Berlin, 16.03.2023. Die Umweltministerinnen und -minister der EU-Staaten beraten auf ihrer Sitzung in Brüssel über die künftige Risikobewertung und Folgenabschätzung neuer Gentechnikverfahren. Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des BÖLW, erläutert:
„Die EU-Kommission will neue Gentechniken auf Biegen und Brechen in den Markt drücken, ohne Rücksicht auf den Umwelt- und Verbraucherschutz und auf Kosten hunderttausender Bauernhöfe und ihrer Partner in Lebensmittelverarbeitung und -handel. Bisher betet die Kommission die Heilsversprechen der Gentechnik-Lobby nach und will Gentechnik auch ohne seriöse wissenschaftliche Bewertung als „sicher“ oder „nachhaltig“ einstufen. Vor allem verweigert die Kommission Antworten auf die Frage, wie Bauernhöfe und Unternehmen zukünftig ökologisch wirtschaften können, wenn neue gentechnisch veränderte Organismen ohne praxistaugliche Nachweisverfahren und ohne eindeutige Gentechnik-Kennzeichnung auf den Markt geworfen werden sollten. Damit will sie auch verhindern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, welche Produkte aus Gentechnik hergestellt wurden.
Die EU-Kommission torpediert mit diesem Vorgehen ihr eigenes Ziel von 25 Prozent Bio bis 2030 und auch die Bio-Zielsetzungen der Bundesregierung und vieler Bundesländer. Gentechnik bedeutet neue Abhängigkeiten durch mehr Patente und das Risiko von noch mehr Pestiziden durch Gentech-Pflanzen mit “Herbizid-Toleranz”. Bisher mit CRISPR & Co. entwickelte Pflanzen lassen alte Pilze, Äpfel oder Salate “frisch” aussehen oder sollen Tomaten zum Beruhigungsmittel machen. Nichts davon bringt dem Klima, der Biodiversität oder gar den Hungernden dieser Welt irgendetwas. Es ist gut, dass das Bundesumweltministerium hier wachsam ist und auf ein Vorgehen gemäß dem Vorsorgeprinzip pocht. Wenn sich andere Ministerien gegen die Wahlfreiheit und den Schutz unserer Lebensgrundlagen stellen, muss notfalls der Bundeskanzler von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und eine konsequente Regulierung der neuen Gentechniken sicherstellen, so wie er es 2021 versprochen hat.“
Hintergrund
Österreich will im Umweltrat kritisieren, dass die EU-Kommission ihre Bewertung möglicher Risiken neuer Gentechniken für Mensch und Umwelt auf Behauptungen der Gentechnik-Anhänger und nicht auf seriöse wissenschaftliche Analysen stützt. Weil auch kleinere gentechnische Veränderungen ohne artfremdes Genmaterial massive Folgen haben können, müssten alle mit Gentechnik-Verfahren erzeugten Organismen – wie aktuell in der EU gesetzlich vorgeschrieben – vor einer Markteinführung umfassend auf mögliche Risiken geprüft werden.
Auch wirtschaftliche Gefahren, für die fast ausschließlich gentechnikfrei wirtschaftende europäische Land- und Lebensmittelwirtschaft und insbesondere Schäden für die ökologische Produktion oder den Verlust wichtiger Exportmärkte, hat die EU-Kommission in ihrer Folgenabschätzung bisher vernachlässigt.
Das Bundesumweltministerium (BMUV) setzt sich für wirksame Umwelt- und Verbraucherschutzregelungen ein, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt sich bisher gegen entsprechende Vorsorgemaßnahmen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im Juni 2021 in einem Brief an Agrar-, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen zugesagt, sich „auf allen Ebenen für eine strikte Regulierung der neuen Gentechniken einzusetzen.“
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