Politikbereich Umwelt- und Naturschutz
BÖLW-Grundsatzpapier zur Bundestagswahl 2021Berlin, 20.01.2021. Für zentrale, globale Herausforderungen, wie dem dramatischen Artensterben oder dem Klima-, Wasser- und Bodenschutz, liegt ein Großteil der Regierungsverantwortung in der Umwelt und Naturschutzpolitik. Durch intelligente Ausrichtung umweltpolitischer Programme und Vorgaben im Ordnungsrecht kann Umweltpolitik die Potenziale der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaftnutzen und vergrößern und so kostengünstig und sicher für mehr Nachhaltigkeit in der Fläche sorgen. Entscheidend für die Erreichung umweltpolitischer Ziele ist der Mut zu grundlegenden Veränderungen. So wie im Energiebereich klar auf erneuerbare Energien und nicht auf „nachhaltigere Braunkohle” gesetzt wird, muss auch im Agrar- und Ernährungsbereich die Priorität auf Bio gelegt werden, statt den Status quo unbestimmt etwas grüner zu machen – der Anteil der Bio-Fläche liegt aktuell bei ca. 10 %, nur knapp unterhalb des Anteils der erneuerbaren Energieträger am Primärenergieverbrauch von 14,1 %. Anders als andere Produktionssysteme bietet Bio einen gesetzlichen Rahmen, hohe gesellschaftliche Anerkennung und ein wirksames Kontrollsystem. Außerdem bedeutet die Umstellung auf Bio in aller Regel eine langfristige, wenn nicht gar lebenslange Entscheidung. Bio-Leistungen für Klima, Wasser, Tiere oder Boden werden also kontinuierlich und aufbauend erbracht. Damit hat Öko ein einzigartiges Potenzial, Nachhaltigkeits- Ziele sowie Verpflichtungen, die sich aus völker- oder europarechtlichen Verträgen, wie dem Pariser Klima-Abkommen, der UN-Konvention für die Biologische Vielfalt oder der EU-Wasserrahmenrichtlinie ergeben, erfolgreich umzusetzen. Gleichzeitig stärkt die Bio-Wertschöpfung auch regionale Wirtschaftsstrukturen im ländlichen Raum.
Bisher wird das Bio-Potenzial in den Prioritäten und Strukturen der Umweltpolitik nur bedingt abgerufen. Ein „Referat für ökologischen Landbau” gibt es weder im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit noch in seinen nachgelagerten Fachbehörden, immer wieder kommt es – in der Regel ungewollt – zu Konflikten, weil bei umweltpolitischen Weichenstellungen die besonderen Bedürfnisse der ökologisch wirtschaftenden Betriebe und Unternehmen nicht von Beginn an berücksichtigt werden. Wie grundlegende Veränderungen gelingen und was es dafür braucht, darauf schauen wir in diesem Kapitel und beleuchten die Themen Biodiversität, Klima und Wasser.
Biodiversität:
Öko bringt Vielfalt auf und um Acker und Wiese
Eine besondere Stärke von Bio ist die produktionsintegrierte Förderung der Artenvielfalt sowie des Boden- und Gewässerschutzes des Boden- und Gewässerschutzes. Das volle Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft: Weiterentwicklungen der Öko-Produktion, z. B. durch Entwicklung neuer Mischkultur-Anbausysteme, Integration von Elementen aus Agroforstwirtschaft, Optimierung digitaler Instrumente zur nicht-chemischen Gesunderhaltung von Pflanzen u. ä. sind möglich (s. Forschung).
Der Vorteil von Öko für die Artenvielfalt lässt sich eindeutig wissenschaftlich belegen, was zuletzt das staatliche Thünen-Institut in einer Metastudie tat: Im Mittel lagen laut der Untersuchung die Artenzahlen der Ackerflora bei Öko-Bewirtschaftung um 95 %, bei den Feldvögeln um 35 % höher.
»Ökolandbau ist eine Erfolgsgeschichte Europas.«
Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Meere und Fischerei
Eine Studie des World Wide Fund For Nature (WWF) und des Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) zeigten ebenfalls, dass Bio mehr Artenvielfalt auf die Flächen bringt. Bis zu siebenfach höhere Bestände bei Feldlerchen, Wildbienen, Hummeln und Schmetterlingen und fast hundertmal mehr blühende Pflanzen wurden gemessen – bei laufender landwirtschaftlicher Produktion. Mit mehr Ökolandbau erholen sich also Artenbestände bei gleichzeitiger, umweltfreundlicher Produktion von hochwertigen Lebensmitteln. Entscheidend für diesen Bio-Effekt ist, dass biodiversitätsschädliche Inputs wie chemischsynthetische Pestizide oder Kunstdünger direkt auf den Produktionsflächen vermieden werden. Die Aufteilung in „Schutz- und Schmutzgebiete”, z. B. die Anlage von Blühstreifen in der Umgebung intensiv gedüngter und mit synthetischen Pestiziden behandelter Äcker, Obst- oder Rebanlagen etc. kann den Artenrückgang weder stoppen, noch umkehren.
Klimaschutz:
Für die klimafreundliche Zukunft: Weniger Tiere, mehr Bio
Bis 2030 muss der Sektor Landwirtschaft eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 11 bis 14 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten gegenüber 2016 erbringen. Das wird nur mit wirksamen Maßnahmen funktionieren, die bisher seitens der Bundesregierung nicht angelegt sind. Wie die Klimaziele realistisch erreicht werden können, zeigt eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland. Hierin heißt es, dass eine Reduktion des Konsums von Milch- und Fleischprodukten um ein Viertel bereits eine jährliche Einsparung von 7,8 Mio. Tonnen CO2 erbringt. Bio wirkt laut der Metastudie des Thünen-Institutes positiv auf das Klima: Empirische Messungen ergaben, dass die Böden unter ökologischer Wirtschaftsweise in unseren gemäßigten Klimazonen weniger Treibhausgase produzieren. Bio-Böden weisen im Schnitt einen 10 % höheren Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff auf. Sie entnehmen über die Photosynthese der Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre und legen es dauerhaft im Humus fest. Zudem wirkt Öko positiv mit Blick auf die Klimaanpassung (Corg-Gehalt, Aggregatstabilität, Infi ltration). So nehmen Öko-Böden nachweislich schneller und mehr Wasser auf und speichern es besser. Das ist vorteilhaft sowohl bei Starkregen als auch bei Trockenheit – beides Effekte, die aufgrund des Klimawandels in Zukunft gehäuft auftreten werden. Einer der wichtigsten Hebel für Klimaschutz in der Landwirtschaft liegt in der Bindung der Tierhaltung an die Fläche, wie es für Bio-Betriebe gesetzlich vorgeschrieben ist.
Gewässerschutz:
Mit Bio Wasser schützen für Mensch und Umwelt
Der Konflikt zwischen Wasserschutz und Landwirtschaft, wegen Nitrat- und Pestizidbelastungen im Grundwasser, ist vielerorts gravierend. Der Ökolandbau beweist, dass er hier eine kostengünstige Antwort ist. Das zeigen umfassende Forschungsergebnisse und positive Erfahrungen aus der Kooperation zwischen Bio-Betrieben und Wasserversorgern in München, Leipzig, Oldenburg-Ostfriesland, der Rhein-Main-Region oder anderswo. Wichtig ist die gezielte Information von Akteuren der Wasserwirtschaft, kommunalen Träger und bisher konventionell wirtschaftenden Betrieben, um positive Effekte für den Wasserschutz und wirtschaftlichen Perspektiven für die Landwirte zu verknüpfen.