Berlin, 06.12.21. Die taz veröffentlichte in der Ausgabe vom 4./5.12. einen Artikel zur Bio-Kontrolle. Anhand von Beispielen wird Kritik am Kontrollsystem insgesamt geübt. Im Folgenden die Hintergründe dazu und warum die Kritik ins Leere läuft.
Wie ist die Bio-Kontrolle in Deutschland organsiert?
Die EU-Öko-Verordnung schreibt fest, welche Regeln eingehalten werden müssen, damit sich ein Lebensmittel „Bio“ oder „Öko“ nennen darf. Das Bio-Recht ist der höchste gesetzliche Standard für Lebensmittel in Europa. Es regelt auch, dass sich Bio-Betriebe kontrollieren lassen müssen. Bio-Betriebe werden mindestens einmal im Jahr kontrolliert. Dazu kommen risikoabhängig zusätzliche Kontrollen und Nachkontrollen, wenn Abweichungen festgestellt wurden. So wird ein Bio-Betrieb durchschnittlich 1,3 Mal im Jahr kontrolliert. Überprüft werden Unterlagen, z.B. ob die Mengen bei Einkauf und Verkauf plausibel sind und ob nur das eingekauft wurde, was für die Bio-Produktion erlaubt ist. Dazu kommt die Kontrolle von Produktionsstätten, Lagern, Feldern und Ställen.
Die Bio-Kontrolle wird von privaten Kontrollstellen durchgeführt. Die Bio-Betriebe bezahlen die Kontrolle. So ist das beispielsweise auch bei den Unternehmen wie „TÜV“ oder „Dekra“ organisiert, die die Hauptuntersuchung bei Kraftfahrzeugen und anderen Anlagen vornehmen.
Die Öko-Kontrollstellen werden von einer Bundesbehörde zugelassen und von Landesbehörden überwacht. Zusätzlich müssen sie auch akkreditiert sein. Die Deutsche Akkreditierungsstelle prüft regelmäßig, ob alle Abläufe in einer Kontrollstelle so organisiert und inhaltlich passend sind, dass die Bio-Kontrolle gut funktionieren kann.
Die Landesbehörden begleiten die Bio-Kontrolleurinnen und -Kontrolleure bei Betriebskontrollen stichprobenartig und überprüfen so, ob die Kontrolle wirksam ist. Ebenso werden die Geschäftsstellen der Kontrollstellen staatlich überprüft. In der Vergangenheit haben Kontrollstellen bereits die Zulassung verloren, wenn sie dieser Aufgabe nicht gerecht werden.
Die Behörden sind in den meisten Bundesländern selbst dafür zuständig, bei deutlichen Verstößen gegen das Bio-Recht Sanktionen auszusprechen, also den Bio-Status von Lebensmitteln abzuerkennen oder den gesamten Betrieb von der Bio-Produktion auszuschließen. In schweren Fällen von Betrug werden die Staatsanwaltschaften informiert, die ihrerseits über eine Strafverfolgung entscheiden. Gemäß dem deutschen Öko-Landbaugesetz muss mit Geld- und/oder Gefängnisstrafe rechnen, wer gegen das Bio-Recht verstößt. Für landwirtschaftliche Betriebe kommt dazu, dass sie bei schwerwiegenden Verstößen die Förderung zurückzahlen müssen, die sie für die Bio-Bewirtschaftung erhalten haben.
Die Bio-Kontrolle ist anspruchsvoll, denn sie umfasst den gesamten Produktionsprozess des Lebensmittels vom Saatgut bis zum Verkaufstresen und nicht nur das Endprodukt.
Was ist dran an den Vorwürfen der taz?
In der taz heißt es, dass in zwei Fällen eine Kontrollstelle nicht konsequent genug gehandelt hätte. Die Kontrollstelle weist dies zurück. Sie sagt, sie hätte die Fälle an die zuständige Behörde weitergeleitet. Diese hätte die Vorwürfe daraufhin entkräftet bzw. die getroffenen Maßnahmen als ausreichend erachtet.
Die Kontrollstelle gibt auch an, dass sie die in Rede stehenden Betriebe – trotz der Pandemie-Situation, in der viele Behörden die Vor-Ort-Kontrollen eingestellt und aus der Ferne kontrolliert hatten – mehrfach aufgesucht hätte.
In einem der genannten Fälle beschwerte sich das Unternehmen über den Kontrolleur. Für solche Beschwerden gibt es klare Vorgaben und Verfahren, an die Kontrollstellen gebunden sind. Der Artikel stellt dies anders dar und skandalisiert diesen Vorgang.
Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass die Kontrolle nicht funktionieren könne, da sich Bio-Betriebe „ihre“ Kontrollstelle aussuchen können. Da die Kontrollstellen aber ihre Zulassung verlieren, wenn sie nicht ordentlich kontrollieren, hinkt die These. Vielmehr ist es wichtig, dass die Kontrollbehörde über genug Qualifikation und Kapazität verfügt, ihrer Überwachungsaufgabe gerecht zu werden.
Wie ist Kontrollpersonal geschützt, das Fehlverhalten aufdeckt?
In Deutschland ist jede Bio-Kontrolleurin und jeder Bio-Kontrolleur ein „Whistleblower“. Denn es ist gesetzlich geregelt, dass sie sich an die zuständige Behörde wenden können, wenn sie den Eindruck haben, dass die Kontrollstelle nicht sachgemäß mit seinen Kontrollergebnissen umgeht. Dies darf keine beruflichen Nachteile haben. Zu den im Artikel genannten Fällen hat sich der Kontrolleur anscheinend nicht an die Behörde gewandt.
Werden Unternehmen angehört, wenn bei der Kontrolle Abweichungen festgestellt werden?
Der Autor des Artikels kritisiert, dass im Kontrollverfahren die kontrollierten Unternehmen das Recht haben, zu den Feststellungen oder Vorwürfen Stellung nehmen zu können. Die Möglichkeit der Anhörung ist Teil des Rechtsstaatsverständnisses der Bio-Kontrolle. Es scheint auch in den Beispielfällen der Fall gewesen zu sein, dass die Betroffenen ihre Sicht der Dinge eingebacht haben. Entscheidend ist, ob am Ende die kritisierten Punkte sachgerecht beurteilt werden.
Soll das Kontrollsystem in Deutschland anders organisiert werden?
Der taz-Autor schlussfolgert, dass das Kontrollsystem komplett verstaatlicht werden solle – so wie in Dänemark oder den Niederlanden.
Er verkennt bei seiner Schlussfolgerung, dass die Entscheidungen, die im Artikel kritisiert wurden, von staatlichen Stellen getroffen wurden und dass die private Kontrolle die Fälle aufgedeckt hat. Die Bio-Kontrolle ist bereits heute eine Art Private Public Partnership. Die Qualität und Wirksamkeit der der Bio-Kontrolle ist entscheidend, nicht aber, ob sie in privaten Händen liegt oder nur in staatlichen. Diese Entscheidung ist den Mitgliedsstaaten freigestellt.
Staatliche Kontrollsysteme, wie der Autor sie vorschlägt, haben ebenso ihre Herausforderungen. Die EU hatte bei einer Überprüfung in den von ihm genannten Ländern Dänemark und den Niederlanden eine Reihe an Verbesserungen angemahnt.
Das Bio-Kontrollsystem in Deutschland wird stetig verbessert und dafür helfen auch Hinweise, insbesondere vor dem Hintergrund des ab 1.1.2022 in Kraft tretenden neuen Bio-Rechts. Der BÖLW bringt sich in die Weiterentwicklung des Bio-Rechts ein. Aktuell fordert er von den Bundesländern, dafür Sorge zu tragen, dass genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung gestellt wird, damit die Importkontrollen, die ab Januar neu organisiert werden müssen, gründlich und schnell durchgeführt werden können. Es muss verhindert werden, dass Bio-Ware verdirbt und Bio-Lebensmittelverarbeitende ohne Ware dastehen.
Welche Schlussfolgerungen sind aus dem Artikel zu ziehen?
Kein Kontrollsystem ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann. Das gilt für den TÜV genauso wie für die Bio-Kontrolle. Und bei jedem Fall, der bekannt wird muss geprüft werden, ob er ob er Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der Kontrolle birgt. Die aufgeführten Beispiele sind allerdings nicht geeignet, um die Mutmaßungen und Schlussfolgerungen des Artikels zu stützen. Er taugt daher auch nicht, um das Kontrollsystem insgesamt in Frage zu stellen.
Foto Header: BLE, Dominic Menzler