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Position

BÖLW zum Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

Ziel muss fairer Handel sein, der Allgemeingüter, soziale Gerechtigkeit und demokratische Rechte stützt

Berlin, 14.07.2015. Seit Juli 2013 verhandeln die USA und die EU über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, das Freihandelsabkommen TTIP [1]. Als Ziel geben die Verhandlungspartner an, dass mit TTIP in vielen Wirtschaftsbereichen Handelshemmnisse abgebaut und Standards angeglichen werden sollen. Befürworter des Abkommens erhoffen Wirtschaftswachstum und steigende Investitionen beiderseits des Atlantiks. Kritiker befürchten, dass Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards abgesenkt und demokratische Prozesse ausgehebelt werden. Für die Ökologische Lebensmittelwirtschaft bedeutet Handel, dass – neben Waren – auch Leistungen für den Natur- und Umweltschutz über Grenzen hinweg ausgetauscht werden können.

Globaler Handel und Freihandelsverträge wie TTIP dürfen allerdings nicht dazu führen, dass die hohen EU-Standards an Umwelt- und Verbraucherschutz, unsere Sozialstandards sowie das kulturelle Grundverständnis davon, wie Landwirtschaft und Ernährung in unserer Gesellschaft aussehen, zur Disposition gestellt werden.

Folgende Punkte sind für eine nachhaltige Handelspolitik essentiell:

1. Handelspolitik auf Wohlfahrtseffekte ausrichten!

Bilaterale Handelsabkommen müssen Wohlfahrtsgewinne für die Bürger beider Partner und auch die Ländern bringen, die nicht am Verhandlungstisch sitzen. Wohlfahrtsgewinn lässt sich aber nicht mit „Wachstum des Handelsvolumens“ oder „Vergrößerung des Bruttoinlandproduktes“ gleichsetzen. Wohlfahrtsgewinne für alle betroffenen Akteure und für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen können nur in fairen Handelsbeziehungen realisiert werden. Mit Abkommen wie TTIP muss deshalb vor allem dafür gesorgt werden, dass nicht mehr diejenigen die größten Chancen im internationalen Handel haben, die den größten Anteil ihrer Kosten auf den Schultern sozial Schwacher, auf künftige Generationen und auf Natur und Umwelt abladen. Mit TTIP müssen die jeweils höchsten Standards der Maßstab sein und die weitere Erhöhung von Standards in Bezug auf diese Zielsetzung ermöglicht werden.

Solche langfristigen und nachhaltigen Wohlfahrtseffekte werden allerdings nur dann im gesamten Welthandel erzielt, wenn verbindliche Regeln und Standards für alle Länder aufgestellt werden. Nach wie vor muss deshalb das Ziel lauten, vor allem die wirtschaftlich und politisch schwachen Länder des Südens in multilaterale Abkommen einzubeziehen. Mit bilateralen Verträgen wird riskiert, diesen Prozess zu blockieren, indem verbindliche Regeln für alle Länder – wie etwa durch die WTO beschlossen – ausgehebelt werden. Mit bilateralen Abkommen besteht die Gefahr, dass wenige Staaten, Unternehmen und Bürger profitieren; den anderen Ländern wird hingegen der Marktzugang erschwert bzw. sie verlieren Handelspartner.

2. Das Vorsorgeprinzip muss der Maßstab bleiben!

Ziel des TTIP ist es, nicht-tarifäre Handelshemmnisse abzubauen. Dazu sollen Standards oder Verfahren beider Handelsräume gegenseitig anerkannt werden. Es ist in diesem Zusammenhang unabdingbar, dass das in den europäischen Verträgen verankerte Vorsorgeprinzip, das staatliches Handeln bereits bei Risiken und möglichen Schäden für Umwelt und Gesundheit erlaubt, aufrechtzuerhalten. Das Vorsorgeprinzip hat grundlegende Bedeutung für die europäische Umwelt- und Gesundheitspolitik, spielt eine wichtige Rolle für den Verbraucherschutz und entspricht dem europäischen Selbstverständnis. Es darf nicht durch scheinbare Harmonisierungen oder gegenseitige Anerkennung aufgeweicht oder ausgehebelt werden. Der BÖLW tritt zudem dafür ein, dass die in der EU und in den USA einheitlich oder national geltenden Standards – bei unterschiedlichen Schutzniveaus – auf keinen Fall reduziert werden.

Das Abkommen muss zudem eine Vereinbarung enthalten, die den Partnern zusichert, in Zukunft in Ausübung ihrer demokratischen Rechte weiter Standards entwickeln zu können und – wenn sie sich mit dem anderen nicht auf ein gleiches Vorgehen einigen können – von diesem verlangen zu dürfen, dass Produkte, die er zu ihnen einführt, nach denselben Stan-dards produziert werden müssen.

3. Regulatorische Kooperation: Empfehlungen ja, Demokratieabbau nein!

Im Zuge von TTIP sollen neue Verfahren zur sogenannten „regulatorischen Kooperation“ eingeführt werden. Da die regulatorische Kooperation in der Regel aus Zielvorgaben zur Angleichung rechtlicher Normen besteht und vor allem auf der Vorgabe fußt, bei neuen Entwicklungen erst gar keine Handelshemmnisse entstehen zu lassen, besteht die Gefahr, dass in die staatliche Souveränität eingegriffen wird. Die demokratischen Rechte in der EU könnten dabei untergraben werden. Der BÖLW lehnt es ab, dass durch regulatorische Kooperation entscheidende Fragen der Gestaltung des Gemeinwesens in intergouvernementale Beratungsgremien verlagert werden, da das der Demokratisierung der EU zuwiderläuft. Neue Regeln müssen weiterhin in demokratischen Gesetzgebungsprozessen erarbeitet und durch die entsprechenden Gremien legitimiert werden. Transparent gestaltete fachliche Kooperation von Regulierungsexperten und Wissenschaft der Verhandlungspartner unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, die in Empfehlungen münden, werden bereits praktiziert und können ausgebaut werden.

4. Zollabbau im Agrarbereich: Die wahren Produktionskosten berücksichtigen!

Den USA geht es bei den Verhandlungen unter anderem schwerpunktmäßig um einen Ab-bau von Zöllen. In diesem Bereich soll TTIP einen neuen Standard markieren, da innerhalb des Abkommens – im Gegensatz zu den WTO-Verpflichtungen – sämtliche Zölle im bilatera-len Handel zwischen den USA und der EU abgeschafft werden sollen.

Besondere Relevanz hätte der Zollabbau im Agrarbereich. Denn während aktuell nur etwa 4 % Zoll auf Industrieprodukte angesetzt sind, müssen amerikanische Produzenten für Agrar-Einfuhren in die EU bis zu 205 % zahlen.

Unterschiedliche Schutzniveaus bei Tierwohl, Umwelt, bäuerlicher Agrarstruktur oder sozia-ler Rechte müssen, soweit es auf die Produktionskosten wirkt, weiterhin durch Zölle ausge-glichen werden. USA und EU müssen zudem im TTIP festlegen, dass sie zum Ausgleich externalisierter Kosten der Produktion von Agrarrohstoffen, die aus Drittländern eingeführt werden, gemeinsam Abgaben auf betroffene Produkte erheben. Der Ertrag aus diesen Abgaben sollte an die Exportländer zurückgegeben und zweckgebunden an Vorhaben des Umwelt- und Naturschutz sowie Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raumes eingesetzt werden.

5. Rechtssicherheit für Investoren nur im Rahmen ordentlicher Gerichtsbarkeit!

Wer in anderen Staaten investiert, hat ein Anrecht auf den Schutz seiner Investition vor rechtswidrigen Übergriffen. Gleichermaßen müssen Staaten und ihre Zivilgesellschaften die Einhaltung von Verpflichtungen einklagen können, die Investoren zu übernehmen haben. Ein solcher Schutz muss in den gültigen nationalen Rechtssystemen und, soweit diese für internationales Recht nicht zuständig sind, durch ordentliche internationale Gerichtsbarkeiten erfolgen.

In Handelsabkommen wie TTIP dürfen deshalb keine Streitschlichtungsverfahren in nichtöffentlichen Verfahren und ohne Berufungsmöglichkeiten vorgesehen werden – wie sie beispielsweise im verhandelten Entwurf des CETA-Abkommens stehen (ISDS).

Der BÖLW unterstützt den Vorschlag, einen internationalen Handelsgerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen einzurichten, der als Berufungsinstanz nach Inanspruchnahme der nationalen Rechtswege fungieren kann. Dort müssen auch Verbände der Zivilgesellschaft Klagerecht erhalten. Einen bilateralen, lediglich von EU und USA eingerichteten Gerichtshof lehnt der BÖLW ebenso ab wie die vorgeschlagene zwischenzeitliche „private“ Schiedsgerichtslösung.

6. Beteiligung nationaler Parlamente!

Angesichts der weitreichenden gesellschaftlichen Folgen von TTIP2 erwartet der BÖLW, dass Abkommen dieser Art nicht als reine Handelsabkommen betrachtet werden und daher nicht nur im EU-Parlament, sondern in den Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten zur Abstimmung gestellt werden.

7. Fazit

Beim derzeitigen Verhandlungsstand von TTIP, soweit er bekannt geworden ist und unter Berücksichtigung der bereits ausverhandelten Bedingungen des europäisch-kanadischen Abkommens CETA, gibt es nach den Maßstäben eines echten Wohlfahrtsgewinns nur eine Schlussfolgerung: TTIP und Co. sind abzulehnen!

Die Mitglieder des BÖLW stellen sich aber weder grundsätzlich gegen globalen Handel noch gegen Handelsabkommen. Sie bekunden ihre Bereitschaft, an der Diskussion um solche Abkommen konstruktiv und ihm Rahmen ihrer Kompetenz und Möglichkeiten mitzuarbeiten. Das Ziel ist dann, zu Regeln für einen fairen Handel zu kommen, die Allgemeingüter, soziale Gerechtigkeit und demokratische Rechte fördern.


[1] Die essentiellen Punkte innerhalb der BÖLW-Position zu TTIP sind auf andere Handelsabkommen wie CETA und TISA übertragbar.


Ihr Kontakt zum BÖLW

Peter Röhrig
Geschäftsführender Vorstand

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