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Pressemitteilung

Gentechnik: EU-Parlamentsmehrheit verfestigt Position gegen Umwelt, Wirtschaft und Verbraucherschutz

Berlin, 23.04.2024 – Das Plenum des Europäischen Parlaments wird morgen die Position des Parlaments zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission für die künftige Regulierung neuer Gentechniken (NGT) abschließend festlegen. Hierzu äußert sich Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des BÖLW, wie folgt:

"Der Beschluss zielt darauf ab, die gewünschten Formulierungen zur neuen Gentechnik-Verordnung so zu verankern, dass die neu gewählten Abgeordneten im Juni keine Änderungen mehr daran vornehmen können. Konservative und Liberale versuchen damit, die öffentliche Diskussion über die beabsichtigte drastische Lockerung des EU-Gentechnikrechts im Keim zu ersticken.

Führende Fachbehörden aus Frankreich und Deutschland haben in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass die in der Verordnung vorgesehenen Regelungen auf keiner soliden wissenschaftlichen Basis fußen. Risiken von Eingriffen mit neuen Gentechniken können unabhängig von deren Anzahl oder Umfang erheblich sein.

Obwohl das Parlament – wie zuvor die EU-Kommission – erkannt hat, dass NGT aus der ökologischen Produktion ausgeschlossen bleiben muss, fehlen weiterhin konkrete Vorgaben, die ökologisch wirtschaftenden Betrieben und Unternehmen auch zukünftig eine Lebensmittelerzeugung ohne eine faktische Zwangsnutzung von Gentechnik ermöglichen. Die vom Parlament unterstützte Kennzeichnungspflicht für NGT-Produkte reicht hierfür nicht aus.

Anstatt das Problem der Patentierung von NGT-Pflanzen ernsthaft anzugehen, verliert sich die Parlamentsmehrheit in Wunschvorstellungen ohne rechtliche Relevanz. Die konservativen und liberalen Abgeordneten wollen per Absatz in der neuen Verordnung Patente auf NGT-Pflanzen ausschließen. Es wäre genauso effektiv, in die Verordnung zu schreiben, dass es im Juni nicht regnen soll – beides wird die Realität wenig beeindrucken!

Um die großen Herausforderungen im Agrar- und Ernährungsbereich zu bewältigen, brauchen wir nachhaltige und praxistaugliche Systemlösungen wie Bio und keine teuren, riskanten Gentechnik-Experimente. Das neue EU-Parlament und die neue EU-Kommission müssen die Grundlagen dafür schaffen – mit wirksamen Koexistenz- und Kennzeichnungsbestimmungen für echte Wahlfreiheit und mit glaubwürdigen Initiativen gegen die Patentierung von Saatgut, Pflanzen und Tieren!"

Hintergrund:

Die Abstimmung im Plenum bildet den finalen formalen Akt bezüglich der Änderungswünsche des Europaparlaments zu einem Gesetzesvorhaben (Abschluss der ersten Lesung). Bereits am 7. Februar hatte das Parlament mit der Mehrheit aus Europäischer Volkspartei (EVP, dazu zählen auch die Abgeordneten von CDU und CSU) und Renew Europe (liberale Fraktion, darunter auch die deutschen FDP-Abgeordneten) Änderungsvorschläge des Parlaments zum ursprünglichen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission beschlossen.

In den mehrheitlich angenommenen Änderungsanträgen wurde die Grundlinie der EU-Kommission unterstützt. NGT-Pflanzen sollen nach dem Willen von Kommission und Parlamentsmehrheit künftig in zwei Kategorien eingestuft werden. NGT-Pflanzen der Kategorie 1, unter die ein Großteil der Anwendungen von neuen Gentechniken fallen dürfte, sollen künftig nicht mehr auf mögliche Risiken für Mensch und Umwelt geprüft werden. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES und das deutsche Bundesamt für Naturschutz haben in Gutachten dargelegt, dass die Aufteilung zwischen den beiden Kategorien und die Begründung für die Abschaffung der Risikoprüfung keiner wissenschaftlichen Bewertung standhalte.*

Die von praktisch allen Akteuren der Land- und Lebensmittelwirtschaft einhellig kritisierte Patentierung von NGT-Pflanzen haben auch Kommission und Parlamentsmehrheit als Problem benannt. Die EU-Kommission will zu den Entwicklungen bei den Patenten bis 2026 einen Bericht vorlegen, das Parlament hat Änderungsanträge beschlossen, mit denen Patente auf NGT explizit ausgeschlossen werden sollen. Allerdings ist für die Patentierung von Organismen die sogenannte „Biopatentrichtlinie“ von 1998 maßgeblich, die im Februar vom Parlament beschlossene Formulierung hätte also rechtlich keinerlei Wirkung.

Das zuständige Europäische Patentamt (EPA) stellte zuletzt im August 2023 klar, dass Organismen, die mit Hilfe neuer Gentechnik-Verfahren (NGT) entwickelt wurden, patentrechtlich als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gelten und deshalb patentiert werden können. Daran könne nur eine Novellierung der Biopatentrichtlinie etwas ändern.**

Mehr Infos zu Gentechnik: www.boelw.de/themen/gentechnik/landwirtschaft/ und auf den Seiten des Informationsdienstes Gentechnik: www.keine-gentechnik.de

* https://www.boelw.de/presse/meldungen/artikel/gentechnik-deregulierungsplaene-ohne-wissenschaftliche-grundlage/

** https://www.euractiv.com/section/agriculture-food/news/europe-patent-office-gene-edited-plants-will-be-patented-under-gmo-rules/

Alle BÖLW-Presseinfos finden Sie auf https://www.boelw.de/presse/meldungen/


1.982 Zeichen (Zitat Tina Andres), Abdruck honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten. Ansprechperson: Peter Röhrig, presse[at]boelw.de, +49 30 28482-307 

Ein Foto von Tina Andres finden Sie zur Veröffentlichung im Zusammenhang mit dieser Meldung auf https://www.boelw.de/service/mediathek/personen/.

Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeugerinnen, Verarbeiter und Händlerinnen von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von über 57.000 Bio-Betrieben 16 Milliarden Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind unter anderem: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Dachverband ökologische Pflanzenzüchtung in Deutschland, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.

 

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