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Pressemitteilung

Umfassend umsteuern Richtung gesunde und nachhaltige Ernährung

BÖLW zum Gutachten des BMEL-Beirates zur Ernährungspolitik

Berlin, 21.08.2020. Das Experten-Gutachten des Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) zeigt: Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Handel, Verbraucher – das gesamte Ernährungssystem muss einem Systemwechsel unterzogen werden. Nur so können Herausforderungen im Zusammenhang Klima-, Umwelt- und Tierschutz bewältigt und der Lawine ernährungsbedingter Krankheiten begegnet werden.

„Einmal mehr machen die renommierten Wissenschaftler des Beirates klar, dass nachhaltige Ernährung nur geht, wenn politisch umgesteuert wird und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Beiräte der Bundesregierung sagen deutlich, dass Deutschland hier hinterherhinkt. Wir begrüßen es, wenn Julia Klöckner und ihre Kolleginnen und Kollegen deutlich stärker auf eine integrierte Politik setzen, um die gesunde und nachhaltige Wahl zu einer einfachen zu machen. Maßnahmen wie Preizanreize oder eine gesunde und kostenfreie Kita- und Schulverpflegung konsequent zu nutzen, sowie die Landwirtschaft in der Breite ökologischer zu gestalten, sind nicht neu aber wirksam und wirklich überfällig“, kommentiert der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein.

Was die Ökologische Lebensmittelwirtschaft betrifft, verweisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf deren gesellschaftliche Leistungen in allen entscheidenden Bereichen – also vom Acker über die Herstellung und den Handel bis auf den Teller. Die Gutachter betonen aber auch, dass Lebensmittelverschwendung und übermäßiger Fleischkonsum mit Bio unvereinbar sind. „Das muss sich im Einklang ändern“, so zu Löwenstein. „Wie wir Landwirtschaft betreiben, wie wir Lebensmittel herstellen und wie wir essen und konsumieren. Gut ist, dass sich der positive Konsum- und Ernährungseffekt mit mehr Bio von ganz allein einstellt. Denn bei der Öko-Produktion fallen keine versteckten Kosten an; etwa durch Gewässerbelastung durch Pestizide oder zu viel Stickstoff. Bio-Preise sind dementsprechend höher und sprechen die Wahrheit. Das verändert Konsumverhalten automatisch, was viele Studien und Praxisbeispiele beweisen.“ Der scheinbare Widerspruch zwischen den geringeren Erträgen auf Bio-Flächen und der Anforderung, ausreichend Nahrung zu erzeugen, löst sich damit auf.

Wichtig sei auch, Sozialpolitik nicht mit Agrar- und Ernährungspolitik zu vermengen oder diese gegeneinander auszuspielen – denn beides sei entscheidend für eine faire Zukunft und gute Ernährung für alle Menschen, so zu Löwenstein.

Entscheidend ist, wie die Experten fordern, Forschungsmittel auf nachhaltige Ernährungssysteme zu konzentrieren. Bio-Forschung setzt darauf, resiliente Systeme weiter voran zu bringen. Und damit darauf, natürliche Kreisläufe und die nachhaltige Produktion ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Stoffe und kritischer Methoden voranzubringen. „Bislang werden Forschungsmittel nur in homöopathischen Dosen in solche Ansätze investiert“, sagt der BÖLW-Vorsitzender und verweist darauf, dass nur wenige Prozent des Forschungsetats in Öko-Forschung investiert werden.

Dass das Gutachten vorschlägt, neben Ökologischer Landwirtschaft auch andere Pfade nachhaltigen Wirtschaftens zu erforschen, widerspricht dem nicht. Denn Bio kann sich in Konkurrenz zu anderen Systemen gut weiterentwickeln, wenn diese Konkurrenz fair ist. Zum Beispiel, wenn Preise die ökologische Wahrheit sprechen. Oder wenn öffentliche Züchtungs-Forschungsmittel – wie das heute der Fall ist – fast nur noch in gentechnologische Verfahren gesteckt werden, während der Fortschritt bei klassischer Kreuzungszüchtung von privaten Initiativen gestemmt werden muss. „Klar ist aber, dass unsere Bio-Bauern, die Lebensmittelherstellerinnen und Händler heute schon zeigen, wie erfolgreiches Wirtschaften innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten funktioniert und wie Bio auch Konsum- und Ernährungsstile positiv beeinflusst. Das Rad muss also nicht neu erfunden werden. Die Regierenden tun gut daran, Öko als Werkzeug für eine umfassende Transformation zu nutzen.“

In der Vorstellung des Gutachtens nahm der Beiratsvorsitzende Bezug auf die Corona-Pandemie und forderte, mit einer wirksamen Ernährungspolitik mehr Krisenfestigkeit herzustellen. „Diese Forderung findet unsere Unterstützung“, so der BÖLW-Vorsitzende. „Dabei geht es nicht nur die Landwirtschaft, die unabhängig von fossiler Energie und synthetischer Chemie wird. Sondern auch um das Aufbrechen der Oligopole in der Ernährungswirtschaft, deren Krisenanfälligkeit unter anderem in der Schlachthofbranche sichtbar geworden ist. Nachhaltige Ernährungspolitik muss deshalb gute Rahmenbedingungen für regionale Wirtschaftskreisläufe mit mittelständischen, handwerklichen Unternehmen in der Ernährungswirtschaft herstellen.“

„Bundesministerin Klöckner hat eine große Zahl hochkarätiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jahreslang für dieses Gutachten arbeiten lassen. Die Ernährungsministerin muss den Rat ihres Beirates jetzt annehmen und alle Politikinstrumente – ganz besonders die Europäische Agrarpolitik – in den Dienst des Umbaus unseres Ernährungssystems stellen. Ein Label hier und ein Label dort, alles in der Hoffnung, die Verbraucher würden es schon richten, ist dafür der falsche Ansatz und ermöglicht am Ende nur der Politik, sich aus der Verantwortung zu stehlen“, so zu Löwenstein abschließend.


Zum Gutachten: „WBAE –Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim BMEL (2020).Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsumgebungen gestalten. Gutachten, Berlin“ geht es hier.


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