Berlin, 23.09.2020. Die EU-Agrarministerinnen und -Minister beraten aktuell über die Gestaltung der EU-Agrarpolitik (GAP) für die nächsten sieben Jahre. Im Oktober will die deutsche Ratspräsidentschaft mit den EU-Staaten eine ‚allgemeine Ausrichtung‘ erzielen. „Schon jetzt verzögert sich die wichtige GAP-Reform um zwei weitere Jahre. Der überfällige Umbau der Landwirtschaft stagniert“, bewertet Felix Prinz zu Löwenstein vom Bio-Dachverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und ergänzt: „Die deutsche Ratspräsidentschaft plant, einen verpflichtenden Mindest-Prozentsatz der EU-Agrarzahlungen für Umwelt-, Klima- und Tierschutz in ganz Europa festzulegen. Das ist gut. Aber nur dann, wenn dieser Mindestsatz deutlich über dem angesetzt wird, was heute schon in diesem Bereich investiert wird.“
Klar sei doch, dass die Milliarden der GAP bestimmen, welche Landwirtschaft sich lohnt. Löwenstein: „Nur, wenn mindestens 70 % der Landwirtschaftsmilliarden in Umwelt-, Klima- und Tierschutz zu investiert werden, schafft Europa den Umbau zu enkeltauglicher Landwirtschaft und damit auch den Green Deal. Alles andere ist eine gefährliche Verzögerungstaktik. Das hilft weder Europas Bauern noch unser aller Ressourcen.“
Das von Julia Klöckners vorgeschlagene Konzept ‚Lernphase‘ sei der falsche Weg. Denn es wird zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn einzelne Länder erst einmal gar keine attraktiven Umweltprogramme anbieten – und das nicht abgerufene Geld weiter ohne Bedingung pro Hektar auszahlen. „Dann bekommen wir einen Wettlauf, wer die geringsten Standards setzt“, so Löwenstein. „Sinnvoll wäre stattdessen, mit einem Basis-Mindestsatz einzusteigen und diesen im Lauf der nächsten 7 Jahre kontinuierlich auf 70 % zu steigern. Das gibt sowohl den landwirtschaftlichen Betrieben als auch dem Markt Planungssicherheit.“ Es ermögliche auch allen Mitgliedsstaaten, ihre Programme passgenau für Umwelt und Betriebe zu entwickeln.
Ähnliches gilt auch für die Zahlungen der ‚zweiten Säule‘ der GAP, mit denen mehrjährige Umweltprogramme finanziert werden. „Die EU-Kommission setzt in ihrer Farm to Fork-Strategie auf 25 % Ökolandbau bis 2030. Damit dieses sinnvolle Nachhaltigkeitsziel umgesetzt werden kann, muss die Ausstattung der zweiten Säule kontinuierlich ausgebaut werden“, fordert der BÖLW-Vorsitzende. „Denn mehr investieren kann Deutschland auch schon jetzt, vor der Agrarreform. Und Geld von den pauschalen Flächengeldern in den Umwelttopf umschichten. Aktuell nutzt Deutschland diese Möglichkeit aber nur zu 6 %. Dieser Satz muss in klar benannten Schritten auf die möglichen 15 % gesteigert werden, damit alle Bäuerinnen und Bauern, die in den nächsten Jahren auf Bio umstellen wollen, das auch machen können.“
Ein Green Deal braucht eine enkeltaugliche Landwirtschaft und Ernährung. Und eine enkeltaugliche Landwirtschaft braucht eine neue Agrarpolitik, die den Boden für die Farm to Fork-Ziele bereitet und in die Umweltleistungen der Landwirte investiert. Löwenstein betont abschließend: „Den Umbau der Landwirtschaft schaffen die Bäuerinnen und Bauern nur, wenn sie ihr Engagement für das Gemeinwohl auch honoriert bekommen. Die aktuelle GAP, bei der ein Großteil des Geldes für Flächenbesitz gezahlt wird, fast egal wie gewirtschaftet wird, versagt hier auf ganzer Linie.“
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Mehr Infos zur Reform der EU-Agrarpolitik auf https://www.boelw.de/themen/eu-agrarpolitik/reform-2020/.
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Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von fast 50.000 Bio-Betrieben etwa 12 Mrd. Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.