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Pressemitteilung

„Richtige Themen, halbherzige Umsetzung“

BÖLW zum Klimaschutzplan

Berlin, 19.09.2019. Landwirtschaft und Ernährung verursachen etwa ein Drittel der menschgemachten Treibhausgase weltweit. Auch in Deutschland stammt der Großteil der besonders klimaschädlichen Methan- und Lachgasemissionen aus dem Stall und vom Acker. Die Bundesregierung stellt morgen vor, wie sie den Klimaschutzplan 2050 verbindlich umsetzen will. Die Maßnahmen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner haben im Klimakabinett der Bundesregierung Zustimmung erfahren. Felix Löwenstein, Vorsitzender des Bio-Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert:

„Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, muss die Landwirtschaft ihre Emissionen bis 2030 um über 20 % gegenüber 2017 senken. [1]

Für die Landwirtschaft nennt das Klimakabinett die richtigen Themen, geht diese aber nur halbherzig an. Im Plan ist weder zu lesen, wie die zu hohen Viehdichten in den Zentren der industriellen Tierhaltung abgebaut werden sollen, noch wie Deutschland von den hohen Stickstoffüberschüssen runter kommt. Gerade hier sehen Wissenschaftler aber ein großes Minderungspotenzial schädlicher Klimagase. [2] Auch die Ineffizienz der Energieerzeugung auf dem Acker bleibt unangesprochen. genauso wie der Zusammenhang zwischen vermeintlicher Billigproduktion und Wegwerf-Mentalität.

Positiv ist, dass der Humus in den Blick genommen wird. Denn mit mehr Humus werden die Böden unserer Äcker und Wiesen zur Kohlenstoffsenke und die Landwirtschaft damit zum echten Problemlöser.

Gut ist, dass die Bundesregierung die Ökologische Landwirtschaft ausweiten will. Denn Bio-Bauern brauchen weniger Energie für ihre Erträge. Weite Fruchtfolgen mit Leguminosen, keine energieaufwändigen chemisch-synthetischen Pestizide und Kunstdünger sorgen für lebendige, kohlestoffspeichernde Humus-Böden. Und bei Öko kommen nur so viele Rinder, Schweine oder Hühner auf die Fläche wie Klima, Böden und Gewässer vertragen. Weil diese Qualität aufwändiger ist, gibt die Öko-Tierhaltung unserem Fleisch, Eiern oder Milch wieder einen wahren und angemessenen Preis. Und senkt damit den Konsum von tierischen Produkten – ganz allein durch die Regeln des Marktes und ohne jegliche politische Gängelung.“

Im Bäuerlichen Aufruf zum morgigen Klima-Aktionstag lesen Sie, welche politischen Rahmenbedingungen die klimagerechte Landwirtschaftspraxis fördern und welche politischen Forderungen sich daraus ergeben. Wir unterstützen den #Klimastreik und demonstrieren am 20. September mit #FridaysForFuture für eine wirksame Klimaschutz-Politik – vor allem auch in der Land- und Lebensmittelwirtschaft! #AlleFürsKlima

Detaillierte Bewertung des BÖLW der zehn land- und forstwirtschaftlichen Klimaschutz-Maßnahmen der Bundesregierung für die Umsetzung des Klimaschutzplanes:

Stickstoff- und Ammoniaküberschüsse abzubauen ist extrem wichtig, weil aus Wirtschafts- und Mineraldünger ausgasende Stickoxide ca. 300 Mal, Ammoniak 30 Mal schädlichere Wirkung haben als Kohlendioxid. Die Bundesregierung will hier auf technische Lösungen setzen, etwa die Formulierung von Düngemitteln oder die direkte Injektion von Gülle in den Boden. Eine Hauptursache für Stickstoff- und Ammoniaküberschüsse liegt allerdings darin, dass in einigen Regionen Deutschlands zu viele Tiere auf zu geringer Fläche gehalten werden und so zu viel Gülle anfällt. Die wirksamste Stellschraube wäre also eine Reduzierung der Tierbestände in Hotspots bzw. die Flächenbindung der Tierhaltung. Ebenso kritisch sind die zu hohen Stickstoffüberschüsse bei der mineralischen Düngung.

Für Energie-Einsparmaßnahmen werden immer als erstes die Effizienz-Reserven im Gewächshaus-Anbau genannt. Technische Optimierung ist sicher in Grenzen möglich. Die Frage, weshalb wir mitten im Winter unter künstlicher Belichtung und hohem Energieaufwand hergestellte Tomaten brauchen, wird allerdings nicht gestellt.

Angesichts des bei uns in Deutschland weit fortgeschrittenen Ausbaus von Biogasanlagen wird nicht nur deren Existenz als Beweis für bereits erfolgte Treibhausgas-Einsparung vorgebracht. Sondern auch gefordert, möglichst den gesamten Wirtschaftsdünger durch Vergärung zur Herstellung von Strom und Wärme zu verwenden. Zweierlei wird dabei aber leider nicht mitdiskutiert: Erstens, dass beispielsweise die Produktionskette von humuszehrenden Silomais-Monokulturen und Rinderhaltung zwar zu einer energiehaltigen Gülle führen. Dass ihr aber bei der Methan-Vergärung genau der Stoff entzogen und im Verbrennungsprozess in die Atmosphäre gepustet wird, den der Acker dringend zur Verminderung des Humusabbaus bräuchte: der Kohlenstoff. Und zweitens, dass die Produktion von Energie durch Rapsöl oder Mais-Biogasanlagen sehr ineffizient in Bezug auf die benötigte Fläche ist: Zur Herstellung von 1 MW Strom braucht es 1.100 ha Raps, 360 ha Biogas-Mais oder 14 ha Photovoltaikplatten bzw. 0,3 ha Windrad-Aufstellfläche. Wie relevant das ist, wird klar, wenn man bedenkt, dass von unseren 12 Mio. ha Acker ca. 2 Mio. für diese Art der Energieerzeugung verwendet werden.

Besonders wichtig, wenngleich auch regional sehr unterschiedlich, ist der Schutz bzw. die Regeneration von Mooren. Das ist bitter für die unmittelbar Betroffenen und die wichtigste Aufgabe ist die Entwicklung von Nutzungskonzepten, um diesen auch nach einer Wiedervernässung wirtschaftliche Perspektiven zu bieten. Aber angesichts der ungeheuren Mengen an CO2, um die es hier geht, darf dieser Pfad nicht aus Furcht vor den unvermeidbaren Auseinandersetzungen um diese Frage ungenutzt liegen gelassen werden.

Dass Wälder und die dauerhafte Festlegung von Kohlenstoff beispielsweise in Bauholz eine wichtige Rolle zu spielen haben, gehört zwar in die offizielle Liste des Landwirtschaftsministeriums, braucht hier aber nicht weiter ausgeführt zu werden.

Eine naheliegende Maßnahme ist, Lebensmittel-Verschwendung zu vermindern. Dies umso mehr, als ja bei der Herstellung dieser Lebensmittel jede Menge Treibhausgase entstanden sind.

Zu Recht wird hier die Tierhaltung hervorgehoben – weniger, weil Wiederkäuermägen Methan entweicht, sondern weil die Erzeugung von Futter den größten Teil auch unserer Ackerflächen in Anspruch nimmt – und zwar sowohl hier als auch unter anderem in den dafür abgebrannten Regenwäldern Südamerikas, die die Lunge unseres Planeten darstellen. Wenn man aber auch hier wieder nur Abluftfilter aus luft- und lichtdichten Tierfabriken im Auge hat und die Frage weiträumig umschifft, ob ein gesundheitsschädigend hoher Fleischkonsum als unvermeidbar hingenommen werden muss, hat man den entscheidenden Hebel noch nicht einmal ins Auge gefasst.

Dass die Ausweitung der Ökologischen Landwirtschaft eine wirksame Methode des Klimaschutzes darstellt, ist wissenschaftlich belegt und hat systemische Gründe. So sorgen weite Fruchtfolgen mit hohem Leguminosenanteil, ökologischer Pflanzenschutz ohne chemisch-synthetische Pestizide und organische Düngung ohne Kunstdünger für lebendige Böden mit hohen Infiltrationsraten. Auch der Energieaufwand ist geringer als auf konventionell bewirtschafteten Flächen – das gilt selbst dann, wenn die Bezugsgröße die Produktionsmenge und nicht der Hektar ist. All das ist den Zahlen des staatlichen Thünen-Institutes zu entnehmen, die im Januar 2019 die weltweit bisher größte Metastudie veröffentlichte und neben anderen gesellschaftlichen Leistungen auch den Klimaschutz und die Klimaanpassungsfähigkeit von Ökolandbau unter die Lupe nahm.

Der Erhalt von Dauergrünland steht zu Recht in der Liste der Klimaschutzmaßnahmen, denn der Gehalt an Kohlenstoff als auch der an Stickstoff unter Dauergrünland ist erheblich höher als unter Acker. Und das heiß nichts anderes, als dass nach einem Umbruch in wenigen Jahren große Mengen dieser im Übermaß schädlichen Stoffe freigesetzt und dem Grundwasser und der Atmosphäre hinzugefügt werden. Betrachtet werden müsste allerdings auch, dass die Art und Weise der Grünlandnutzung klima-relevant ist. So ist Beweidung grundsätzlich eine Methode, Kohlenstoff festzulegen, also Humus aufzubauen. Dies vor allem dann, wenn innovative Beweidungskonzepte – Stichworte dafür sind „Holistic Pasture Management“ oder „Mob Grazing“ angewandt werden. Dabei wird das Beweidungsverhalten der wilden Büffelherden nachgeahmt, die nicht wochenlang auf großen Flächen geweidet haben, sondern vergleichsweise dicht zusammengedrängt kleine Flächen abweideten, um nach kurzer Zeit auf das nächste Stück weiter zu ziehen. Es ist verblüffend, wie stark dadurch sowohl der Ertrag an Humus, als auch an oberirdischem Aufwuchs gesteigert werden kann! Weil immer mehr Tiere aus der Landschaft in die Ställe verschwinden, ist es so wichtig, diesen Zusammenhang anzumerken.


[1] UBA (2019): „Beitrag der Landwirtschaft zu den Treibhausgas-Emissionen“, s. https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#textpart-1.

[2] Klima Allianz (2019): „Studie: Klimaziele in der Landwirtschaft nur mit Abstockung der Tierbestände zu erreichen“, s. https://www.klima-allianz.de/presse/meldung/studie-klimaziele-in-der-landwirtschaft-nur-mit-abstockung-der-tierbestaende-zu-erreichen/.


1593 Zeichen (Statement), Abdruck honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten. Ansprechpartner: BÖLW-Vorsitzender Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Tel. +49 171.3035 686; BÖLW-Pressestelle, Joyce Moewius, Tel. +49 30 28482-307, presse[at]boelw.de

Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von über 46.000 Bio-Betrieben mehr als 10 Mrd. Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Bioland, Biokreis, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.