Politikbereich Wirtschaft
BÖLW-Grundsatzpapier zur Bundestagswahl 2021Berlin, 20.01.2021. Mit ihrem Green Deal sendet die EU-Kommission eine klare Botschaft: Wohlstand und Ökologie können nur miteinander, nicht gegeneinander, erreicht und dauerhaft gesichert werden. Die Kommission legt mit dem Green Deal einen konkreten „Fahrplan für eine nachhaltige EU-Wirtschaft“ vor – mit klaren Strategieplänen (Farm to Fork-Strategie, Biodiversitätsstrategie) und einem neuen Nachhaltigkeitsfokus in der Wirtschaftspolitik (u. a. EU-Lieferkettengesetz, Bereitstellung von umfangreichen Finanzmitteln für die Transformation). Weit entfernt von einem Green Deal steht derzeit Deutschlands Wirtschaftspolitik da. Schon die Indikatoren von wirtschaftlichem Erfolg, wie das BIP, die Anzahl neuer Patente oder der Fokus auf Wachstum, hinken hierzulande neueren, wissenschaftlichen Erkenntnissen weit hinterher. Es ist unstrittig, dass mit diesen Dinosaurier-Indikatoren weder der Wohlstand, noch die Nachhaltigkeit von Unternehmen oder Regionen ausreichend erfasst werden können – und die Wirtschaft damit das Ziel verfehlen muss, dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger zu dienen.
Nachhaltigkeit zum Förderkriterium machen
Eine BÖLW-Anfrage bei den Wirtschaftsministerien der Bundesländer liefert ein ernüchterndes Ergebnis: In den meisten Bundesländern spielt die Nachhaltigkeit von Unternehmen in der Bewertung von Anträgen auf Wirtschaftsförderung überhaupt keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Ein solch veraltetes Verständnis von Wirtschaftsförderung und -politik gefährdet die Zukunft Deutschlands gleich doppelt: Einerseits werden die von den Menschen und Unternehmen im Land erwirtschafteten Steuergelder für Strukturen ver(sch)wendet, die wegen ihrer nicht nachhaltigen Ressourcennutzung oder Emissionen Schäden an Gemeingütern verursachen und/oder deshalb in absehbarer Zeit wieder zurückgebaut werden müssen. Andererseits fehlen die Milliarden Euro, die in umweltschädliche Subventionen geflossen sind, um jene Unternehmen und Strukturen zu fördern, die eine nachhaltige Transformation und ein Wirtschaften innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen anstreben.
Steuergelder nur für nachhaltige Unternehmen
Angesichts des überzogenen CO2-Budgets und der dramatischen Zerstörung der Artenvielfalt muss für die 2021 und danach gewählten Regierungen auf Bundes- und Landesebene klar sein: Steuergelder dürfen nur noch in Wirtschaftsbereiche und Unternehmen investiert werden, die den Umbau Richtung Green Deal stärken. Das zentrale Instrument der Wirtschaftsförderung auf Bund-Länder-Ebene ist die „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Sie fokussiert bewusst kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), weil wissenschaftlich wie politisch unstrittig ist, dass solche Strukturen für eine dauerhafte Stärkung von Regionen und die Entwicklung von Innovationen entscheidend sind. Denn anders als international operierende Konzerne engagieren sich die Eigentümer von KMU vor Ort. Standorte – auch hochprofitable – werden nicht einfach geschlossen, nur, weil irgendwo anders auf dem Globus ein vermeintlich besseres Investitionsumfeld existiert. Die gut gemeinten Impulse in der GRW und von andere Instrumenten verpuffen, wenn die politischen Rahmenbedingungen insgesamt eher nicht-nachhaltige Großstrukturen begünstigen. Etwa, wenn Steuerschlupflöcher nicht geschlossen werden oder das Verschieben von Gewinnen in Niedrigsteuerländer toleriert wird, so dass der ehrliche Kaufmann ökonomisch im Nachteil ist. Oder wenn sich KMU im Dschungel der Förderprogramme und -bedingungen verlieren, da ihnen die Ressourcen für ein professionelles Antragsmanagement bzw. Beratung fehlen.
Preise müssen die Wahrheit sprechen
Marktwirtschaften können nur dann ihr volles Potenzial für das Gemeinwohl erbringen, wenn die auf den Märkten angebotenen Produkte in ihren Preisen auch die Kosten für Gemeingüter widerspiegeln. Doch das ist heute weder bei der scheinbar „billigen“ Wurst, noch dem „billigen“ Brötchen der Fall. Wo Kosten für Nitrat oder Pestiziden im Trinkwasser an der Ladenkasse unter den Tisch fallen (dürfen) und jährlich über 50 Milliarden Euro in umweltschädliche Subventionen fließen, werden Wettbewerbsverzerrung und Umweltzerstörung belohnt – auf Kosten von Marktwirtschaft und Gesellschaft.
Handel fair gestalten
Die nachhaltige Transformation der Wirtschaft kann nur gelingen, wenn dafür auch im Außenhandel der notwendige Rahmen gesetzt wird. Bisher werden mit bzw. in (Frei-)Handelsabkommen nicht-nachhaltige Wirtschaftspraktiken befördert, beispielsweise wenn im Mercosur-Abkommen der Export deutscher Autos mit dem Export für Rindfleisch aus Südamerika erkauft wird. Ohne faire, globale Handelsregeln verlieren Gesellschaft und Umwelt in den entsprechenden Regionen – und darüber hinaus. Eine zukunftsfähige Außenwirtschaftspolitik stellt die planetaren Belastungsgrenzen in den Mittelpunkt und gibt völkerrechtlichen Abkommen, wie dem Klimavertrag von Paris oder der UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt, Priorität gegenüber den Eigeninteressen weniger, nicht-nachhaltiger Unternehmen oder Branchen.
Bio schafft blühende Landschaften
Die Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist Pionier und Vorbild für eine moderne, nachhaltige und resiliente Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Aus ökologischen Start-ups der 1970er, -80er und -90er Jahre bauten innovative Unternehmerinnen und Unternehmer vielfältige, dynamische KMU1 auf. Immer neue Bio-Gründungen etablieren sich erfolgreich national wie global am Bio-Markt, der sich rasant entwickelt. Um die Bio-Unternehmen herum entstehen, im wahrsten Sinne des Wortes, „blühende Landschaften“, weil die Produktion der Bio-Rohstoffe mehr Vielfalt auf Äcker und Wiesen bringt. Und anders als das Kohlekraftwerk oder die Fabrik für Verbrennungsmotoren geben Bio-Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller ihren Regionen ein langfristiges Zukunftsversprechen. Denn gutes, nachhaltig produziertes Essen ist ein dauerhafter Gegenwarts- und Zukunftsmarkt.