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Position

Klimaschutzplan der deutschen Zivilgesellschaft

Zentrale Forderungen der deutschen Zivilgesellschaft zum Klimaschutzplan 2050

Berlin, 01.04.2016. Das Jahr 2015 war erneut das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Extremwetterereignisse nehmen zu und weltweit sind Menschen in sehr unterschiedlicher Intensität bereits heute von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Im Dezember 2015 haben sich 195 Staaten in Paris auf einen globalen Klimavertrag geeinigt, um die voranschreitende Erderwärmung und die Folgen des globalen Klimawandels auf Mensch und Natur zu begrenzen. Zu den wichtigsten Ergebnissen von Paris zählt die völkerrechtlich verbindliche Zielsetzung, die globale Erwärmung auf „deutlich unter 2 Grad“ zu begrenzen und Anstrengungen für eine Begrenzung auf 1,5 Grad zu unternehmen, sowie die Verpflichtung aller Staaten, ihre Klimaschutzziele national umzusetzen und alle fünf Jahre neue, ehrgeizigere Ziele einzureichen. In Paris hat sich die Bundesregierung maßgeblich für ein solch ambitioniertes Ergebnis eingesetzt. Dieser erfolgreichen Diplomatie muss sie jetzt Taten folgen lassen, denn das Pariser Abkommen
kann nur so gut sein wie dessen nationale Umsetzung.

In diesem Sommer legt die Bundesregierung mit dem Klimaschutzplan 2050 die Zielrichtung für die langfristige Klimapolitik in Deutschland fest. Leitbild war bislang die international vereinbarte 2-Grad-Obergrenze für die globale Erderwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau. Vor dem
Hintergrund des Pariser Abkommens und der sich immer dramatischer abzeichnenden Folgen des Klimawandels, insbesondere in den Ländern des Globalen Südens, ist dieser Maßstab jedoch nicht mehr angemessen. Verstärkte Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern und eine
höhere Klimafinanzierung für die besonders betroffenen Länder sowie ein ambitionierter Klimaschutz sind Schlüsselbeiträge Deutschlands zu internationaler Klimagerechtigkeit.

Die Ergebnisse von Paris sind ein klarer Auftrag an Deutschland, die nationalen Klimaschutzanstrengungen deutlich zu erhöhen und frühzeitig einen konsequenten und ambitionierten Klimaschutzpfad einzuschlagen. Dieser muss einen Rückgang der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 95 Prozent bis 2050 erreichen und mit konkreten Maßnahmen und verbindlichen Zwischenzielen für alle Sektoren hinterlegt werden. Nur so kann Investitionssicherheit geschaffen und die Transformation hin zu einer dekarbonisierten
Wirtschaft und Gesellschaft glaubhaft eingeleitet werden.

In Deutschland zeichnet sich derzeit jedoch ein gegenteiliger Trend ab: Die nationalen Treibhausgasemissionen sind im Jahr 2015 wieder gestiegen. Niedrige Preise für Steinkohleimporte und ein unregulierter heimischer Braunkohleverbrauch treiben die Emissionen in die Höhe. Ein historisch niedriger Ölpreis führt zu vermehrten Investitionen in klimaschädliche, auf fossilen Brennstoffen beruhende Technologien und zu mehr motorisiertem Verkehr. Während die Investitionen in erneuerbare Energien weltweit stark zugenommen haben, gehen sie im technologischen Vorreiterland zurück. Verantwortlich für diese beunruhigende Entwicklung sind falsche politische Weichenstellungen. Das muss nun korrigiert werden.

Deshalb legen die unterzeichnenden Organisationen mit diesem Papier ihre zentralen Forderungen für den Klimaschutzpfad bis 2050 vor.

  1. Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 muss zeitnah und kritisch überprüft werden. Um das Klimaziel von 40 Prozent Treibhausgasminderung bis 2020 noch zu erreichen, müssen die Maßnahmen an die aktuelle Emissionsentwicklung angepasst werden. Dafür müssen bestehende Maßnahmen nachgeschärft sowie neue und kurzfristig wirkende Instrumente umgesetzt werden.
     
  2. Die im kommenden Klimaschutzplan 2050 enthaltene Orientierung an einer Temperaturobergrenze von bisher „unter 2 Grad“ muss nachgeschärft werden auf „deutlich unter 2 Grad und möglichst 1,5 Grad“ in Anlehnung an die Ergebnisse von Paris.

    Für das Jahr 2050 bedeutet dies eine Reduktion der Treibhausgase um mindestens 95 Prozent gegenüber 1990, also mindestens die obere Zielmarke der im Energiekonzept der Bundesregierung und im Koalitionsvertrag verankerten Spanne. Der Klimaschutzplan 2050 muss zudem einen robusten Reduktionspfad vorsehen, der seine Zwischenziele aus dem verbleibenden globalen Emissionsbudget, wie es etwa vom Weltklimarat (IPCC) beschrieben wird, ableitet. Entscheidend ist hier die Anfangsphase, d. h. die großen Reduktionsschritte müssen frühzeitig stattfinden. Das bedeutet, dass die Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 ambitionierter formuliert werden müssen als bisher im Energiekonzept vorgesehen. Zudem sind Unterziele für die einzelnen Sektoren erforderlich, um sicherzustellen, dass jeder Sektor angemessen zum übergeordneten Reduktionspfad beiträgt. Langfristziel, Zwischenziele und Sektorziele müssen neben der Verankerung im Klimaschutzplan auch gesetzlich festgelegt werden, zum Beispiel in Form eines Klimaschutzgesetzes. Ein robuster Monitoringmechanismus muss die Überprüfung und Nachsteuerung aller nationalen Klimaschutzmaßnahmen jährlich gewährleisten.
     
  3. Die Energiewende muss konsequent, sozial gerecht und naturverträglich vorangetrieben werden. Anstatt den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch zu deckeln, wie bei der aktuellen EEG-Reform vorgesehen, müssen die Anstrengungen deutlich erhöht werden. Hierzu gehören ein mit dem 95-Prozent-Klimaziel kongruenter Zubau der erneuerbaren Energien und die entsprechende Anhebung der Ausbauziele für die Jahre 2025 und 2035 sowie kompatible jährliche Mindestausbaumengen.
     
  4. Energieeinsparung und Energieeffizienz müssen zu einer tragenden Säule der Energiewende werden. Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis spätestens 2050 um mindestens 95 Prozent ist nur möglich, wenn der Energieverbrauch mindestens halbiert wird. Dafür braucht es verbindliche Effizienz- und absolute Einsparziele für alle Sektoren, zum Beispiel in Form eines Effizienzgesetzes.
     
  5. Zentrale Voraussetzung für die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft ist, dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode einen gesetzlich verankerten Kohleausstieg auf den Weg bringt. Ein solcher Kohleausstieg muss jetzt eingeleitet und bis spätestens 2035 abgeschlossen werden, wobei ein Großteil der Kohlekraftwerke schon deutlich früher vom Netz gehen muss. Die Bundesregierung muss dazu einen eigenständigen Minderungspfad für den Stromsektor mit einem Abbaupfad für Kohlestrom festlegen, der den genannten Klimazielen entspricht. Durch eine langfristige, sozial verträgliche Planung und staatliche Unterstützung der Kohleregionen kann der Übergang zu einer zukunftsweisenden, klimagerechten Wirtschaftsstruktur gestaltet werden.
     
  6. Der Ausstoß an Klimagasen aus der Landwirtschaft muss bis 2050 um 60 Prozent reduziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen bereits heute erhebliche Maßnahmen eingeleitet werden. Dazu gehören die konsequente Ausdehnung der ökologischen Landwirtschaft, die Reduzierung des Stickstoffeinsatzes, die Reduzierung der Bestände in der Tierhaltung, der Erhalt von Dauergrünland und ein konsequenter Schutz kohlenstoffreicher Böden. Darüber hinaus ist eine gesamtgesellschaftliche Reduktion des Konsums tierischer Produkte notwendig.
     
  7. Die natürlichen Treibhausgasspeicher der Wälder und Moore müssen genutzt werden. Hierfür braucht es eine deutliche Steigerung der Vorräte von Holz, Totholz und Humus. Der natürliche Wasserhaushalt ist wiederherzustellen, Moore sind zu erhalten und zu renaturieren.
     
  8. Wir brauchen eine ökologische Verkehrswende mit dem Ziel einer Dekarbonisierung bis spätestens 2050. Zentral hierfür sind Verkehrsvermeidung und die Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger sowie eine drastische Verringerung des Energiebedarfs. Dies bedeutet den weitestgehend direkten Einsatz von erneuerbarem Strom, die Internalisierung externer Kosten sowie die Verabschiedung und Umsetzung eines integrierten Transportkonzeptes 2050, das den Weg zu einem Null-Emissions-Verkehrssystem beschreibt.
     
  9. Sämtliche umweltschädlichen Subventionen müssen abgeschafft und die Verschmutzung der Atmosphäre mit einem starken Preis belegt werden. Die externen Kosten nicht nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten müssen vollständig internalisiert werden. Die Bundesregierung soll sich für eine ambitionierte Reform des Europäischen Emissionshandels einsetzen, die über den unzureichenden Vorschlag der Europäischen Kommission hinausgeht und zusätzlich nationale Maßnahmen für ein klares CO2-Preissignal ergreifen.
     
  10. Wir brauchen einen Kulturwandel für nachhaltigen Klimaschutz in der Gesellschaft. Eine transformative Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) muss in allen formalen, nonformalen und informellen Bildungssystemen strukturell verankert werden, damit
    die Bevölkerung befähigt wird, sich politisch und strukturverändernd für eine klimafreundliche Gesellschaft zu engagieren und partizipativ mitzugestalten. Die Verankerung von BNE und Klimaschutz in allen Lehrplänen und Prüfungsordnungen sowie in Aus-, Weiter- und Fortbildungsangeboten für Lehrende ist hierfür notwendig. Das Angebot und eine
    stärkere Förderung von schulischen und außerschulischen BNE-Aktivitäten im Bereich Klimaschutz, Lebensstile und nachhaltiger Konsum muss weiter ausgebaut werden.
     

Die notwendigen Transformationspfade und politischen Maßnahmen in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen (GHD), Gebäude, Verkehr,
Landwirtschaft/Landnutzung sowie übergreifende Strategien sind in den Kapiteln des Gesamtdokuments detailliert beschrieben.


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