Berlin, 15.10.2020. Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung sieht vor, dass in Deutschland bis 2030 der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 65 % steigen soll. Der dafür tatsächliche Ausbau der erneuerbaren Energien bleibt derzeit weit hinter diesen Zielen zurück. Angesichts dieser Herausforderungen benötigen wir einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass der Energiepflanzenanbau in Flächenkonkurrenz zur Lebensmittelerzeugung steht und dazu beiträgt, dass Artenvielfalt verschwindet und Pestizide und Dünger Gewässer und Öko-Systeme belasten – insbesondere der intensive Maisanbau zur Energiegewinnung ist eine kritische Entwicklung.
Den Verbänden des ökologischen Landbaus ist es besonders wichtig, Flächenkonkurrenz zwischen der Nahrungsmittel- und Energieerzeugung zu vermeiden und weiteren Flächenverbrauch möglichst zu verhindern. Zudem müssen Zielkonflikte zwischen dem Naturschutz und der Energieerzeugung vermindert werden, was wiederum auch für die gesellschaftliche Akzeptanz der erneuerbaren Energien entscheidend sein wird.
Um die Potentiale im Bereich Photovoltaik und Biogas auszuschöpfen, möchten wir auf zwei weitere Technologie-Ansätze mit großem Potenzial für die Energiegewinnung auf landwirtschaftlichen Betrieben näher eingehen: Die Biogasgewinnung aus nachhaltigen Leguminosen-Grasmischungen sowie die Agrar-Photovoltaik.
Wir sehen in diesen beiden Bereichen dringenden Entwicklungs- und Förderbedarf, deshalb beschränken wir uns in dieser Stellungnahme auf diese beiden Ansätze.
Agrar-Photovoltaik: Klimaschutz und Landwirtschaft verbinden
Bei der Agrar-Photovoltaik wird die landwirtschaftliche Haupterzeugung gängiger Kulturen (z.B. Getreide, Kartoffeln, Gemüse oder Dauerkulturen wie Obst, Beeren, Wein) mit einer sekundären energetischen Nutzung kombiniert. Die Agrar-Photovoltaik verfügt daher über ein sehr großes Flächenpotenzial in Deutschland, durch Doppelnutzung von Flächen werden Flächenkonflikte gelindert. Erste Erfahrungen zeigen, dass Landwirtschaft und Energieerzeu-gung sich so verbinden lassen, ohne dass große Einschränkungen bei der landwirtschaftlichen Nutzung der Fläche entstehen [1].
Um diese Win-Win-Strategie auch im EEG zu verankern, sollte die Agrar-Photovoltaik im EEG berücksichtigt werden.
Die Technik dient dem landwirtschaftlichen Betrieb und bietet mehrere Nutzungsvorteile:
- Fruchtbarer Boden wird erhalten, flächige Bodenverdichtung während des Aufbaus o-der dauerhafte Bodenversiegelung kann weitgehend vermieden werden.
- Bäuerinnen und Bauern können sich durch die Investition in eine Anlage ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein aufbauen.
- Die für die Agrar-Photovoltaik dauerhaft aufgestellten Gerüsten können genutzt werden, um die in manchen Kulturen zum Schutz vor Schädlingen zeitweilig notwendigen Netz- bzw. Folienüberspannung zu befestigen, dadurch wird der Aufwand und Kosten für Gerüste vermindert.
- Der Wasserbedarf der landwirtschaftlichen Tätigkeit wird reduziert, weil die Evaporation und Transpiration aufgrund von Verschattungseffekten und geringer Temperatur unter der Agrar-Photovoltaik- Anlage gemildert wird – im Falle von bewässerten Kul-turen kann so der Bewässerungsaufwand sinken.
Letztendlich kann nicht nur der einzelne Betrieb, sondern auch der ländliche Raum profitieren, weil regionale landwirtschaftliche Produktion profitabler wird und erhalten bleibt, gleichzeitig die regionale Solarstromerzeugung erhöht wird.
Agrar-Photovoltaik – Herausforderungen überwinden helfen
Die Doppelnutzung der Agrarfläche erfordert eine Anpassung der Photovoltaik-Anlage, so muss beispielsweise die Aufständerung höher sein als bei Freilandanlagen, die Module müs-sen lichtdurchlässig sein. Daher verlieren im derzeitigen Ausschreibungsdesign die Agrar-Photovoltaik-Anlagen immer gegenüber den reinen Freilandanlagen. Es liegen inzwischen weltweit umfangreiche Erfahrungen im Bereich Agrar-Photovoltaik vor. Die fachlichen Grundlagen für die Festlegung guter praktischer Umsetzungen im Interesse der Landwirtschaft und zum Schutz der Umwelt sind weitgehend erarbeitet und verfügbar.
Der BÖLW fordert:
Die Verminderung von Flächenkonkurrenz muss zu einem Kriterium bei Ausschreibungen werden, so dass Agrar-Photovoltaik-Anlagen an relativer Vorzüglichkeit gewinnen.
Um der Agrar-Photovoltaik als innovativer Technik, die die Doppelnutzung von Flächen ermöglicht, Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, muss sie als separates Ausschreibungssegment der Innovationsausschreibungen in die EEG Novelle aufgenommen werden.
Um die weitere Landwirtschaftliche Nutzung attraktiv zu machen, muss die Anspruchsberechtigung der Fläche auf Beihilfen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik erhalten bleiben.
Die Umsetzung könnte erfolgen, indem das EEG eine Verordnungsermächtigung für ein solches Ausschreibungssegment erhält. Die konkrete Regelung könnte anschließend detailliert ausgearbeitet, beschlossen und per Rechtsverordnung umgesetzt werden.
In den Ausschreibungen muss beachtet werden, dass die landwirtschaftliche Bewirtschaftung beibehalten wird.
Kriterien sollten sein:
- Die produktive landwirtschaftliche Nutzung der Fläche bleibt erhalten. Es sollten in der Umsetzungsverordnung Mindestquoten für den zu erhaltenden landwirtschaftlichen Ertrag für Acker- bzw. Dauerkulturen festgelegt werden.
- Um eine regionale Wertschöpfung und Akzeptanz zu fördern, werden regionale Beteiligungs- und Nutzungsmodelle bevorzugt gefördert.
- Um Landgrabbing durch außerlandwirtschaftliche Investoren nicht zu fördern und um Bäuerinnen und Bauern dabei zu unterstützen, einen soliden Einkommensmix für ihre Betriebe aufzubauen, muss die Landwirtschaft an Investition und Gewinn beteiligt sein.
Biogaserzeugung aus nachhaltigen Ackerkulturen
Das Potenzial an Biogasanlagen im Öko-Landbau ist nur unzureichend ausgeschöpft. Die Biogasnutzung stellt im Öko-Betrieb in ökologischer und auch in ökonomischer Hinsicht eine sehr sinnvolle Ergänzung [2] dar, da sie zum einen hochwertigen Volldünger liefert und zum anderen eine kombinierte Stromproduktion und Nahwärmenutzung ermöglicht.
Öko-Bäuerinnen und Bauern praktizieren eine nachhaltige Form des Ackerbaus. Stickstofffixierende Kulturen bilden dabei das Fundament einer jeden Fruchtfolge. Der Anbau von Leguminosen, zumeist im Gemisch mit Gräsern, ist ein Schlüsselfaktor für das System Öko-Ackerbau. In viehhaltenden Betrieben werden diese Kulturen verfüttert. Inzwischen gibt es aber auch im Öko-Landbau vermehrt Betriebe, die als reine Ackerbaubetriebe ohne Tierhaltung oder mit sehr wenigen Tieren arbeiten. Damit diese Betriebe ausreichende Mengen Stickstoff in ihr System bekommen, müssen auch sie stickstoffbindende Pflanzen - Kleegras oder andere Leguminosen-Gras-Mischungen - anbauen. Bei vielen Öko-Ackerbaubetrieben verbleibt der Aufwuchs gemulcht auf dem Acker.
Durch eine Verwertung des Kleegrases oder anderer Leguminosenmischungen in Biogasanlagen kann jedoch die Stickstoffbindung auf dem Acker verbessert werden, wenn der Aufwuchs nicht direkt auf dem Acker verbleibt, sondern über eine Biogasanlage geführt wird. Das Gärprodukt aus dem abgeernteten Aufwuchs kann bedarfsgerecht im Pflanzenbau der ökologisch wirtschaftenden Betrieben als wertvoller Dünger eingesetzt werden. Weitere Pluspunkte bei der Abfuhr des Grünschnitts sind eine gesteigerte Sickstofffixierleistung der Knöllchenbakterien der Leguminosen und ein verbesserter Wiederaufwuchs der Pflanzen nach dem Schnitt.
Im Vergleich zu Mais, der unter hohem Düngeaufwand und oftmals in mehrjährigen Monokulturen angebaut wird – stellt die Verwendung von Leguminosen-Mischungen in vielfacher Hin-sicht eine Win-Win-Situation dar – neben der Stickstoffbindung sorgt das Leguminosen-Gras-Gemisch auch für mehr Vielfältigkeit in der Fruchtfolge und bietet mehr Nahrung und Unterschlupf für blütenbesuchende oder im Boden lebende Insekten als Mais. Mit seiner Humusaufbauleistung wird zusätzlich Kohlenstoff aus der Luft im Boden gebunden. Beim Maisanbau hingegen findet ein Abbau des Humus statt und CO2 wird freigesetzt.
Nachhaltiges Biogas auf Ökobetrieben muss profitabel werden
Trotz der offensichtlichen Vorteile lohnen sich derzeit Investionen in Biogasanlagen für ÖkoBetriebe kaum, da das EEG in seiner aktuellen Fassung keine gesonderte Vergütung für den Einsatz von Leguminosenmischungen vorsieht. Eine für Öko-Betriebe interessante Biogas-Nutzung wäre auch mit einer (Gemeinschafts-) Anlage gegeben, die man mit einem Gemisch aus Gülle und Leguminosen-Mischungs-Aufwüchsen „füttern“ kann. Leider sind aber die durch das EEG geförderten Gülleanlagen (Bemessungsleistung von 75 kW und einer installierten Leistung von 150 kW) mit der Auflage versehen, dass mindestens 80 Prozent des Substrats aus Gülle oder Mist bestehen muss. Aufgrund der flächengebundenen Tierhaltung bei Öko-Betrieben, haben diese weniger große Viehbestände und damit keine Möglichkeit die nötige Menge an Mist und Gülle zu beschaffen, um eine Anlage wirtschaftlich zu betreiben. Um die Vorteile von Biogasanlagen auf Öko-Betrieben nutzen zu können, müssen die Rahmenbedingungen des EEG so verändert werden, dass eine nachhaltige Nutzung von Biogas möglich ist.
Der BÖLW fordert:
Öko-Betriebe müssen durch eine einfache Änderung des EEG für die Sondervergütung von kleinen Gülleanlagen die Möglichkeit erhalten, den geforderten 80 %igen Gülle/Mist-Anteil ganz oder teilweise durch Leguminosen und Mischkulturen mit Leguminosen (vor allem Kleegras/Luzernegras) zu ersetzen. Dies würde nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern auch das Ziel der Bundesregierung in der Nachhaltigkeitsstrategie unterstützen, bis 2030 20 % der Agrarfläche auf ökologischen Landbau umzustellen.
[1] Beispielsweise aus dem Projekt „Agrar-Photovoltaik – ein Beitrag zur ressourceneffizienten Landnutzung (APV-RESOLA), siehe www.agrophotovoltaik.de
[2] Ergebnisse zu nachhaltigen Biogaserzeugung auf Ökobetrieben wurden beispielsweise im EU-Projekt SUSTAINGAS erarbeitet (https://ec.europa.eu/energy/intelligent/projects/en/projects/sustaingas)