Berlin, 01.04.2019. „Peinlich für die Bundesregierung, schädlich für Gewässer und Bauern, ärgerlich für die Bürger: Deutschland muss ein weiteres Mal an das Düngerecht ran. Denn die aktuellen Regeln reichen für den Gewässerschutz nicht aus. Auch die Vorschläge, die die Bundesregierung in Brüssel eingereicht hat, sind ungenügend. Grundlage des Düngerechts muss jetzt endlich das Verursacher-Prinzip werden“, betont Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.
Es läuft etwas falsch, wenn die Politik ausgerechnet die Bauern mit zusätzlichen Auflagen überzieht, die unser Wasser schützen. „Wasserschützern das Leben schwer zu machen, löst das Nitratproblem nicht, sondern verschärft es“, betont Löwenstein. Das gelte besonders für Öko-Betriebe. Denn denen bescheinigte zuletzt das staatliche Thünen-Institut, durch ihre Wirtschaftsweise das Wasser zu schützen. Aber auch viele konventionell extensiv wirtschaftende Kollegen, die ihre Böden gewässerschonend düngen, würden unsinnig belastet.
Ein wirksames Düngerecht muss jetzt zwingend sicherstellen, dass
- auf der Fläche nur so viele Tiere gehalten werden, wie Böden und Gewässer verkraften. Ohne diesen wichtigen Schritt können die Nitratüberschüsse in unseren Gewässern nicht ausreichend reduziert werden.
- leicht lösliche synthetische Stickstoffdünger, die ebenfalls zu den Problemen beitragen, im Düngerecht mitgeregelt werden. Aus Sicht des Gewässerschutzes dürfen sie nur so ausgebracht werden, dass die Auswaschung von Nährstoffüberschüssen in Gewässer vermieden wird.
- Betriebe, die Gewässer schützen, nicht in einem Aufwasch mit den Problembetrieben mit Produktions- und Dokumentationsvorschriften überzogen werden.
„Wir fordern Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Umweltministerin Svenja Schulze auf, ein Düngerecht zu schaffen, dass punktgenau die Verursacher in Pflicht nimmt und diejenigen, die Gewässer schützen, entlastet“, so Löwenstein und betont abschließend mit Blick auf den 7-Punkte-Plan von Julia Klöckner und Ursula Heinen-Esser (NRW): „Ein wirksames Düngerecht entlang des Verursacherprinzips ist der wirksamste Schutz von Bauernfamilien.“
Hintergrund
Warum Deutschland das Düngerecht verbessern muss
Die aktuellen Düngeregeln dämmen schädliche Nitratüberschüsse nicht ausreichend ein. Für den schlechten chemischen Zustand des Grundwassers ist die Belastung mit Nitrat aus der landwirtschaftlichen Fläche die häufigste Ursache. Innerhalb Europas gehört Deutschland zu „den sechs Ländern mit den höchsten nationalen Stickstoff-Salden“ . Deshalb soll Deutschland die erst 2017 beschlossene Düngeverordnung erneut verbessern. Die ersten Vorschläge der Bundesregierung für eine Anpassung der Verordnung genügten der EU-Kommission nicht. Auch eine wissenschaftliche Untersuchung zeigte, dass die angepassten Regeln „keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser“ bewirken würden.
Was zur Nitratverschmutzung führt
Das eigentliche Problem: Bei zu vielen Tiere auf zu wenig Fläche, also einer nicht-flächengebundene Tierhaltung, fällt auch mehr Gülle an, als die Böden und das Grundwasser verkraften können.
Hier geht es nicht um den Großteil der deutschen Betriebe, sondern vor allem um Betriebe mit intensiver Viehhaltung in bestimmten Regionen Deutschlands. „Wird zu viel Dünger auf den Feldern verwendet, gelangt mehr Stickstoff in den Boden, als die Pflanzen für ihr Wachstum benötigten und aufnehmen können. Als im Wasser gelöstes Nitrat sickert der Stickstoff tiefer durch das Erdreich und gelangt schließlich ins Grundwasser (…).“
Betriebe, die Wasser schützen, werden benachteiligt
Aktuell ist das Düngerecht absurd gestrickt und mit Blick auf Gewässerschutz unzureichend wirksam: Die Düngeverordnung benachteiligt ausgerechnet wasserschützende Betriebe wie Bio-Höfe, obwohl diese ein Teil der Problemlösung sind. Bio punktet besonders dort, wo Landwirtschaft in der Breite nachhaltiger werden muss. Daher arbeiten viele Wasserwerke mit Bio-Betrieben zusammen. Die Wissenschaft belegt die eindeutigen Vorteile von Bio, da weniger kritische Stoffe wie chemisch-synthetische Pestizide eingesetzt werden und die Dünung streng begrenzt ist.
Die neuen Düngeregeln machen den Gewässerschützern jedoch das Leben schwer: Kompost und Festmist werden ungerechtfertigt benachteiligt. Der Stickstoff aus Gülle ist leicht löslich*, weshalb bei großen Gülle-Mengen ein hoher Anteil von den Pflanzen nicht aufgenommen und in das Grundwasser ausgewaschen wird. Auch synthetischer Stickstoff („Kunstdünger“) entweicht in Wasser und Luft und schädigt das Ökosystem. Kompost und Festmist sorgen dagegen für Humus im Boden und geben Nährstoffe langsam ab. Die Pflanzen können so die Nährstoffe nach und nach und komplett aufnehmen. Die scharfe Regulierung von Kompost und Mist ist fatal, da bestraft wird, wer durch den Aufbau von Humus die Bodenfruchtbarkeit erhöht – und damit neben dem Gewässer- auch zum Klimaschutz beiträgt. Kritisch: Die Festlegung von Nährstoffen im Humus können Betriebe in der Nährstoffbilanz nicht berücksichtigen, während Intensiv-Tierhaltungsbetriebe mit großem Gülleaufkommen die Stickstoffeinträge dank großzügiger Abschläge schönrechnen dürfen.
Folgen der Nitratverschmutzung
Die Folgen: In vielen Regionen befindet sich das Grundwasser in einem kritischen Zustand. „So wiesen bei Untersuchungen für den Nitratbericht der Bundesregierung im Zeitraum von 2012 bis 2014 rund 50 % der Grundwassermessstellen eine erhöhte Nitratkonzentration auf, bei 28 % lag sie sogar über dem zulässigen Grenzwert für Trinkwasser.“ Laut der Grundwasserdatenbank besteht dringender Handlungsbedarf: „An rund 22 % der Vorfeldmessstellen wird der Nitratgrenzwert von 50 mg/l überschritten. An rund 28 % der Vorfeldmessstellen liegen die Nitratkonzentrationen über 37,5 mg/l. In der Spitze wurden im Jahr 2016 sogar Nitratwerte bis 357 mg/l erreicht.“
* Anmerkung: Gülle steht gewissermaßen zwischen Mineraldünger und Festmist. Auch der Stickstoff aus Gülle muss erst „mineralisiert“ werden, bevor er pflanzenverfügbar ist, insofern ist Gülle nicht so leicht löslich wie Kunstdünger.
2317 Zeichen, Abdruck honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten; Ansprechpartner: Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Tel.: +49 171 3035 686. Mehr BÖLW-Infos zum Thema Düngung s. https://www.boelw.de/themen/pflanze/duengung/.
Die in der Meldung gewählte männliche Form schließt immer gleichermaßen alle Geschlechter ein.
Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von über 40.000 Bio-Betrieben 10.91 Mrd. Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Bioland, Biokreis, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.