•  News 
Pressemitteilung

Teuer & riskant: Schmidt muss Anbau von Gentech-Pflanzen stoppen

Deutschland muss gegen Anbau von gentechnisch manipulierten Maissorten MON 810, 1507 und Bt11 stimmen

Berlin, 25.01.2017. Zum ersten Mal seit 19 Jahren liegt dem zuständigen EU-Ausschuss ein Antrag auf Anbauzulassung für die gentechnisch manipulierten Maissorten MON 810, 1507 und Bt11 vor, über den nicht-öffentlich entschieden werden soll. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bio-Dachverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert

„Gentechnik im Essen ist teuer und riskant. Der Anbau von Gentechnik-Pflanzen kostet alle, die ihn nicht wollen, viel Geld. Mit dem Anbau gehen hohe wirtschaftliche Risiken für gentechnikfreie Bauern und Lebensmittelproduzenten einher. Auch die mangelhafte Risikobewertung innerhalb der Zulassungsverfahren verbietet jede Anbaugenehmigung für Gentechnik-Pflanzen.

Die gentechnikfreie Produktion boomt, denn der Großteil der Menschen will gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittel. Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt muss auf EU-Ebene seine Verantwortung für die heimische gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft wahrnehmen und entschieden gegen jede Anbauzulassung stimmen. Deutschland hat eine gewichtige Stimme in Brüssel. Eine Enthaltung, mit der Deutschland in der Vergangenheit in die Anbauentscheidungen gegangen ist, genügt nicht.

Mit dem Entwurf des neuen Gentechnikgesetzes, der aktuell auf dem Tisch liegt, kann der Gentechnik-Anbau national nicht wirksam ausgeschlossen werden. Umso wichtiger ist es jetzt, dass Schmidt in Brüssel entschieden dazu beiträgt, dass die Gentechnik-Pflanzen gar nicht erst zugelassen werden. Jeder Anbau von Gentechnik-Pflanzen in anderen EU-Staaten erhöht die Gefahr von Kontaminationen für Landwirte, Verarbeiter und Händler.“


Hintergrund
Zum ersten Mal nach 19 Jahren könnte der zuständige europäische Ausschuss diesen Freitag (27.01.) wieder gentechnisch veränderten Mais in Europa zum Anbau zulassen. Eine Abstimmung darüber steht für die Maissorten MON 810 (Monsanto), 1507 (Pioneer) und Bt11 (Syngenta) auf der Tagesordnung. Im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF), in dem die EU-Mitgliedsländer entscheiden, fehlt jedoch meist die erforderliche Mehrheit, für eine Zulassung ebenso wie für ein Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen. Im Fall eines Patts müsste die EU-Kommission eine Pflanze dann innerhalb einer bestimmten Frist zulassen.

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen will deshalb morgen (26.01.) im Bundestag beschließen lassen, dass die Bundesregierung in dem EU-Ausschuss gegen den Anbau stimmen soll.

Die Umwelt- und Gesundheits-Risiken der zur Zulassung anstehenden Sorten für Umwelt und Gesundheit sind nach Ansicht von Experten nicht ausreichend geklärt. So könnte beispielsweise das vom Bt-Mais produzierte Gift den schädlichen Maiszünsler sowie andere Insekten und Gliederfüßer töten. Auch die Folgen für mit Bt-Mais gefütterte Nutztiere und schlussendlich auch für den Menschen seien unklar. Damit der Mais das Gift produzieren kann, wurde ihm ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) eingepflanzt. Bt11- und 1507-Maispflanzen sind außerdem resistent gegen das Breitbandherbizid Glufosinat.

Die Entscheidung für oder gegen den Anbau kann auch als Test einer neuen Regelung, dem sogenannten Opt-out, angesehen werden. 2014 einigte man sich darauf, dass einzelne Mitgliedsstaaten über nationale Gentech-Anbauverbote künftig leichter selbst entscheiden dürfen. Die Vermutung, dass einer Zulassung nun leichter zugestimmt werden könnte, weil die Nationalstaaten trotzdem selbstständig den Gentechnik-Anbau auf ihrem Territorium verbieten könnten, wird jetzt einer ersten Prüfung unterzogen.

Die Opt-out Regelung muss in nationales Recht umgesetzt werden, was Deutschland aktuell mit einer Änderung des Gentechnik-Gesetzes anstrebt. Der Entwurf, der aktuell dazu auf dem Tisch liegt, ist jedoch unzureichend, um den Anbau wirksam auszuschließen.

Die Bundesländer hatten bereits im vergangenen Jahr einen eigenen Gesetzvorschlag eingebracht, mit dem Gentechnik-Anbauverbote einheitlich vom Bund ausgesprochen werden könnten. Die Regierungspartei SPD und alle SPD-geführten Landesregierungen haben sich wiederholt für einheitliche Gentechnik-Anbauverbote für ganz Deutschland ausgesprochen. Der vom BMEL vorgelegte Entwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, wurde am 2. Dezember 2016 in erster Lesung im Bundestag beraten. Daran meldete die SPD-Fraktion erheblichen Änderungsbedarf an.

Der Bundesrat forderte das Parlament in seiner Stellungnahme auf, folgende Korrekturen im Entwurf des Gesetzes vorzunehmen:

  • Streichung der komplizierten Abstimmungsregelung mit sechs Bundesministerien (§ 16f);
  • Streichung der Notwendigkeit eine Begründung vorzubringen, wenn Gentechnik-Unternehmen aufgefordert werden, Deutschland freiwillig aus dem Zulassungsantrag für eine gentechnisch veränderte Pflanze auszunehmen („Phase I“, § 16f);
  • Übernahme einer aktiven Rolle durch den Bund bei der Recherche von Verbotsgründen (§ 16h);
  • Aufhebung von Anbauverboten (§ 16i): analog zur Einführung von Anbauverboten muss auch für die Aufhebung („opt in“) eine Mehrheit im Bundesrat Voraussetzung sein.

Nach Auffassung des BÖLW müsste zusätzlich folgender Punkt korrigiert werden:

  • Streichung der Passage zu neuartigen Gentechnikverfahren wie CRISPR-Cas in der Begründung. Es muss klargestellt werden, dass keine nationale Zulassung solcher Verfahren – bzw. von aus ihnen entstandenen Organismen – erfolgen darf, bevor auf EU-Ebene eine gentechnikrechtliche Einstufung vorgenommen wurde.