Berlin, 31.01.2021. Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) entscheidet mit Milliarden Euro und einem maßgeblichen Anteil des EU-Budgets darüber, welche Landwirtschaft sich lohnt. Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Datenlage zum Einfluss der Landwirtschaft auf die Umwelt, Klima und Ressourcen, den Erkenntnissen zur Wirkung der laufenden GAP auf Umwelt und Betriebe und der gesellschaftlichen Diskussion ist ein engagierter stufenweiser Umbau der GAP unabdingbar. Nur dann gelingt Europa der Übergang zu einer naturverträglichen und gesellschaftlich akzeptierten Landwirtschaft.
Die sogenannte ‚Grüne Architektur‘ spielt für eine zukunftsfähige GAP eine Schlüsselrolle. Wirksam ist die Grüne Architektur dann, wenn sie wichtige Umweltziele festlegt, sich auf wirksame Maßnahmen fokussiert und mit einem starken Budget ausgestattet wird. Sie muss zur Erreichung wichtiger nationaler und EU-weiter Umweltziele und Strategien wie der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission maßgeblich beitragen.
Grundsätzliche Ziele
Der Umbau der GAP hin zu mehr Umweltleistungen muss planbar stufenweise erfolgen, damit sich die Betriebe anpassen können. Das geht nur, wenn im Nationalen Strategieplan klare inhaltliche Vorgaben mit verbindlichen Zeitzielen verbunden werden – wie es die EU-Kommission etwa mit der Farm-to-Fork-Strategie getan hat oder es teilweise mit den Volksentscheiden/Gesetzen einzelner Bundesländer getan wurde. Die notwendigen Veränderungen müssen jetzt angepackt werden, damit sie planbar erfolgen können.
Andernfalls drohen Brüche, auf die sich Betriebe nicht einstellen können – und die Unternehmen nehmen Schaden.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) schließt sich der Position des ‚Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz‘ (WBAE) an. Der WBAE spricht sich klar dafür aus, in der GAP vor allem auf die Honorierung von freiwilligen Umweltleistungen der Landwirtschaft zu setzen.
Wir stützen die Position des Beirats, die pauschalen Direktzahlungen in ihrer jetzigen Ausgestaltung zugunsten der Honorierung freiwilliger Umweltleistungen schrittweise und ambitioniert zu reduzieren. Damit haben die Landwirte weiterhin einen positiven Einkommenseffekt, gleichzeitig werden negative Auswirkungen auf den Bodenmarkt, die Agrarstruktur (Strukturwandel) und Ressourcen wie Klima oder Gewässer verringert. Daher sollte die Grüne Architektur der GAP ihre Wirksamkeit über den dynamischen Ausbau freiwilliger Maßnahmen im Rahmen der Eco-Schemes (1. Säule) und Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM, 2. Säule) erhalten.
Die notwendige Weiterentwicklung der GAP sollte sich an folgenden Zielen orientieren:
- Am Ende der kommenden GAP-Periode im Jahr 2027 werden 70 % der GAP-Mittel für die Honorierung von freiwilligen Umwelt- und Klimaschutzleistungen der Landwirtschaft eingesetzt.
- Die 2. Säule muss deutlich besser als bisher ausgestattet werden, damit die Mittel zielgerichteter eingesetzt werden. Dazu ist auch eine deutlich verstärkte Umschichtung von EU-Mitteln der 1. in die 2. Säule notwendig. Zudem sind zusätzliche nationale Mittel (GAK, Sondermittel, Mittel der Bundesländer) zu mobilisieren.
- Die für Umwelt- und Klimaschutz verwendeten Mittel der 2. Säule sollen für den Ausbau des Öko-Landbaus und andere hochwertige Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) wie den Vertragsnaturschutz (VNS) konzentriert werden.
- Grundanforderungen an die Landwirtschaft müssen mit dem Ordnungsrecht vorgegeben werden. Hier sind eine Änderung sowohl des Rechtsrahmens als auch bei der Umsetzung notwendig. Die Vorgaben der Konditionalität sollten daher nur begrenzt eingesetzt werden, um Mindestanforderungen zu adressieren.
Grüne Architektur: Zusammenspiel und Gestaltungsrahmen
Für eine zielführende Ausrichtung der Grünen Architektur in Deutschland muss einerseits das Zusammenspiel von Konditionalität, Eco-Schemes und AUKM berücksichtigt werden. Andererseits müssen auch bestehende relevante AUKM der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) betrachtet werden. Bestimmte Fördermaßnahmen der GAK wie Markt- und standortangepasste Landbewirtschaftung (MSL) geben den nationalen Rahmen zur Umsetzung der Grünen Architektur im nationalen Strategieplans der GAP vor. Diese Stellungnahme konzentriert sich daher auf spezifische Punkte bei Konditionalität, Eco-Schemes und AUKM. Eine Gesamtbetrachtung dieser Ebenen wird in dieser Stellungnahme beispielhaft für die wichtigen Bereiche ‚Ackerland‘ und ‚Grünland‘ vorgenommen. Dabei werden diejenigen AUKM der GAK (MSL) in den Fokus genommen, die in den Bundesländern eine relevante Anwendung und Bindung von Finanzmitteln aufweisen.
Grundsätzlich muss parallel zur Erstellung des Nationalen Strategieplans eine konsistente und zeitnahe Anpassung der GAK-Rahmenregelung erfolgen. Dabei müssen die im Rahmen der GAK angebotenen AUKM hinsichtlich ihrer Umwelt- und Klimawirkung und Prämienhöhe neu geprüft und angepasst werden. Maßnahmen mit hohen Mitnahmeeffekten, keiner Förderberechtigung aufgrund einer neuen Baseline bzw. geringer Akzeptanz unter den Bundesländern sollten zumindest aus der Förderung im Rahmen der GAK gestrichen werden. Grundsätzlich ist eine Qualifizierung der AUKM der 2. Säule hinsichtlich der Umweltziele notwendig.
Zusammenfassung und Fazit
Im Zentrum des BÖLW-Konzeptes zur Umsetzung der Grünen Architektur in Deutschland steht die wirksame Verzahnung der drei Instrumente Konditionalität, Eco-Schemes und AUKM. Bestimmte AUKM-Fördermaßnahmen der GAK (MSL) geben den bisherigen nationalen Rahmen vor und werden bei den Vorschlägen zur Umsetzung der Grünen Architektur im Nationalen Strategieplan einbezogen. Zusammenfassend ergeben sich folgende Kernforderungen:
- Mit einem gestuften, verbindlichen Umbaufahrplan im Nationalen Strategieplan muss die Honorierung freiwilliger Umweltleistungen zum Schwerpunkt der GAP-Umsetzung ausgebaut werden. Dafür müssen in der GAP-Förderperiode 2023 bis 2027 die nur an die Konditionalität gebundenen Direktzahlungen stufenweise deutlich abgeschmolzen werden, sodass bis 2027 70 % der GAP Mittel für freiwillige Umweltleistungen der Landwirte über Eco-Schemes (1. Säule) und AUKM (2. Säule) zur Verfügung stehen. Dies gelingt durch einen hohen und dynamisch weiter ansteigenden Umschichtungssatz von der 1. in die 2. Säule sowie ein dynamisch wachsendes Budget für die Eco-Schemes innerhalb der 1. Säule.
- Die Vorgaben der Konditionalität sind so auszugestalten, dass in den Eco-Schemes und den AUKM attraktive und wirksame Maßnahmen angeboten werden können. Diese müssen sich insbesondere auf die bewirtschaftete Fläche beziehen (keine Schutz- und Schmutzgebietsaufteilung) und so eine breite Umweltwirkung in den Bereichen Boden-, Gewässer- und Klimaschutz sowie bei der Steigerung der Biodiversität entfalten. Ein weitgehender Grünlandschutz und die Verhinderung des Umbruchs zu Ackerland muss über die Konditionalität erreicht werden.
- Für die künftige Fördersystematik in den Bereichen Ackerland und Grünland werden die bisher relevanten Fördermaßnahmen (Hektar, Finanzvolumen) der GAK (MSL) zusammen mit den Eco-Schemes betrachtet und neu zugeordnet bzw. leicht angepasst (u.a. Vorschläge für modularen Aufbau bestimmter Maßnahmen). Dabei stehen Maßnahmenvorschläge im Vordergrund, die Synergien für mehrere Umweltziele bzw. die artgerechte Tierhaltung bieten und auch von Öko-Betrieben genutzt werden können. Da die Vorschläge aus den bisherigen von der EU-Kommission genehmigten GAK-Maßnahmen abgeleitet werden, sind die Vorschläge in ihrer Ausgestaltung anschlussfähig an die bisherige Förderung im Bereich AUKM.
- Für die Eco-Schemes werden weitere Grundanforderungen vorgeschlagen wie: ökologischen Wirksamkeit durch Einzelflächenbezug, Sicherstellung einer mehrjährigen Wirksamkeit und die Möglichkeit, Prämienhöhen regional und nach Betriebstypen zu differenzieren und so dem Umstand der unterschiedliche Opportunitätskosten Rechnung tragen. Die Einführung von Eco-Schemes-Budgets für die Bundesländer könnte helfen, mögliche Verteilungskonflikte zwischen den Ländern zu entschärfen.
- Konkret werden für den Bereich Ackerbau zwei breit wirksame Eco-Schemes vorgeschlagen, die aus der 2. Säule (GAK) überführt und inhaltlich angepasst werden:
- Beibehaltung von Zwischenfrüchten bzw. Untersaaten über den Winter.
- Vielfältige Kulturen im Ackerbau mit zwei Modulen: „Paket Fruchtfolge Basis“ und „Paket Fruchtfolge Plus“.
- Für den Bereich Grünland werden folgende Vorschläge für Eco-Schemes bzw. GAK (2. Säule) gemacht:
- Streichung der GAK-Maßnahme „Betriebszweigbezogene Grünlandextensivierung – MSL 4 D 1.0“ und auch kein Angebot als Eco-Schemes.
- Als breit wirksame Maßnahme auf Grünland mit positiver Wirkung auf Biodiversität und Tierschutz wird ein bundesweites Förderangebot zur Weidehaltung mit zwei Modulen vorgeschlagen:
- Extensive Beweidungsverfahren im Rahmen der Schaf-, Ziegen-, Mutterkuh-, Jungtieraufzucht und Freilandgeflügelhaltung.
- Weidehaltung in der Milchvieh-, Milchschaf- und Milchziegenhaltung (laktierende Tierbestände).
- Innerhalb der 2. Säule wird eine Empfehlung zur Zusammenführung der Fördertatbestände der einzelflächenbezogenen Grünlandextensivierung in einer Maßnahme im Modulsystem vorgeschlagen (GAK-MSL-Maßnahmen D 2.0 und 3.0)
Vorschläge für weitere Eco-Schemes:
- Einführung eines Eco-Schemes für Natura 2000- und Naturschutzgebiete. Damit soll u.a. die konfliktträchtige Diskussion um bewirtschaftete Flächen in FFH-Gebieten entspannt werden.
- Die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten wird mit Umweltkriterien qualifiziert und in die Eco-Schemes überführt.
Ein weiter Schwerpunkt des BÖLW-Konzeptes ist die Betrachtung der Förderung des Öko-Landbaus im Fördergefüge. Für ein gesichertes Erreichen der nationalen und länderspezifischen Ausbauziele für den Ökolandbau ist es von elementarer Bedeutung, in der neuen Förderarchitektur die höhere Attraktivität der Öko-Landbauförderung im Vergleich zur Kombination einzelner Eco-Schemes und AUKM zu gewährleisten (Spreizung und Vorzüglichkeit). Die relative Vorzüglichkeit des Öko-Landbaus im Fördergefüge wird sichergestellt durch:
- alle Eco-Schemes müssen mit der Förderung des Öko-Landbaus (Beibehaltung, Einführung) kombinierbar sein.
- die GAK-Kombinationstabelle zu AUKM, als auch die Landesvorgaben mit ihren spezifischen Kombinationsmöglichkeiten müssen so angepasst werden, dass alle AUKM/VNS, die über die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung hinausgehen, für Öko-Betriebe auch aufsattelbar/ kombinierbar sind.
- Öko-Betriebe unterliegen zukünftig nach bisherigem Planungsstand vollständig der Konditionalität. Bisher waren sie von den Greening-Auflagen über „green by definition“ befreit. Hinsichtlich GLÖZ 9 wird für gesamtumgestellte Öko-Betriebe ein Anrechnungsfaktor vorgeschlagen.
Der BÖLW spricht sich dafür aus, die Förderung des Öko-Landbaus (Beibehaltung, Einführung) weiterhin über die 2. Säule zu honorieren. Die zusätzlichen Finanzierungsbedarfe der Öko-Flächenprämie sind entsprechend der spezifischen Flächenziele (EU, National, Bundesländer) auszurichten. Allein dafür ist eine jährliche zusätzliche Umschichtung von 1 % der 1. Säule-Mittel in die 2. Säule vorzunehmen.
Der Ausbau der AUKM/Öko-Förderung über die 2. Säule ist durch eine deutliche Erhöhung des Umschichtungssatzes von der 1. in die 2. Säule sicherzustellen. Der Wegfall von Zusatzmitteln des Wiederaufbaufonds in die GAP-Übergangsperiode 2021 und 2022 muss ab 2023 mit einem Umschichtungssatz von 16 % kompensiert werden. Zusatzbedarfe für den Ausbau des Ökolandbaus (s.o.), von AUKM und VNS sind zusätzlich einzuplanen.
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