug da. Denn allein 20 Mio. € sind für die Bewerbung des nicht umsetzbaren ‚Tierwohllabels‘ eingeplant. Und noch einmal 20 Mio. € sollen in eine ‚Ackerbaustrategie‘ gesteckt werden, der verbindliche Ziele fehlen.
Wichtig ist, dass für die Züchtung oder zu Fruchtfolgen langfristig geforscht werden kann. Die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen* müssen entsprechend ausgestaltet werden.“
*Ob die Mittel auch sinnvoll verwendet werden können, hängt zudem davon ab, wie sogenannte „Verpflichtungsermächtigungen“ angesetzt werden. Damit können Mittel für die nächsten Jahre fest eingeplant werden, sonst wären mehrjährige Forschungsprojekte gar nicht möglich. Und landwirtschaftliche Forschung, etwa die Entwicklung von klimaangepassten Getreidesorten oder optimalen Fruchtfolgen braucht mehr als ein Jahr, um Ergebnisse erbringen zu können. Der BÖLW weist seit Jahren auf diesen Fallstrick hin, bisher sperrt sich das BMEL jedoch einer sinnvollen Ausgestaltung der Verpflichtungsermächtigungen, wie sie auch in anderen Programmen im Haushalt üblich ist.
Hintergrund
Im Bundeshaushalt soll auf das Agrar- und Ernährungsbudget 7.661,4 Mio. Euro entfallen. Geplant ist, den Bereich „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation“ (Kap. 1005) zu kürzen. Damit fällt auch das Bundesprogramm Ökolandbau und die Eiweißpflanzenstrategie der Kürzung zum Opfer – und das, obwohl es jedes Jahr mehr Betriebe gibt, die bereit sind, die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen, indem sie auf Öko umstellen (wollen).
Die finanzielle Entwicklung des BÖLN: „Das Programm war für 2002 mit 34,8 Millionen Euro, für 2003 mit rund 36 Millionen Euro und für die Jahre 2004 bis 2006 mit jährlich 20 Millionen Euro ausgestattet. Für die Jahre 2007 bis 2012 standen jährlich 16 Millionen Euro und für den Zeitraum 2013 bis 2016 17 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Im Haushaltsjahr 2017 wurden die Mittel dann auf 20 Millionen Euro und 2018 auf 30 Millionen Euro angehoben. Nach verwaltungsbedingten Umschichtungen beträgt der Titelansatz seit 2020 28,85 Mio. €. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die operative Förderung, so dass die verschiedenen Maßnahmen auf dem Niveau der Jahre 2018 und 2019 fortgeführt werden können.“[2] 2021 sollen 28,4 Mio. Euro investiert werden. Da aus diesem Topf auch etliche Maßnahmen außerhalb des Ökolandbaus gefördert werden, liegt das eigentliche Öko-Budget in etwa auf dem Niveau von 2013 – Inflation nicht einberechnet.[3]
1630 Zeichen (Statement), Veröffentlichung honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten, Ansprechpartner: BÖLW-Pressestelle, Joyce Moewius, Tel. ++49 30 28482 307
Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von fast 50.000 Bio-Betrieben etwa 12 Mrd. Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.
[1]https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/168-haushalt.html
[2]S. https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/oekologischer-landbau/bundesprogramm-oekolandbau.html
[3] Überträgt man den BÖL-Ansatz von 2002 in Höhe von 34,8 Mio. € inflationsbereinigt auf 2020, dann müssten es heute laut https://www.finanzen-rechner.net/inflationsrechner.php 44,96 Mio. € sein, um die gleiche „Kaufkraft“ (= Förderwirkung) wie 2002 zu erzielen. Der Etat des BÖLN liegt also um 50 % unter der Marke von 2002 – und da ist das „N“ noch nicht mal herausgerechnet.