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Pressemitteilung

Der Umbau des Agrar- und Ernährungssystems ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

BÖLW zur ZKL-Berichtsübergabe an Bundesregierung

Berlin, 05.07.2021. Morgen wird der Bericht der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (ZKL) an Angela Merkel übergeben. Der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein, war einer von 31 Akteuren aus Wirtschaft, Umwelt, Landwirtschaft, Tier- und Verbraucherschutz sowie Wissenschaft, die in der Kommission mitgewirkt haben und berichtet:

„Eine wichtige Voraussetzung, unter der es möglich war, eine so beeindruckende Einigkeit zu erzielen: Wir müssen den Umbau der Landwirtschaft in Deutschland und Europa so organisieren, dass die landwirtschaftlichen Betriebe den Weg mitgehen können, ohne auf der Strecke zu bleiben. Das Ziel ist deshalb: es muss sich wirtschaftlich lohnen, die Umwelt zu schonen, klimaneutral zu produzieren und Tiere artgerecht zu halten.“

Für einige Passagen kommentiert Löwenstein, was die Politik konkret angehen muss und wobei Bio als Trittstein für den Umbau genutzt werden kann:

Einleitung, Abschnitt 2: Gerade in strukturschwachen Regionen zeigt beispielsweise der Ökolandbau, wie dort durch integrierte Entwicklung von Landwirtschaft und Verarbeitung neue Wertschöpfungscluster entstehen können.

„Unsere Gesellschaft ist nicht stabil ohne lebendige, lebenswerte ländliche Räume. Dafür spielt die Lebensmittelwirtschaft eine zentrale Rolle, denn sie beginnt mit dem, was dort entsteht: Gemüse, Milch, Fleisch oder Getreide. Die nächste Bundesregierung wird einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt darauf legen müssen, mittelständische, nach ökologischen Prinzipien ausgerichtete Verarbeitungsunternehmen zu unterstützen – beispielsweise Schlachtstätten. Die gnadenlose Zentralisierung der letzten Jahrzehnte hat handwerkliche, mittelständische Betriebe ausgelöscht, Bauernhöfe in alternativlose Abhängigkeit gebracht und regionale Wertschöpfung verhindert.“

Kapitel 1 und 4.1.4: Der Ökolandbau ist derzeit das einzige integrierte Bewirtschaftungsmodell, das die Bewirtschaftung, Zertifizierung und Vermarktung umfasst und das über einen nennenswerten und sehr dynamischen eigenen Markt verfügt […].

„Auch wenn in den nächsten neun Jahren das Ziel der EU ist, den Öko-Landbau auf 25% auszuweiten, so muss auch der Rest der Landwirtschaft gleichzeitig grundlegend umgebaut werden. Die Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat deshalb nicht nur die Aufgabe, ihre Leistungen für Natur- und Klimaschutz sowie Tierschutz und gesunde Ernährung entsprechend zu vergrößern. Sie kann zusammen mit ihren Kundinnen und Kunden auch als Pfadbereiter für die Transformation der gesamten Land- und Ernährungswirtschaft wirken. Denn viele ihrer Innovationen – die bereits entwickelten ebenso wie die noch anstehenden – entstehen unter den Anforderungen, die über kurz oder lang für alle gelten werden.“

Kapitel 4: Für das Ernährungssystem ist unter anderem charakteristisch, dass ein erheblicher Teil der aus den anspruchsvoller gewordenen Nachhaltigkeitszielen sich ergebenden Herausforderungen nicht allein technisch durch Effizienzsteigerungen gelöst werden kann. Es ist auch eine Weiterentwicklung von Konsum- und Ernährungsstilen […] notwendig.
[...] die möglichst weitgehende Vermeidung von negativen externen Auswirkungen auf Klima, Umwelt, Biodiversität, Tierwohl und menschliche Gesundheit […] ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

„Der Umbau unseres Agrar- und Ernährungssystems hin zu wirklicher „Enkeltauglichkeit“ ist eine Aufgabe, die alle betrifft: nicht nur die Bäuerinnen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette, die Kunden und die Politik. Wenn die neue Bundesregierung ihn an ein einziges Ressort delegiert, wird sie vier Jahre später feststellen, dass der Umbau nicht stattgefunden hat. Wir fordern deshalb – ebenso wie für die Klimapolitik – ein Querschnittsprogramm der gesamten Bundesregierung, in dem alle Politikinstrumente aufeinander abgestimmt sind, die diesen Umbau begleiten und in ihm den Ökologischen Landbau stärken.“

Kapitel 4.1.1: Das Agrar- und Ernährungssystem muss in der Weise transformiert werden, dass die […] externen Effekte möglichst weitgehend vermieden oder, soweit sie unvermeidbar sind, ökonomisch internalisiert werden.

„Immer noch glauben viele Menschen der Behauptung, Klima- Tier- und Umweltschutz sei ein Luxusprojekt, das sich nur reiche Gesellschaften leisten könnten. Der Bericht der ZKL macht mehr als deutlich, dass es genau umgekehrt ist: Nicht-Handeln wird von Tag zu Tag teurer, was nirgends deutlicher ist, als im Zusammenhang mit der Klimakrise. Sobald die Preise für Produkte und der Aufwand der Produktion auf den tatsächlichen Kosten beruhen, werden die Marktkräfte für einen Umbau sorgen. Dann wird sichtbar, dass ökologisches Wirtschaften und Konsumieren die günstigere Wahl ist.“

Kapitel 4.3.1: Die GAP [Anm.: Gemeinsame EU-Agrarpolitik] muss die Transformationsprozesse in der Landwirtschaft zielgerichtet unterstützen und entsprechende Anreize geben. Die Förderpolitik sollte konsequent am Erhalt der gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft ausgerichtet werden.

„Zentral ist: In der EU-Finanzierungs-Periode, die ab 2028 beginnt, muss die Europäische Agrarpolitik vollkommen darauf ausgerichtet werden, konkrete gesellschaftliche Leistungen zu bezahlen. Das Ende der quasi bedingungslosen Belohnung von Flächenbesitz ist also in Sicht. Wir haben das seit Langem eingefordert. Die Aufgabe der Politik ist es nun, den Weg dorthin klar und unter Herstellung von Planungssicherheit zu beschreiben und sofort damit zu beginnen. Jedes Aufschieben erhöht die Gefahr, dass es zu Brüchen kommt, die viele Betriebe ihre Existenz kosten.“

Kapitel 4.4: Die Grundlage des Züchtungsfortschrittes ist [...] die beständige Rekombination zwischen geeigneten Pflanzen einer Art durch Kreuzung und Selektion.

„Der Bericht geht nicht kommentarlos darüber hinweg, dass es unterschiedliche Einschätzungen über die Chancen und Risiken neuer Gentechnik-Verfahren gibt. Er räumt aber mit der ständig verbreiteten Vorstellung auf, dass diese Verfahren das Zaubermittel zur Lösung der großen agronomischen Probleme seien. Und er macht deutlich, dass die Prinzipien von Vorsorge, von Wahlfreiheit und von freiem Zugang zu genetischen Ressourcen nicht unter dem Vorwand unhaltbarer Versprechungen zur Disposition gestellt werden dürfen.“


6.211 Zeichen, Veröffentlichung honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten, Ansprechpartner: Pressestelle BÖLW, Tel. +49 (30) 28482 307

Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeugerinnen, Hersteller und Händlerinnen von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von 52.185 Bio-Betrieben 14.99 Mrd. € umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Deutscher Tee & Kräutertee Verband, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.