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Wie entwickelt sich Bio weltweit?*

Bio zwischen Regionalisierung und Globalisierung

Weltweit entscheiden sich immer mehr Bäuerinnen und Bauern für die Ökologische Landwirtschaft. Dies führt zu einer nachhaltigeren Landbewirtschaftung. Gerade für Kleinbauern in weniger entwickelten Ländern bringt sie ökonomische Vorteile.

Bio in der Region und auf dem Weltmarkt

Die regionale Verankerung ist der Ökologischen Landwirtschaft seit seinen Anfängen ein wichtiges Anliegen (z. B. flächengebundene Tierhaltung und Kreislaufwirtschaft) und auch in der Regionalvermarktung sind Bio-Bauern schon seit jeher stark engagiert [1; 2].

Der Begriff der „Region“ ist weder eindeutig definiert noch gesetzlich geschützt. Die Grenzen richten sich vorwiegend nach räumlichen (z. B. Bundesland oder Naturraum) oder handelsrelevanten Kriterien (Verfügbarkeit der Produkte). Während Bio jedoch früher nahezu ausschließlich regional vermarktet wurde,  vergrößert sich der Handelsradius auch bei Bio-Lebensmitteln [u.a. 4; 5; 6]. Heute findet zertifizierter Bio-Anbau in ca. 178 Ländern auf insgesamt mehr als 57 Millionen ha statt, mit steigender Tendenz bei Flächen wie Betrieben [5]. Die Internationalisierung wird durch die wachsende Nachfrage der Kunden in den letzten Jahrzehnten, vor allem in Europa und Nordamerika, sowie die sich verändernden Handelsstrukturen getrieben [4; 6; 7].

Dem Fach- und Lebensmitteleinzelhandel bietet die Vermarktung regionaler Bio-Produkte Profilierungschancen: Regionale Herkunft werden beim Kauf von Lebensmitteln immer bedeutsamer, für die mehrere Studien eine Mehrzahlungsbereitschaft der Verbraucher belegen [u. a. 7; 8; 9]. Doch nur mit gemeinsamem Engagement können die Beteiligten in Handel, Verarbeitung und Anbau die Hemmnisse eines erfolgreichen Regionalmarketings überwinden, wie etwa die Neu- bzw. Umgestaltung von Lieferstrukturen und den größeren Kommunikationsaufwand [2; 3].

Vorteile des weltweiten Bio-Handels

Der internationale Bio-Anbau und -Handel bringt viele Vorteile mit sich: Die zahlreichen positiven Wirkungen dieser nachhaltigeren Landbewirtschaftung sind nicht an Ländergrenzen gebunden. Zudem bietet die Ökologische Landwirtschaft gerade den Kleinbauern in den Ländern des Südens eine Perspektive, sowohl für eine ressourcenschonende Eigenversorgung als auch für die Einkommenssicherung[4; 5]. So kann auch die Wirtschaftskraft vor Ort gestärkt werden. Die Entwicklung lokaler Märkte in Asien, Afrika und Lateinamerika (wo zusammengenommen 84 % aller Bio-Bauern weltweit wirtschaften) ist derzeit noch eine große Herausforderung, auch wenn sich vielerorts positive Entwicklungen zeigen [5].Von der Internationalisierung des Handels mit Bio-Lebensmitteln profitieren auch die Kunden: So steht den Verbrauchern auch im Bio-Bereich ein breites Sortiments zur Verfügung. Hierzu zählen die Waren aus Übersee (Tee, Kaffee, exotische Früchte), die nur über den Import zu beziehen sind, oder heimische Früchte, wie Tomaten oder Äpfel außerhalb der Saison. Nach wie vor werden in Deutschland mehr Bio-Produkte nachgefragt als produziert. Die starke Nachfrage nach Bio-Produkten erfordert weiter die Einfuhr von Bio-Produkten, auch solchen, die Bauern auf heimischen Betrieben produzieren könnten [6].

Negative Folgen der Globalisierung

Der globale Handel bringt jedoch auch Probleme hervor. So steigert die Möglichkeit weltweiten Rohstoffbezugs tendenziell den Preisdruck und damit die Spezialisierung und Konzentration in der landwirtschaftlichen Erzeugung [u. a. 7; 10]. Dies kann z. B. zu steigenden Futtermittelimporten, der Auflösung regionaler Verarbeitungs- und Handelsstrukturen und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen [1; 10].

Da die Kennzeichnung der verarbeiteten Produkte mit dem Bio-Siegel bzw. EU-Logo nur allgemeine Aussagen über die Herkunft des Produkts bzw. seiner Bestandteile (EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft) ermöglicht, kann sie die Austauschbarkeit der Erzeuger erhöhen. Zusammengenommen bedingen diese Entwicklungen eine Zunahme des Transportverkehrs und somit erhebliche Umwelt- und Gesundheitsbelastungen. Die Öko-Bilanz weit gereister Produkte ist schlechter als solcher, die regional hergestellt werden.

Regionalvermarktung als Pfeiler nachhaltiger Entwicklung ländlicher Räume

Der verringerte Transportverkehr ist nur einer der zahlreichen Vorteile einer regionalen Vermarktung: Dem Verbraucher bietet sie frische und ausgereifte Produkte und regionenspezifische Vielfalt, die zugleich Artenvielfalt, bedrohte Kultursorten und attraktive Landschaften, wie etwa Streuobstwiesen und Bergweiden, erhält. Dies kann zugleich den Tourismus fördern. Der Kauf regionaler Bio-Produkte sichert eine umweltschonende Landwirtschaft, gute Trinkwasserqualität wie auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung vor Ort. Er kann so helfen, bäuerliche und mittelständische Strukturen zu sichern und die Attraktivität ländlicher Räume zu erhöhen. Aufgrund der Vielzahl positiver Folgewirkungen heben zahlreiche Autoren das Potenzial der Ökologischen Landwirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung hervor, auch wenn es sich (bislang) nur schwer quantifizieren lässt [10; 11; 12; 13]. Sinnvoll wäre es, wenn Bio in den Förderrichtlinien der Politik für die ländlichen Räume stärkere Berücksichtigung fände [u. a. 12; 13]. Weiterhin würde die Internalisierung externer Kosten die Vorteile regionaler Produkte auch preislich verdeutlichen [4; 10].


* Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2012 und wurde an den Stellen, die aktuelle Zahlen ausweisen, aktualisiert und auf den Stand vom 28.09.2018 gebracht.


Quellen:

[1] De Wit, J., Verhoog, H. und Prins, U. (2006): Why regionality is an important value in organic agriculture: the case of the Netherlands.

[2] Kuhnert, H., Behren, G. und Beusmann, V. (2011): Kurzfassung der Studie „Strukturdaten Hamburger Öko-Markt“.

[3] Wannemacher, D. und Kuhnert, H. (2009): Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten zur Steigerung des Absatzes von ökologisch erzeugtem Gemüse im Lebensmitteleinzel- und Naturkosthandel.

[4] Alrøe, H. F. und Kristensen, E. S. (2005): Organic Agriculture in a Global Perspective.

[5] FiBL (2018): Organic World – Global organic farming statistic and news.

[6] BÖLW (2011): Zahlen, Daten, Fakten: Die Bio-Branche 2011.

[7] Stolz, H., M. Stolze und Zanoli, R. (2011): Käuferpräferenzen und Zahlungsbereitschaft für Bio-Plus-Kommunikationsargumente. In: Leithold, G. et. al. (Hrsg): Es geht ums Ganze: Forschen im Dialog von Wissenschaft und Praxis. Bd. 2, S. 286–287, Berlin.

[8] Leitow, D. und Jader, K. (2004): Einstellungen und Kaufverhalten bei regionalen Lebensmitteln. Ergebnisse empirischer Untersuchungen aus Deutschland und Polen. Vortrag anlässlich der 44. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften des Landbaus an der Humboldt-Universität Berlin, 27.–29.09.2004.

[9] Burchardi, H. und Thiele, H.D. (2006): Preispolitische Spielräume für regional erzeugte Öko-Lebensmittel. In: Leitzmann, C. et al. (Hrsg.): Praxishandbuch Bio-Lebensmittel, Behr’s Verlag, Hamburg.

[10] Demmeler, M. (2009): Local Food: Regionalität zum Nutzen für Klima und Umwelt? In: Agrarbündnis e.V. (Hrsg.): Der kritische Agrarbericht 2009, S. 165–170.

[11] Albrecht, S. (2006): Nachhaltigkeit neu denken. Herausforderungen für die Land- und Lebensmittelwirtschaft. Vortrag bei der Herbsttagung des BÖLW.

[12] Häring, A.M. et al. (2005): Further Development of Organic Farming Policy in Europe with Particular Emphasis on EU Enlargement. Discussion Paper.

[13] Schmid, O. und Sanders, J. (2005): Regionale Bio-Vermarktungsinitiativen und ländliche Entwicklung. Perspektiven, Potenziale und Fördermöglichkeiten. In: Heß, J. und Rahmann, G. (Hrsg.): Ende der Nische, Beiträge zur 8. Wissenschaftstagung ökologischer Landbau, Kassel.