3. Juli 2020 | Europas Landwirtschaft und Ernährung in der Post-Covid-19-Welt | European agriculture and resilient food systems in a post-COVID-19 world
Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, betonte, dass Bio ein Eckpfeiler der Farm to Fork-Strategie für ein nachhaltiges Ernährungssystem sei. Öko böte den europäischen Bäuerinnen und Bauern ökonomische Perspektiven und erfülle die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger von einer Produktion innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen. 25 % Öko bis 2030 seien dabei sehr ambitioniert – aber ohne Ambition gäbe es eben auch keine Transformation. Mit den EU-Staaten müsse evaluiert werden, wie die EU-Agrarpolitik am besten genutzt werden könne, um den jeweiligen nationalen Sektor am besten voranzubringen. Entscheidend sei auch, die Nachfrage nach Bio zu stimulieren. Die EU wolle etwa den Anteil von Bio in öffentlichen Kantinen erhöhen. Die Corona-Pandemie hätte deutlich gezeigt, dass Europa ein robusteres, sicheres und nachhaltigeres Ernährungssystem brauche. Bio sei hierbei zweifelsohne ein Teil der Lösung.
EU-Agrarkommissar, Janusz Wojciechowski, stellte heraus, dass Europa die globale Führung nachhaltiger Produktion von Lebensmitteln zum Ziel hätte. Wojciechowski betonte, dass Agro-Biodiversität und eine verbesserte Wertschöpfungskette auch zu einer resilienteren Landwirtschaft beitragen könnten. Die EU-Kommission werde noch im Jahr 2020 einen Bio-Aktionsplan entwickeln – in enger Kooperation mit Mitgliedsstaaten und dem Sektor, so dass man gemeinsam die ökologische Produktion und Nachfrage wie auch das Vertrauen in Bio-Lebensmittel weiter verbessern könne.
Tassos Haniotis, Direktor für Strategie, Vereinfachung und Politische Analyse in der DG AGRI der EU-Kommission, sah mit Blick auf die Ernährungswirtschaft der Zukunft drei Schwerpunkte: 1. Müsse die Lebensmittelkette einen fairen Wettbewerb für Bio sicherstellen; 2. sei es notwendig, dass die gesamte Landwirtschaft nachhaltig werde und 3. müsse Öko als Teil der Lösung die Speerspitze für neue Methoden und deren Erprobung in der Praxis angenommen werden. Als Schlüssel für die Umsetzung der Farm to Fork-Strategie sah Haniotis Zeit, Investition und Wissen. Wichtig sei, dass in den nationalen Plänen zur Umsetzung der EU-Strategie ausreichend Ambitionen erkennbar seien. Der Kommissionsvertreter betonte, dass genügend Wissen und Erfahrungen zur Verfügung stünden – man müsse diese nun auch flächendeckend in die Praxis bringen.
Thomas Waitz, Abgeordneter im Europäischen Parlament (EP) und Co-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, betonte mit Blick auf die Corona-Pandemie, wie notwendig ein Ernährungssystem sei, dass die Umwelt gesünder macht. Eine zweite COVID19-Lektion sei, dass die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln nachhaltiger werden müsse. Ökolandbau böte hier die beste Möglichkeit, die Lebensmittelversorgung auch in Zukunft sicher zu stellen. Deshalb gebe es auch zunehmende Unterstützung für eine grünere EU-Agrarpolitik – auch aus Industrie-Kreisen. Da die GAP aktuell aber nur teilweise mit den Zielen der Farm to Fork- und Biodiversitätsstrategie übereinstimme, müsse noch viel getan werden, damit die Nachhaltigkeitsziele nicht umgangen würden.
Olivier de Schutter, Co-Vorsitzender des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems (IPES-Food), betonte, dass ein nachhaltiges Ernährungssystem nur geschaffen werden könne, wenn man alle Ebenen – von der lokalen bis zur UN-Ebene – einbezöge. De Schutter lobte die Ambitionen der EU-Kommission, vor allem auch den umfassenden Blick über die gesamte Kette. Ein Übergang zu besserer Produktion und Ernährung gelänge mit drei Schwerpunkten: 1. das historische Produktionssystem müsse in Richtung eines agrarökologischen umgestellt werden. 2. sei es entscheidend, verschiedene Politikfelder wie Agrar, Gesundheit und Umwelt zu intergrieren, die aktuell nicht kohärent arbeiteten. Und 3. brauche es eine Governance der Transformation, die einen umfassenden Umbau über die verschiedenen Politikfelder ermögliche. Für Letzteres sei es sinnvoll, einen europäischen Ernährungsrat einzurichten, der auch die nationalen Regierung stärker einbindet.
Für Sarah Compson, Vorsitzende der Interessensgruppe der Hersteller und Händler bei IFOAM Organics Europe, zeige Corona, dass aktiver an der Krisenprävention durch die Lebensmittelproduktion gearbeitetet werden müsse. Wichtig sei dabei, dass nicht nur auf Produktivität, sondern vor allem auch auf Resilienz gesetzt würde. Bio bedeute Vielfalt – und Vielfalt mache das Ernährungssystem resilienter. Compson betonte, dass es Bio auf jedem Teller brauche und das 25 % Öko eine starke Vision für eine nachhaltige Zukunft sei. Ökolandbau liefere vielfältige Leistungen für die Gesellschaft.
Laut Sébastien Treyer, Geschäftsführer des Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI), müssen die tieferen Ursachen der Krise angepackt werden und verwies dabei auf Klima und Biodiversität. Treyer stellte fest, dass die Pfade in die nachhaltige Zukunft klar definiert werden sollten. Vor der Pandemie seien wichtige Maßnahmen schlichtweg unterlassen worden, weil die Kosten zu hoch erschienen. Heute wisse man, dass der Menschheit vor allem eine nicht nachhaltige Produktion teuer zu stehen komme. Was es deshalb brauche, sei eine klare Politik, die Nachhaltigkeit voranstelle und entschlossen umsetze – mit dem Ziel, die gesamte Produktionskette umzubauen.