Berlin, 29.03.2022. Die Ökologische Landwirtschaft ist das wirksamste Instrument, um die Herausforderungen im Umwelt- und Klimaschutz, artgerechter Tierhaltung und Biodiversität zu meistern, dabei Bäuerinnen und Bauern eine neue Perspektive zu geben sowie den Zusammenhalt zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Landwirtschaft zu stärken. Es ist daher konsequent, dass sich die Europäische Union, der Bund und die Länder ambitionierte Bio-Ziele gesetzt haben. Die Folgen des Ukrainekrieges zeigen zudem noch einmal deutlich, dass es das Bewirtschaftungssystem Öko-Landwirtschaft braucht, um weniger abhängig bspw. von mineralischen Stickstoffdüngern aus fossilen Rohstoffen zu werden und damit die Resilienz des Ernährungssystems zu stärken.
Um diese positiven Effekte von Bio nutzen zu können, ist es entscheidend, dass die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) auf das 30 %-Bio-Ziel, die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie und die Bio-Ziele der Länder ausgerichtet wird. Die Umstellungsraten des letzten Jahres müssen dafür deutlich überboten werden. Am 1.1.2022 wurden 1,78 Mio. ha ökologisch bewirtschaftet und damit knapp 11 % der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland. Das 30 %-Ziel entspricht etwa 5 Mio. ha.
Der von Deutschland eingereichte Nationale Strategieplan (NSP) setzt das Ziel, 30 %-Bio-Fläche bis 2030 zu erreichen – jedoch sind im NSP bis 2027 nur 14 % Öko-Flächen geplant! In den verbleibenden drei Jahren von 2028 bis 2030 müsste die Bio-Fläche in Deutschland dann mehr als verdoppelt werden. Die Öko-Flächenziele etlicher Bundesländer dürften mit diesen Plänen bis 2027 nicht abgedeckt sein.
Das geplante Gesamtbudget (nationale und EU-Mittel) für die Flächenförderung des Öko-Landbaus beträgt im NSP 20 % der Mittel aus der Zweiten Säule für den Förderzeitraum von 2023 bis 2027, was etwa 500 Mio. Euro jährlich entspricht. Das reicht bei Weitem nicht aus, um den Öko-Landbau entsprechend dem Bio-Ziel der Bundesregierung zu finanzieren. Überschlagrechnungen zeigen, dass das veranschlagte Budget gerade einmal die Beibehaltungsprämie für die aktuelle Öko-Fläche von 10,8 % deckt. Zur Finanzierung eines jährlichen Zuwachses von rund 355.000 ha müssten jährlich 100 Mio. Euro mehr investiert werden.
Um eine dynamische Entwicklung des Ökolandbaus in Deutschland zu ermöglichen, ist es notwendig, die Förderprogramme der Bundesländer auf die hohe Umstellungsbereitschaft konventioneller Landwirtinnen und Landwirte anzupassen. Aufgabe des Bundes ist es, den Ländern dafür weitere Mittel für den Ausbau des Öko-Landbaus zur Verfügung zu stellen.
Notwendige Änderungen beim Zusammenspiel von Konditionalität, Eco-Schemes und Öko-Förderung der 2. Säule
Gemäß dem eingereichten NSP sind Bio-Betriebe ab 2023 im Vergleich zur jetzigen GAP-Periode mit deutlich geringeren Zahlungen aus der Ersten Säule konfrontiert. Zum einen sind sie – wie alle Betriebe – von der Verminderung der Basisprämie betroffen. Darüber hinaus unterliegen sie, mit Wegfall der „Green by Definition“-Regelung beim Greening ab 2023, künftig den Auflagen der erweiterten Konditionalität und der Verpflichtung zu 4 % „unproduktiver Flächen“ auf Ackerland. Auf diesen Flächen erwirtschaften Bio-Betriebe dann weder Markterlöse und erhalten, gemäß der aktuellen Pläne, keine Öko-Förderung aus der Zweiten Säule. Bei einer Gesetzesänderung der Konditionalitätsvorgaben sollten Öko-Betriebe – im Sinne des „Green by Definition“-Ansatzes – von dieser Vorgabe entweder komplett oder anteilig ausgenommen werden. Grund: Sie erbringen auf der bewirtschafteten Fläche hohe Biodiversitätsleistungen.
Besonders kritisch ist, dass Bio-Betriebe die Verminderung der pauschalen Zahlungen der Ersten Säule, anders als ihre konventionellen Berufskollegen, nicht in gleichem Umfang durch freiwillige Leistungen für mehr Umwelt- und Naturschutz ausgleichen können Sie können somit Verluste bei der Basisprämie nicht vollständig über die Eco-Schemes kompensieren, da ein Verbot der Doppelförderung für gleichartige Umweltleistungen besteht. So sind nach derzeitigem Planungsstand bestimmte Eco-Schemes zusammen mit der Öko-Förderung der Zweiten Säule nicht nutzbar (Eco-Scheme 1a/b) oder es kommt zu relevanten (Eco-Scheme 4) oder vollständigen Prämienabzügen (Eco-Schemes 6) bei der Öko-Prämie. Insbesondere Bio-Milchviehbetriebe, extensive Ackerbaubetriebe und Gemischtbetriebe verlieren in der Ersten Säule deshalb relevante Zahlungen, die das Einkommen deutlich mindern.
Auch während des aktuell laufenden Genehmigungsprozess in Brüssel sind Verbesserungen
des NSP möglich. Diese Spielräume müssen genutzt werden:
1) Die Zahlung der Öko-Prämie muss sowohl für die Flächen die GLÖZ 8 unterliegen als auch bei Nutzung des Eco-Schemes 1a (Brachen auf Ackerland über 4 % Regelung hinaus) ermöglicht werden.
Begründung: Bisher gilt die Vorgabe des BMEL: „Für die eingebrachten Bracheflächen kann keine ÖLB-Prämie (Umstellungs- / Beibehaltungsprämie) gewährt werden. Das BMEL begründet dies damit, dass auf den Bracheflächen keine landwirtschaftliche Produktion erfolgen würde. Zuwendungszweck der Umstellungs-/Beibehaltungsprämie ist aber die Einführung oder die Beibehaltung ökologischer Anbauverfahren.“ (Quelle: Protokoll der Besprechung der Bund-Länder-Extensivierungsreferenten vom 18.01.2022).
Die Herleitung für diesen Förderausschluss basiert somit auf der These: „Unproduktive Flächen setzen keine Produktionsverfahren um“. Die EU-Öko-Verordnung wiederum gibt an keiner Stelle eine Pflicht zur Produktion auf allen Ackerflächen vor. Auch eine Brache oder Bodenruhe sind Teile des Bio-Anbausystems. Die Nichtgewährung der Öko-Prämie auf „unproduktiven Flächen“ ist auch aus naturschutzfachlicher Sicht zu kritisieren, da die Attraktivität zur Schaffung solcher Flächen auf Bio-Betrieben deutlich sinkt.
2) Die Prämien des Eco-Schemes 6 (Verzicht Pflanzenschutzmittel (PSM)) darf nicht vollständig von der Öko-Prämie abgezogen werden.
Begründung: Ein Vollabzug beider kulturspezifischer Prämien (130 und 50 €/ha) von der Öko-Prämie ist nicht sachgerecht. Zum einen bedeutet der mehrjährige Verzicht auf PSM im Rahmen der Öko-Prämie der 2. Säule eine deutlich weitergehende Leistung als der einjährige Verzicht im Rahmen des Eco-Schemes 6. Zudem gab es in den Vorlagen zur Bund-Länder-Entscheidung am 18.01.2022 eine Option 2, die einen Teilabzug bei der Öko-Prämie vorsah: „Auf Grund des Anbauportfolios in den Öko-Betrieben, ergibt sich im Schnitt, dass diese Betriebe Anspruch auf ungefähr 66 €/ha ÖR-6 Prämie haben. Um zu vermeiden, dass Öko-Betriebe mit einem überdurchschnittlichen Anteil an Winterungen schlechter gestellt werden, wird ein pauschaler Abzug von 50 €/ha empfohlen.“ (Quelle: Entscheidungsvorlage zur Besprechung der Bund-Länder-Extensivierungsreferenten vom 18.01.2022).
Notwendige Änderungen der Länderprogramme im NSP
Eine Kompensation der Verluste in der 1. Säule ist auch über eine deutlich erhöhte Öko-Prämie in der Zweiten Säule möglich. Der GAK-Rahmen ermöglicht den Ländern eine Prämienerhöhung um 30 % zum berechneten Durchschnittssatz. Weiterhin sind verbesserte Kombinationsmöglichkeiten der Öko-Prämie mit weiteren Agarumwelt- und Klimamaßnahmen in den Länderkombinationstabellen wichtige Bausteine, um das Umstellungspotential zu heben.
Es ist fachlich bspw. nicht nachvollziehbar, warum hochwertige Naturschutzmaßnahmen nicht zusätzlich zur Öko-Prämie honoriert werden sollen.
Wichtig ist, dass die Bundesländer über das Eco-Schemes 2 „vielfältige Kulturen“ hinaus angebotene Fruchtfolgemaßnahmen für Bio-Betriebe zusätzlich zur Öko-Prämie zugänglich machen. Wichtig für Milchviehbetriebe ist das Angebot einer kombinierbaren Sommerweideprämie in allen Bundesländern.
Sollten die Bundesländer in ihrer Programmausgestaltung keine Verbesserungen der Förderpläne für Öko-Betriebe vornehmen, drohen neben geringen Umstellungsquoten auch Rückumstellungen auf eine konventionelle Bewirtschaftung – trotzt bestehender Nachfrage am Markt.
Weitere Änderungen
Weiteren Änderungsbedarf gibt es in folgenden Bereichen:
Eco-Schemes [1]
- Das Eco-Scheme 2 „vielfältige Kulturen“ ist zu gering dotiert und sollte mit mindestens 60 €/ha vergütet werden. Zahlreiche Bundesländer bieten die gleiche Maßnahme derzeit in der Zweiten Säule mit deutlich höheren Prämien an.
- Eco-Scheme 6 „Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel”: Diese Maßnahme greift ökologisch nur, wenn sie mehrjährig, und – in der Logik der GAP – in der Zweiten Säule angelegt ist.
- Es braucht ein Eco-Scheme für die flächengebundene Milchviehhaltung. Diese Betriebe können praktisch kein breit anwendbares Eco-Schemes nutzen und so die Verluste bei der Basisförderung nicht ausgleichen.
Konditionalität
- Für Ackerbau-Betriebe auf schweren Böden kann die spezielle Vorgabe des Pflugverbotes zwischen dem 1.12. und 15.1. bzw. 15.2. durch GLÖZ 5 und 6 gravierende negative Auswirkungen haben. Die Vorgaben werden zu einer starken Verengung der Fruchtfolge führen – mit der Konsequenz, dass einige Kulturen nicht mehr angebaut werden können. Diese Problematik wurde vom Gesetzgeber bereits erkannt und als Begründung für eine mögliche Länderermächtigung in den Anhang der Konditionalitätenverordnung aufgenommen. Die Länder sollten von diesen Ermächtigungen Gebrauch machen.
- GLÖZ 8: Die Verpflichtung zur Selbstbegrünung bei nicht-produktiven Flächen nach § 21 GAPKondVO muss gestrichen werden. Stattdessen sind Vorgaben für eine Minimal-Bewirtschaftung zu machen. Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemittel auf nichtproduktiven Flächen ist selbstverständlich zu untersagen. Verschärft wird die Auflage der „Nicht-produktiven Fläche“ für Öko-Betriebe dadurch, dass im Jahr vor der Brache keine Aussaat nach der Ernte der Hauptkultur erlaubt sein soll. Eine sinnvolle Integration der Maßnahme "Brache" in die mehrjährige Fruchtfolge von Bio-Betrieben wird dadurch nicht möglich sein. Die Folge sind erhöhter Beikraut- und Schädlingsdruck – die Selbstbegrünung würde bei vielen Flächen zu einer sehr einseitigen Vegetation mit Beikräutern wie Weißer Gänsefuß, Ampfer und Quecke führen – sowie eine sinkende Bodenfruchtbarkeit. Für Insekten hält sich der Nutzen in Grenzen, da diese Beikräuter ohnehin eine weite Verbreitung haben und so kaum zusätzlichen Biodiversitätsleistungen erbringen. Das Anbausystem Bio setzt auf ein gelungenes Zusammenspiel von verschiedenen Kulturmaßnahmen um Pflanzengesundheit, Pflanzenschutz und Umweltleistungen zu realisieren. Dazu gehören eine vielfältige Fruchtfolge sowie eine Bodenbearbeitung zum richtigen Zeitpunkt. Beides ist mit „sich selbst begrünenden Brachflächen“ nicht möglich. Die Auflagen führen dazu, dass Bio-Betriebe mit Ertrags- und Qualitäts-Einbußen zu rechnen haben. Bei der konventionellen Bewirtschaftung werden unerwünschte Beikräuter nach der Brache chemisch entfernen.
Alternativen zu einjährigen Brachen wie gezielte Einsaaten oder die Anlage von Strukturelementen wie Hecken und Gehölzen sollen gefördert werden.
Foto Header: BLE, Dominic Menzler
[1] Der BÖLW hat zur Ausgestaltung der GAP wiederholt Stellung genommen, siehe beispielsweise hier:
https://www.boelw.de/themen/eu-agrarpolitik/reform-2020/artikel/nationale-ausgestaltung-der-gap-ab-2023-1/