Berlin, 27.01.2017. „Wir können den Hunger nur gemeinsam besiegen. Wir brauchen dazu widerstandsfähige Anbausysteme und funktionierende Märkte. Unsere Leitlinie in der Landwirtschaft- und Ernährungspolitik muss das Wohl aller Menschen sein“, so das Fazit von Jan Plagge, Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zur Tagung “Hunger bekämpfen, Ressourcen schützen – Was Bio beiträgt.“ beim Tag des Ökologischen Landbaus auf der Internationalen Grünen Woche.
Damit alle Menschen genug und gesundes Essen haben, müsse für einen Ausgleich zwischen einem Zuviel an Ressourcenverbrauch im Norden und dem Zuwenig an Nahrungsproduktion im Süden gesorgt werden, gab Dr. Susanne Neubert, Direktorin des Seminars für ländliche Entwicklung der Humboldt-Universität Berlin zu bedenken. Dabei könnten die Ziele in den Regionen der Welt durchaus unterschiedlich sein – eine starke Minderung klimaschädliche Emissionen im Norden und die Steigerung der Erträge durch Ökologische Intensivierung im Süden käme allen Menschen und auch künftigen Generationen zugute.
Dr. Tim Lang, Professor für Food Policy der London University, machte deutlich, dass er der Politik an Entschlossenheit fehle, Probleme in Land- und Lebensmittelwirtschaft zu benennen und deren Lösung konsequent anzupacken. Dabei lägen sowohl die Missstände als auch die Lösungen für Hunger- und Ernährungskrisen gründlich erforscht auf dem Tisch. Mit der Internalisierung externer Kosten etwa könnte die Grundlage für funktionierende Märkte geschaffen werden. Neben eines systematischen Umbaus der Produktion sollte auch stärker an der gesamten Kette bis hin zu den Ernährungsgewohnheiten jedes einzelnen angesetzt werden.
Ökolandbau könne einen wichtigen Beitrag für die Ernährungssouveränität der Menschen und weniger Ressourcenübernutzung leisten, betonte der Staatssekretär des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, Dr. Hermann Onko Aeikens. Er sagte, dass der Hunger nicht von Deutschland aus beseitigt werden könnte. Aeikens warnte jedoch vor den Folgen für die deutsche Landwirtschaft, wenn Direktzahlungen und Export „auf null gesetzt“ würden.
Prof. Gerold Rahmann, Leiter des Instituts Ökolandbau am Thünen Institut und derzeit engagiert beim Aufbau eines Grünen Innovationszentrums für Landwirtschaft und Ernährung in Äthiopien, machte deutlich, dass der Ökolandbau wesentliche Methoden bereitstelle, damit ganze Wertschöpfungsketten funktionierten und Kleinbauern weltweit in die Lage versetzt würden, selbstbestimmt zur Ernährungssicherung beizutragen. Das Potential des Ökolandbaus sei aber in der öffentlichen Entwicklungshilfe nicht ausreichend wertgeschätzt.
Gunther Beger, Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, stellte in Aussicht, Ökolandbau-Methoden stärker bei der Entwicklungszusammenarbeit zu berücksichtigen. Wichtig sei aber auch, dass Politik für die Bereiche Landwirtschaft und Handel aufeinander abgestimmt würden. Sowohl Deutschland aber auch die Länder, die man unterstütze, müssten hierbei Verantwortung übernehmen – etwa, wenn es um Einfuhrzölle ginge.
Dr. Klaus Seitz, Leiter Politik von Brot für die Welt, erläuterte, dass die Art unserer Landwirtschafts- und Handelspolitik verantwortlich dafür sei, dass das bereits 1974 postulierte Ziel, den Hunger zu besiegen, bisher gescheitert ist. Unsere Exporte zerstörten demnach lokale Märkte, da Kleinbauern vor Ort nicht mit den extrem niedrigen Preisen unserer hochsubventionierten Produkte mithalten könnten. Auch der große ökologische Fußabdruck unserer Land- und Ernährungswirtschaft sowie unserer Ernährung gefährde die Ernährungssicherheit, unter anderem durch Klimaschäden in sensiblen Gebieten. Es käme deshalb darauf an, einerseits eine Wende zu forcieren, mit dem Ziel, unseren ökologischen Fußabdruck drastisch zu verringern und andererseits pro-aktiv zur Ernährungssicherung vor Ort beizutragen.
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, BÖLW-Vorsitzender, verdeutlichte mit konkreten Beispielen aus Äthiopien, Indien und den Philippinen, wie Kleinbauern heute schon hoch produktive und die natürlichen Ressourcen schützende Produktionssysteme entwickelt haben, die ihnen ökonomische Sicherheit und eine gesunde Ernährung bieten. Löwenstein betonte, dass Freihandel nur dann funktionieren könne, wenn die Preise die ökologische Wahrheit sprächen und Subventionen an konkrete Gegenleistungen gebunden würden: „Wenn wir ökologisch wirtschaften und keine wettbewerbsverzerrenden staatliche Zahlungen erhalten, dann können wir auch nicht durch Dumpingpreise die Märkte der Kleinbauern des Südens ruinieren! Diese Erkenntnis muss die Entwicklung unserer Landwirtschaft ebenso leiten wie die des politischen Rahmens, der sie bestimmt.“
Jan Plagge forderte die Politik abschließend auf, die Potentiale des Ökolandbaus zur Hungerbekämpfung stärker zu nutzen, indem mit einer ambitionierten Zukunftsstrategie vor allem Forschung und Innovation in der Praxis voran gebracht werden. „Wir müssen auch die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) auf die Herausforderungen von Nord und Süd anpassen. Das gelingt nur, wenn Leistungen der Landwirte für öffentliche Güter, für die es am Markt keine Entlohnung gibt, fair honoriert werden. Dafür muss die GAP mutig umgebaut werden“, so der BÖLW-Vorstand.