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Stellungnahme

BÖLW zum Entwurf der Neuauflage der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung

Ziele und Maßnahmen nicht ambitioniert genug

Berlin, 30.07.2016. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und die in ihm organisierten Verbände der Bio-Branche begrüßen die Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Wir bewerten es positiv, dass die Bundesregierung dem Thema „Nachhaltigkeit“ weiterhin eine große Bedeutung beimisst und dies mit konkreten Handlungsfeldern hinterlegt. Mit der Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie erweitert die Bundesregierung den überwiegend nationalen Fokus der Strategie um eine stärkere internationale Perspektive.

Grundsätzliche Anmerkungen

Der Entwurf orientiert sich im Wesentlichen an den Sustainable Development Goals (SDGs), die innerhalb der „Agenda 2030“ auf dem UN-Gipfel vom 25. September 2015 verabschiedet wurden. Grundsätzlich begrüßen wir es, dass die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie Bezug auf die SDGs nimmt und sich damit in einen internationalen Kontext einfügt. Allerdings darf eine solch enorme thematische Breite nicht den Eindruck der Beliebigkeit vermitteln oder die großen Herausforderungen verdecken, vor denen die Bundesrepublik steht und die in vielen Bereichen mit zu wenigen oder zu schwachen Maßnahmen hinterlegt werden. Die neue nationale Nachhaltigkeitsstrategie muss – wie die ursprüngliche Fassung – über eine lange Zeitspanne hinweg politisch wirken und sollte sich daher nicht zu sehr auf tagesaktuelle Aktivitäten der derzeitigen Bundesregierung fokussieren. Entscheidend für die Glaubwürdigkeit und damit für die Wirkmächtigkeit einer derart mittel- bis langfristigen Strategie ist vor allem die konsequente Kohärenz zu anderen politischen Prozessen, sei es zur Realisierung verbindlicher Ziele und Strategien, zu denen sich die Bundesrepublik EU- oder völkerrechtlich bereits verpflichtet hat, oder sei es zu nationalen Gesetzgebungsverfahren im horizontalen Recht.

Kritisch anmerken müssen wir, dass in der Strategie wichtige Fragen der aktuellen politischen wie wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion (noch) nicht berücksichtigt werden. Das betrifft z. B. die Debatte um einen modernen Wohlstands- und Fortschrittsbegriff, der seit der Einsetzung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ intensiv diskutiert wird. Die Definition des in der Nachhaltigkeitsstrategie verwendeten Wohlstandsbegriffs hängt wiederum eng mit dem Ver-ständnis von „Wachstum“ zusammen. Dass die Strategie den Wohlstandsbegriff (immer noch) mit dem Indikator Bruttoinlandsprodukt verknüpft, obwohl das BIP bekanntermaßen auch durch nicht-nachhaltige Entwicklungen „positiv“ wächst, wird einer modernen Nachhal-tigkeitsdiskussion nicht (mehr) gerecht.

Die Nachhaltigkeitsstrategie setzt zudem sehr stark auf Effizienzsteigerungen, z. B. im Ressourcenbereich. Wissenschaftlich ist mittlerweile weitgehend unstrittig, dass Effizienzgewinne allein nicht ausreichen, um den Verbrauch von Ressourcen deutlich zu senken, da sie in der Regel durch sogenannte Rebound-Effekte kompensiert oder gar überkompensiert werden. Diese Problematik wird in der Strategie allenfalls im Konsum-Kontext angesprochen, aber nicht grundsätzlich diskutiert.

In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Strategie zwar in der Einleitung auf das Prinzip der Planetaren Belastungsgrenzen als „absolute äußere Beschränkung“ für alle Aktivitäten verweist (S. 21), im weiteren Text jedoch auf diesen absoluten Rahmen wenig Rücksicht genommen wird. Nicht nur steht die Relativierung von Forderungen durch Formulierungen wie „so weit wie möglich“ in klarem Gegensatz zur Erkenntnis planetarer Begrenzungen. Vielmehr wird es in Bereichen wie Biodiversitätsverlust oder Klimaschutz, in denen die Belastungsgrenzen heute bereits deutlich überschritten sind, nicht ausreichen, den Mehrverbrauch von Ressourcen bzw. die Steigerung von Emissionen zu reduzieren – hier sind Maßnahmen gefordert, mit denen die bereits eingetretenen Schädigungen wieder repariert werden können, z. B. durch ökologische Festlegung von CO2 in humusreichen Böden.

Positiv hervorheben möchten wir, dass in der Strategie die verschiedenen Synergieeffekte zwischen den einzelnen SDGs und den vorgeschlagenen Maßnahmen herausgearbeitet werden. Trotzdem lassen sich aus dem jetzt vorliegenden Entwurf immer noch zahlreiche Zielkonflikte ableiten, die in der Strategie nicht wirklich aufgelöst werden.

Anmerkungen zu inhaltlichen Punkten

Handlungsfeld 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern

Die Bundesregierung misst dem Handlungsfeld 2 und dem Kampf gegen Hunger, Mangel- und Fehlernährung richtigerweise eine hohe Priorität bei. Durch die direkte Bezugnahme auf die SD-Ziele wird deutlich, welch vielfältige Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit auch in Zukunft genügend Nahrung für die weiter anwachsende Weltbevölkerung erzeugt werden kann. Eine ausschließlich auf hohe Produktionsmengen abzielende Landwirtschaft, die viele dieser Voraussetzungen nicht erfüllt oder sie gar zerstört, kann deshalb nicht geeignet sein, die notwendige Ernährungssicherheit herzustellen.

Angesichts des Potenzials, mit Ökologischer Intensivierung gerade unter den von kleinbäuerlicher Landwirtschaft geprägten Strukturen in den Ländern des Südens Erträge nachhaltiger steigern zu können, als das eine Landwirtschaft mit industriellen Methoden vermag, braucht es den Ökologische Landbau als Instrument für die dauerhafte Bekämpfung des Hungers.[1] Dieser Lösungsansatz sollte daher in der Nachhaltigkeitsstrategie explizit benannt werden.

Der Verweis auf „Schätzungen“, die „von einem Mehrbedarf an Nahrungsmitteln von bis zu 70 Prozent gegenüber heute“ ausgehen, muss hinterfragt werden. Diese Zahl ist nicht seriös wissenschaftlich unterfüttert, einseitig auf derart quantitative Steigerungen ausgerichtete Ansätze würden außerdem zwangsläufig Konflikte mit anderen Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie hervorrufen, etwa beim Klimaschutz oder der Erhaltung der Biologischen Vielfalt. Außerdem geht die FAO davon aus, dass heute ca. 5.000 kcal je Erdbewohner und Tag zur Verfügung stehen [2]. Das ist das Doppelte dessen, was für eine ausreichende Ernährung benötigt wird. Zu Recht wird deshalb in der Strategie erwähnt, dass Hunger in erster Linie ein Zugangsproblem zu Nahrung und Einkommen, nicht aber ein Mengenproblem ist. Zwar muss weltweit eine unter den Nachhaltigkeitsvoraussetzungen möglichst hohe Erzeugung angestrebt werden. Die weitaus größeren Reserven liegen aber in der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung (in den Industrieländern) und von Nachernteverlusten (in den Entwicklungsländern). Sie entsprechen immerhin bis zu 50 % der globalen Produktionsmenge. Eine zweite wichtige und in der jetzigen Fassung der Nachhaltigkeitsstrategie leider nicht erwähnte Reserve liegt in einer Verminderung der Erzeugung und des Verbrauchs tierischer Lebensmittel, für die im Futter ein Mehrfaches der Kalorien eingesetzt werden muss, die im Endprodukt enthalten sind und deren Überkonsum nicht nur bei uns in den Industrieländern, sondern auch bei den bereits wohlhabenderen Bevölkerungsgruppen in Entwicklungs- und Schwellenländern global massive gesundheitliche Probleme verursacht. Dass Verhaltensänderungen politisch sehr schwierig zu motivieren sind, darf keine Entschuldigung dafür sein, ihre Notwendigkeit einfach auszublenden.

All dies gilt für die einheimische Ernährungssituation genauso wie für die globale. Unter der Überschrift „Nationale Bedeutung“ werden gesundheitsschädliche Ernährungsstile ebenso adressiert wie die Anforderungen an die künftige Landnutzung. Auch hier halten wir es für sinnvoll und notwendig, die Potenziale des Ökologischen Landbaus explizit zu benennen. Denn diese Produktionsform erfüllt nicht nur die Nachhaltigkeits-Anforderungen, schließlich wurde der Ökolandbau bereits 2011 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung als „Gold Standard der Nachhaltigkeit“ identifiziert. Der Ökologische Landbau hat zudem den großen Vorteil, ein bereits „durchdekliniertes“ und gesetzlich klar definiertes Produktionssystem darzustellen, das einen eigenen Markt aufweist und damit Verbraucher, die diese Produktion durch ihre Kaufentscheidung in zunehmendem Umfang ermöglichen. Weil die Preise für einzelne Lebensmittel auch bestimmen, wie diese verbraucht werden, zieht diese Produktionsweise zudem einen nachhaltigeren Lebensstil nach sich – was Fleischverbrauch, Lebensmittelverschwendung und Frischekonsum betrifft [3].

Stickstoffüberschuss / Indikator 2a

Der Zielwert der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von 2010, den Stickstoffüberschuss auf 80 kg/ha/Jahr zu reduzieren, wird noch immer verfehlt. In manchen Regionen ist sogar eine Verschlechterung zu verzeichnen. Mittel- bis langfristig muss der Stickstoffüberschuss auf nahezu null reduziert werden - allerdings unter Berücksichtigung des durch Humusaufbau festgelegten Stickstoffes. Daher ist der Zielwert schrittweise anzupassen – bei der anstehenden Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie auf 60 kg N/ha/Jahr. In der Nachhaltigkeitsstrategie muss klar verankert werden, dass Änderungen im nationalen Düngerecht so gestaltet werden müssen, dass dieses Ziel im vorgesehenen Zeitfenster auch erreicht wird. Angesichts der vielen ungelösten Probleme, die mit diesem Thema verbunden sind, muss die Bundesregierung eine Stickstoffstrategie entwickeln, mit der ein Schließen der Stickstoff-Kreisläufe erreicht wird. Grundsätzlich ist bei entsprechenden Gesetzgebungsverfahren das Verursacherprinzip konsequent anzuwenden, so dass Anbausysteme wie der Ökolandbau, die nachweislich zu einer Senkung der Stickstoff- bzw. Nitratauswaschung beitragen [4], gestärkt werden. Einschränkungen müssen gezielt auf die Verursacher der Nitratüberschüsse zugeschnitten sein, wie beispielsweise die Intensivtierhaltung.

Neben Vorgaben im Düngerecht sind weitere Maßnahmen zur Erreichung der Minimierungsziele zu prüfen, beispielsweise eine Stickstoffabgabe auf Handelsebene und eine Stickstoffüberschussabgabe auf einzelbetrieblicher Ebene .

Ökologischer Landbau / Indikator 2b

Es ist wichtig, dass der ökologische Landbau weiterhin ein eigener Indikator der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist. Als Schlüsseltechnologie, die mit der Bewirtschaftung der Flächen unter sorgsamer Berücksichtigung der natürlichen Kreisläufe einen besonders nachhaltigen Ansatz verfolgt, gilt es, den Ökologischen Landbau als Leitbild für die gesamte Landwirtschaft anzuerkennen und zu fördern.

Wir bewerten es positiv, dass sich die Bundesregierung weiterhin zum Ziel bekennt, den Öko-Landbau auf 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche auszudehnen und zum Erreichen dieses Ziels an einer „Zukunftsstrategie Öko-Landbau“ arbeitet. Allerdings fehlt weiterhin eine verbindliches Zeitziel, bis wann die angestrebten 20 % Öko-Flächenanteil erreicht werden sollen und Angaben, mit welchen finanziellen Ressourcen die Zukunftsstrategie hinterlegt werden soll. Damit bleibt der konkrete Beitrag der Zukunftsstrategie zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie unklar. Wir fordern, das Flächenziel von 20 % wieder mit einem konkreten Zeitziel sowie Zwischenzielen zu versehen. Die Formulierung „in den nächsten Jahren“ sollte ersetzt werden durch „auf 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2020, 15 % bis 2025 und 20 % bis 2030“. Um diese Ziele zu erreichen, reichen die in der aktuellen Fassung vorgesehenen Haushaltsmittel in Höhe von 17 Millionen Euro für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) als zentralem Förderinstrument des Bundes nicht aus. Wir fordern daher, das BÖLN umgehend auf 60 Millionen Euro im Jahr aufzustocken und damit auch Mittel für die Umsetzung der Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau vorzuhalten. Als Vorbild für eine strategische Ressourcenplanung könnte sich die Bundesregierung z. B. an der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie orientieren, in der ein Budget von 2,4 Milliarden Euro über einen Zeitraum von sieben Jahren festgelegt wurde.

Des Weiteren muss die Durchfinanzierung der Fördermaßnahmen für den Öko-Landbau im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik gesichert sein. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, die von der EU gewährte Möglichkeit auszuschöpfen, bis zu 15 % der Mittel für die Direktzahlungen (1. Säule) zugunsten von Agrarumweltmaßnahmen (2. Säule) und damit auch für die Förderung des Ökolandbaus umzuschichten.


Handlungsfeld 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

Weltweit leidet eine Milliarde Menschen an Hunger, ebenso viele an den Folgen von Überernährung. Allein letztere führt zusammen mit falsch zusammengesetzter Kost zu ernährungsbedingten Krankheiten, die einen Gutteil unserer Zivilisationskrankheiten ausmachen. Die Kosten für die Behandlung und Versorgung der Betroffenen werden allein in Deutschland auf bis zu 110 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt [5].

Die Ernährungs- und Lebensmittelkompetenz der deutschen Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken. Deshalb können viele Erwachsene und Jugendliche unterschiedliche Lebensmittelqualitäten nicht mehr beurteilen, verfügen nur mehr über mangelhafte Fertigkeiten bei der Zubereitung frischer Lebensmittel, ernähren sich unausgewogen und verursachen erhebliche Lebensmittelverluste in den privaten Haushalten. Zusammen mit den Verlusten in der Land- und Lebensmittelwirtschaft summieren sich die Gesamtverluste alleine in Deutschland auf bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmitteln im Jahr. Die oft ausschließlich an Kostenoptimierung orientierte Zusammensetzung von Lebensmitteln mit zahlreichen, gesetzlich zugelassenen Aroma-, Farb-, Konservierungs-, Hilfs- und Zusatzstoffen, mangelnde Ernährungsbildung an Schulen und mangelnde weiterführende Bildungsangebote sowie irreführende oder missverständliche Werbeaussagen erschweren die ausgewogene Auswahl des täglichen Essens und sind z. T. geeignet, die Verbraucher zu täuschen. Deshalb muss die Ernährungskompetenz durch entsprechende Bildungsangebote verbessert werden.

Adipositasquote von Erwachsenen und Adipositasquote von Jugendlichen (Indikator 3e / 3f)

Wir begrüßen die Maßnahmen der Bundesregierung in der Bekämpfung insbesondere der juvenilen Fehlernährung und Adipositas und unterstützen die Aktivitäten sowohl in der Ernährungsbildung als auch in der Verpflegung in Kitas und Schulen. Die Maßnahmen im Rahmen des Aktionsplans „In Form“ halten wir jedoch bei weitem nicht für ausreichend.

Eine Folge des massiven Rückgangs der Ernährungskompetenz der Bevölkerung, unter anderem wegen mangelhafter Vermittlung von Kenntnissen der Ernährungslehre, Haushalt und Kochen in den Schulen und in der frühkindlichen Bildung führen dazu, dass insbesondere Kinder und Jugendliche keinen bzw. wenig Ernährungskompetenz erwerben können. Das fördert Fehlernährung und unzureichender unrealistische Vorstellungen über Lebensmittel- und Ernährungsqualitäten und über die Erzeugung von Lebensmitteln. Deshalb ist es dringend notwendig, dass Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen entsprechende Inhalte vermittelt werden, um die Urteilsfähigkeit und das praktische Können für eine gesunde und ernährungsphysiologisch vollwertige Ernährung zu erwerben. In der Nationalen Verzehrsstudie konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen ökologisch vollwertiger Ernährung und einem nachhaltigen Lebensstil festgestellt werden. Menschen, die sich bewusst vollwertig und ökologisch ernähren, bewegen sich auch mehr und entwickeln ein ausgeprägteres Be-wusstsein für einen nachhaltigen Lebensstil. Wenn Ernährungsbildungsmaßnahmen mit Ausflügen auf Bauernhöfe und zu Betrieben des Lebensmittelhandwerks, praktischen Übungen, Genuss und Spaß verbunden werden können sie im besten Sinne nachhaltige Wirkung erzielen.

Um die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit der Bildungsmaßnahmen zu erhöhen, muss in öffentlichen Kantinen und in der Verpflegung in Kitas und Schulen die Verpflegung auf eine ökologische, nachhaltig gesunde und ernährungsphysiologisch vollwertige Ernährung ausgerichtet werden. Dies sollte auch in den aus der Nachhaltigkeitsstrategie abgeleiteten Vorgaben für die öffentlichen Beschaffung Eingang finden. Weitere Vorschläge entnehmen Sie bitte unseren Ausführungen zu den Handlungsfeldern 5 und 6.

Neben den Maßnhamen zur Ernährungsbildung sollte die Transparenz bezüglich der Zu-sammensetzung von Lebensmitteln verbessert werden, insbesondere bei Nahrungsmitteln für Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche (z. B. transparente Deklaration von Aromen, Farbstoffen, Zuckern und Zuckerersatzstoffen).


Handlungsfeld 5: Nachhaltigkeit im eigenen Bereich

b) Nachhaltige Beschaffung

Wir bewerten es positiv, dass die Bundesregierung auch die eigene Verwaltung mit einem entsprechenden Maßnahmenprogramm nachhaltiger machen will. Besonders begrüßen wir das im „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ vom 30. März 2015 die Kantinen der Bundesverwaltung nach eigenen Nachhaltigkeitskriterien arbeiten sollen. Das Vergaberecht soll bei Ausschreibungen Sozialstandards und Umweltschutz eine größere Rolle spielen und EMAS zertifizierte Unternehmen systematisch bevorzugen. Ökologische Lebensmittel erfreuen sich seit Jahren zunehmender Beliebtheit und Nachfrage. Verbrauchern sind die Bio-Kennzeichnungen bekannt. Durch die rechtlichen Vorgaben sind Bio-Siegel die umfassends-ten und bestabgesicherten Umweltzeichen für Lebensmittel.

Das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie, in der Landwirtschaft mindestens 20 % Ökolandbau zu erreichen, muss auch im Rahmen der öffentlichen Beschaffung aktiv verfolgt werden. Dort, wo Beispiele aufgeführt werden („beispielsweise mit Elektromobilität, Ressourceneffizienz oder nachhaltigem Bauen sowie dem Statistikaufbau“) sollte deshalb hinzugefügt werden: „und dem Einsatz von mindestens 20 % Rohstoffen aus heimischer ökologischer Landwirtschaft in öffentlichen Kantinen“.

Zur Erläuterung: Im weiteren Text wird auf die homepage www.nachhaltige-beschaffung.info hingewiesen. Unter den dort zur Verfügung gestellten Dokumenten zum Thema „Lebensmittel und Catering“ befindet sich ein Beispiel-Konzessionsvertrag. In dem steht das Wort „ökologisch“ zwar in den Kriterien, dies wird jedoch in den vorgeschlagenen Vereinbarungen nicht konkret ausgestaltet.
Dass die Umstellung auf eine Gemeinschaftsverpflegung, die überwiegend auf frischen, ökologisch erzeugten Zutaten beruht, für Kunden und öffentliche Hand weitgehend kostenneutral erfolgen kann, beweist die Stiftung „House of Food“ der Stadt Kopenhagen, mit deren Aktivitäten inzwischen ein Bio-Anteil von 90 % in allen öffentlichen Küchen der Stadt realisiert wurde.


Handlungsfeld 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sa-nitärversorgung für alle gewährleisten

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema Wasserschutz in ihre Strategie aufgenommen hat. Dies ist vor dem Hintergrund, dass zahlreiche deutsche Gewässer unter einer zu hohen Nährstoffbelastung leiden essentiell.

Nitrat im Grundwasser / Indikator 8b

Die zu hohe Nitratbelastung gefährdet die Trinkwassergewinnung und verteuert diese. An rund 18 Prozent aller Messstellen wird der Schwellenwert von 50 mg/I Nitrat im Grundwasser überschritten. Erhöhte oder zu hohe Nitratbelastungen treten besonders häufig in viehstarken Regionen auf. Um hier gegenzusteuern, muss zukünftig eine flächengebundene Tierhaltung mit regionalen Nährstoffkreisläufen etabliert werden. Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung und die Bundesländer dazu auf, die im Entwurf der Düngeverordnung angelegten Länderöffnungsklauseln konsequent zu nutzen, um insbesondere in viehstarken Regionen gegenzusteuern.

Zusätzlich müssen die Tierbestände in Deutschland insgesamt und dabei besonders in den Hotspots höher Bestandsdichten deutlich reduziert werden. Nur so können die Grundwasserleiter dauerhaft vor zu hohen Nitrateinträgen geschützt werden und die EU-Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und zur Reduktion der Ammoniak-Emissionen erreicht werden. Das Ziel „Halbierung der Tierbestände bis 2050“, das auch im ersten Entwurf des „Klimaschutzplanes 2050“ enthalten ist, sollte deshalb mit einem entsprechenden Indikator neu in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden. Parallel dazu muss aus Sicht des Tier,- Klima- und Umweltschutzes die in den letzten Jahren stark gestiegene Produktion von Fleisch zunächst auf einen Selbstversorgungsgrad von 100 % für Deutschland zurückgeführt werden, weswegen die derzeitige offensive Exportstrategie für lebende Tiere und tierische Lebensmittel gestoppt werden muss. Die strategische Ausrichtung der deutschen Tierhaltung sollte sich an den Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik der deutschen Bundesregierung orientieren. Damit die Landwirte diese Empfehlungen umsetzen können, ist eine Implementierung entsprechender Inhalte in der Ausbildung sowie Beratung zu gewährleisten.

Begleitend muss eine Informations- und Motivationskampagne zur Reduzierung des Fleischkonsums durchgeführt werden. Als Zielgröße ist bis 2050 eine Reduzierung des Konsums tierischer Lebensmittel auf das Niveau der der DGE anzusetzen. Wir schlagen daher einen entsprechenden neuen Indikator „Konsum tierischer Lebensmittel“ vor. Ein solcher Indikator würde auch dazu beitragen, die ernährungsbedingten Gesundheitskosten erheblich zu reduzieren und die Ziele aus Handlungsfeld 3 zu realisieren (Adipositasquote von Erwachsenen / Indikator 3e, Adipositasquote von Jugendlichen / Indikator 3f). Gleichzeitig würde so der ökologische Rucksack der deutschen Tierproduktion durch Minimierung von Futtermittelimporten aus anderen Regionen der Welt, bei denen eine nachhaltige Produktion nicht sichergestellt ist, reduziert werden können (= positiver Beitrag zu Handlungsfeld 2).


Handlungsfeld 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern

Deutschland hält weiterhin am Ziel fest, den Anteil erneuerbarer Energien am Brutto Energieverbrauch bis 2015 auf 60 Prozent auszudehnen. Im Kern begrüßen wir dies, allerdings bleibt anzumerken, dass das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in den letzten Jahren insbesondere zu einer überproportionalen Bevorteilung der Biogas-Produktion gegenüber dem Rest der Landwirtschaft geführt hat. Die Bundesregierung hat dies erkannt und 2014 den Versuch unternommen, mit mehreren EEG-Novellen entsprechend gegenzusteuern. Allerdings werden durch die pauschalen Regelungen der EEG-Reformen von 2014 und 2016 ausgerechnet die Biogasanlagen bestraft, die ökologisch vorteilhafte Substrate wie Kleegras einsetzen.

Anteil erneuerbarer Energien am Brutto-Endenergieverbrauch und Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am Stromverbrauch / Indikator 11 a/b

Ein weiterer Ausbau der Produktion erneuerbarer Energien darf nicht zu Lasten anderer Indi-katoren wie Biodiversität, Grundwasserschutz und Öko-Landbau gehen. Dies muss sich auch im der weiteren Ausgestaltung des EEG widerspiegeln. Mit dem EEG muss dafür ge-sorgt werden, dass für den Einsatz in Biogasanlagen Reststoffe eingesetzt werden und der Mais-Anteil am Substrateinsatz deutlich reduziert wird. Für den Anbau dürfen nur Substrate zugelassen und Produktionsverfahren gestärkt werden, die die Bodenfruchtbarkeit stärken, das Grundwasser schützen und die Biodiversität verbessern.

Des Weiteren sollten bei den Ausschreibungen für zukünftige Anlagen und zur Anschlussför-derung von Bestandsanlagen die eingesetzten Substrate bei der Bewertung berücksichtigt werden, damit Anlagen die einen hohen Anteil ökologisch vorteilhafter Substrate einsetzten, mit anderen Anlagekategorien konkurrieren können.


Handlungsfeld 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachs-tum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

Ressourcenschonung – Gesamtrohstoffproduktivität: (BIP + Importe) Raw Material Input (RMI) / Indikator 12, Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge / Indikator 14, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit / Indikator 15

Wir begrüßen das Ziel der Bundesregierung, Deutschland zu einer der effizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften entwickeln zu wollen. Dieses Ziel weiterhin an ein möglichst hohes quantitatives Wirtschaftswachstum zu koppeln, halten wir jedoch für nicht zukunftsfähig, denn es entspricht nicht dem Ziel eines langfristig angestrebten Gleichgewichts in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales). Für eine nachhaltige Wirtschaftsform muss ein angepasster Ordnungsrahmen, der ökologische und soziale Innovationen und Transformationen fördert und stützt, etabliert werden.

Die einseitige Ausrichtung des Wirtschaftssystems an ökonomischem Gewinn und Wachstum ist nicht überlebensfähig, da systemische Belastungsgrenzen überschritten und die Grundlagen für weitere Wirtschaften aufgebraucht werden. Es ist z.B. nicht akzeptabel, dass trotz sinkender Bevölkerungszahl der Flächenverbrauch durch Versiegelung in unserem Land weiter dramatisch zunimmt. Gerade die Ernährungswirtschaft ist ein Wirtschaftsbereich, der vollkommen abhängt von der Verfügbarkeit und Produktivität der zugrundeliegen-den natürlichen Ressourcen. Die Ernährungswirtschaft hat damit ein substanzielles Interesse die Verfügbarkeit und die Leistungsfähigkeit der Ressourcen wie z.B. Gesundheit von Arbeitskräften, Boden, Biodiversität, Klima und Wasser langfristig zu sichern. Die ökonomischen Rahmenbedingungen auf betrieblicher und volkswirtschaftlicher Ebene müssen auf eine ökologisch und sozial optimierte Marktwirtschaft ausgerichtet werden.

Die Regeln für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem und der Maßstab für einzelbetrieblichen und gesellschaftlichen Erfolg müssen deshalb um die Dimensionen Soziales und Ökologie einschließen. Das Prinzip der Nachhaltigkeit muss Grundlage allen Wirtschaftens werden. Dazu ist die Einführung eines Nationalen Wohlstandindex als Indikator für die nachhaltige Wirtschaftsleistung notwendig.

Der ökologische Fußabdruck von Personen, Unternehmen und Staaten muss überprüfbar und auf ein nachhaltiges und global akzeptables Niveau abgesenkt werden.

Der Öko-Landbau ist im Bereich der Urproduktion durch seinen Systemansatz der heute am weitesten entwickelte Ansatz einer angepassten nachhaltigen Technologie und integriert neben ökonomischen auch ökologische Aspekte. Dieser Ansatz muss fortgeschrieben und kreativ auf die anderen Wertschöpfungsglieder der Ernährungswirtschaft und letztendlich auf den gesamten Wirtschaftsprozess übertragen werden. Geeignete ökonomische Modelle existieren. Die Rahmenbedingungen auf staatlicher Seite – wie direkte und partizipative Demokratie, demokratisierte Geldwirtschaft, Bildung für Nachhaltigkeit und globale Gemeinwohlabkommen – müssen auf der Grundlage von Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation und Solidarität weiterentwickelt werden.

Wir schlagen deshalb folgende Maßnahmen vor:

  • Die Wirtschaftsleistung ist mittelfristig mit dem Nationalen Wohlfahrts-Indikator (NWI) zu messen. Hierzu wird für eine Übergangszeit von zehn Jahren das NWI parallel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) erfasst und dargestellt. Danach entfällt die Ermittlung des BIP. Die Orientierung am BIP geht einher mit einer Art von Wachstum, die welt-weit zu enormen Umweltschäden, Artenverlust und Ressourcen-Übernutzung geführt hat. Notwendig ist also ein Index wie der NWI, bei dem solche Negativfolgen volkswirtschaftlich gegenbilanziert werden.
  • Es ist notwendig, die Nutzung und Verschmutzung der sogenannten „freien Güter“ zu ökonomisieren, indem entsprechende volkswirtschaftliche Kosten betriebswirtschaftlich internalisiert und damit den Verursachern zugeordnet werden. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie Maßnahmen zu entwickeln und aufzunehmen, die darauf abheben, die tatsächlich entstandenen Kosten eines Produktes in den Preis aufzunehmen. Nur durch die Internalisierung aller Kosten undinsbesondere der Umweltkosten kann ein Gleichgewicht zwischen Ökologie und Ökonomie und die angestrebten Ziele im Bereich „nachhaltiger Konsum“ erreicht werden, da nicht nachhaltig erzeugte Produkte ansonsten dauerhaft erhebliche Kosten- und damit Preisvorteile realisieren. Preise können nur durch Kostenwahrheit ei-nen fairen Wettbewerb ermöglichen, basierend auf dem Verursacherprinzip: Wer Umweltschäden in seiner Produktion verursacht, muss dafür auch die Kosten tragen.
  • Im Rahmen der Ernährungswirtschaft sind marktwirtschaftlich wirkende Instrumente zum Schutz der Luft, des Wassers, des Bodens und der biologischen Vielfalt einzuführen. So müssen zeitnah Abgaben auf die Nutzung von Stickstoff, Pestiziden und importiertem Eiweißfutter erhoben werden. Die Umlagen sind zweckgebunden zur Unterstützung besonders nachhaltiger Produktionssysteme zu verwenden.
  • Öffentliche Förderprogramme (EFRE, ELER, Bundes- und Landesmittel) für die Wirtschaft, wie z. B.die Förderung von Bauvorhaben, sind an ökologische Kriterien zu binden

Handlungsfeld 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten

Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung die nachhaltige Entwicklung von Städten und Siedlungen zum ersten Mal in die Nachhaltigkeitsstrategie aufnimmt. Damit trägt sie der Entwicklung, hin zu immer größeren urbanisierten Ballungsräumen Rechnung. 2050 werden 75 % der Weltbevölkerung in urbanen Ballungsräumen leben.

Die Städte der Zukunft werden auf eine vielfältige Art und Weise mit dem ländlichen Raum verbunden sein. Zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung gehört es auch, die Landwirtschaft im nahen städtischen Raum verstärkt an die Märkte einer Stadt anzubinden. Kommunen und Städte haben zahlreiche Möglichkeiten, über die Verpflegung in Kantinen öffentlicher Einrichtungen, Schulen, Krankenhäuser oder Behörden, die Bewirtschaftung der Trinkwasserein-zugsgebiete und Angebote zur Ernährungsbildung, die nachhaltige Entwicklung des urbanen Raums voranzutreiben. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, solche Entwicklungen aktiv zu unterstützen, indem sie ein Netzwerk der guten Praxis großer deutscher Städte und Kommunen schafft. Damit diese gemeinsam geeignete Handlungsansätze und Strategien auf kommunaler Ebene zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft entwickeln. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf eine solche Maßnahme in die Nachhaltigkeitsstrategie mitaufzunehmen.


Handlungsfeld 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen

Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer Initiative, die auf die notwendige Veränderung unserer Lebensstile und Wirtschaftsweisen abzielt. Eine nachhaltige Veränderung unserer Lebensweise ist die Basis für eine echte Ernährungswende.

Marktanteil von Produkten und Dienstleistungen, die mit glaubwürdigen und anspruchsvollen Umwelt- und Sozialsiegeln ausgezeichnet sind / Indikator 24a

Energieverbrauch und CO2-Emissionen des Konsums 24 b

Wir begrüßen die unterschiedlichen Initiativen der Bundesregierung zum nachhaltigen Konsum.
Wir halten es für wichtig, dass nachhaltiger Konsum gefördert und unterstützt werden soll. Wir sehen jedoch die Ausrichtung auf isolierte Umwelt- bzw. Sozialstandards für zu kurz gegriffen an. Umweltstandards werden häufig nur auf effizienten Umgang mit Ressourcen geprüft. Darüber hinausgehende Leistungen wie der Erhalt der Biodiversität bzw. der Humusaufbau im Boden und CO2-Sequestration werden nicht berücksichtigt. Der umfassende Nachhaltigkeitsansatz des Ökologischen Landbaus, der vom Nachhaltigkeitsrat bereits als „Gold Standard der Nachhaltigkeit“ ausgewiesen wurde, sollte deshalb auch im Handlungsfeld 12 der Nachhaltigkeitsstrategie eine herausgehobene Rolle spielen.


Handlungsfeld 13: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen

Die Klimakrise stellt eine globale Bedrohung dar. Schnelle und wirkungsvolle Maßnahmen zur Minderung der klimaschädlichen Emissionen und Anpassungen an die Folgen des Klimawandels sind unerlässlich. Auf der Weltklimakonferenz Ende 2015 in Paris hat sich die Weltgemeinschaft für einen Schritt in die richtige Richtung entschieden und sich darauf verständigt, den globale Temperaturanstieg unter 2° Celsius zu halten. Wir begrüßen diesen Schritt, dessen Wirkung jetzt von einer ambitionierten Umsetzung auf nationaler Ebene abhängt.

Treibhausgasemissionen / Indikator 26a

Ein bedeutender Teil der globalen Treibhausgasemissionen resultiert aus dem Konsum- und Ernährungsverhalten der Industrienationen. So könnten Emissionen nachhaltig reduziert werden, wenn z. B. die stark auf tierische Produkte ausgerichtete Ernährung durch einen Ernährungsstil mit einem höheren Anteil pflanzlicher Nahrung abgelöst würde.

Im Jahr 2014 verantwortete die Landwirtschaft in Deutschland 66 Millionen Tonnen CO2 Äquivalente. Werden verschiedene Treibhausgasemissionen mit einbezogen die mit dem Agrarsektor in Verbindung stehen, wie Futtermittelimporte, die Entwässerung von Moorböden und die Düngerproduktion, steigt der Anteil der Treibhausgasemissionen, nach den neuesten Zahlen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, durch die deutsche Landwirtschaft auf 15 %. Die Landwirtschaft ist allerdings nicht nur Täter und Opfer, sondern kann auch Teil der Lösung, wenn der Boden so bewirtschaftet wird, dass er mehr CO2 aufnimmt, als er abgibt und somit als CO2-Senke fungiert. Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass der Öko-Landbau aufgrund des stärkeren Humusaufbaus, des niedrigeren Stickstoff- und Energieinputs und der längeren Nutzungs- und Lebensdauer in der Tierhaltung hier ein erhebliches Potenzial aufweist [6]. Schon im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 wird der Öko-Landbau als eigenständige Maßnahme zu Bekämpfung des Klimawandels erwähnt. Auch im Klimaschutzplan 2050 und in der Nachhaltigkeitsstrategie sollte sich der Öko-Landbau daher als eigenständige Klimaschutzmaßnahme wiederfinden, da er einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgase leisten kann.

Eine zentrale Maßnahme zur Reduzierung der Treibhausgase aus der Landwirtschaft ist die deutliche Reduzierung der Tierbestände insbesondere in den Hot-spots hoher Bestandsdichten (siehe Ausführungen zur Ernährungsbildung und zum Wasserschutz unter den Handlungsfeldern 2 bzw. 6). Das Ziel „Halbierung der Tierbestände bis 2050“ sollte mit einem entsprechenden Indikator neu in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden.

Neben Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft sollte die Nachhaltigkeitsstrategie auch Klimaschutzaspekte in der weiteren Wertschöpfungskette berücksichtigen. Die Nutzung etwa von erneuerbaren Energien oder Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im Verarbeitungs- oder Handelsbereich sollte weiter vorangetrieben und politisch stärker gefördert werden (Verzahnung mit Handlungsfeld 7). Um Unternehmen bessere Möglichkeiten für eine seriöse Kommunikation ihres Klimaschutzengagements gegenüber ihren Kunden zu geben, sollte die Bundesregierung die Entwicklung wissenschaftlich abgesicherter und standardisierter Methoden zur Erfassung von CO2-Bilanzen („CO2-Rechner“) forcieren und damit eine Harmonisierung der derzeit zahlreichen konkurrierenden und z. T. widersprüchlichen Systeme unterstützen.


Handlungsfeld 15: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation beenden und umkehren und dem Verlust der Biodiversität ein Ende setzen

Wir unterstützen das Ziel der Bundesregierung, die Bodendegradation zu beenden und umzukehren. Darüber hinaus finden wir es wichtig, dass für die Veränderung der Bodenqualität ein eigener Indikator und eine eigene Sektoralstrategie erarbeitet werden soll. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, hier den Öko-Landbau als eigenständige Maßnahme zu integrieren. Öko-Landbau ist aktiver Bodenschutz, da durch vielfältige Fruchtfolgen und durch hu-musbildende Düngung mit Mist und Kompost das Bodenleben gefördert wird. Auch der biologische Pflanzenschutz ohne chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide schont unsere Böden. Ökologisch bewirtschaftete Böden können nachweislich mehr Wasser aufnehmen und stellen somit ein wirksames Mittel gegen Überschwemmungen dar [7]. Darüber hinaus können fruchtbare Böden durch Humusbildung der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen und so den Klimawandel bremsen.


Fazit

Im Grundsatz bewerten wir den Entwurf der Neuauflage der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie positiv. Wir unterstützen den Ansatz; direkten Bezug auf die SDGs zu nehmen. Allerdings sind viele Ziele und Maßnahmen nicht ambitioniert genug, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen.
Trotz des Versuches, die möglichen Synergieeffekte zwischen den SDGs herauszustellen, liegt der Fokus nach wie vor zu stark auf Einzelaspekten. Hier könnte der Öko-Landbau eine wesentlich stärkere Rolle spielen, da die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft in ihren Wertschöpfungsketten alle Aspekte, vom Anbau, Transport, Verarbeitung und Konsum mit in Betracht zieht und somit Nachhaltigkeit in der Breite lebt. Durch eine zentralere Rolle der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie könnten zahlreiche Synergieeffekte erzielt, Zielkonflikte aufgelöst und Impulse auch für andere Wirtschaftsbereiche gegeben werden.


[1] ToLauren C. Ponisio e.a. University of California, Berkeley, 11-2014
[2] BMELV, „Zahl der Woche“ vom 8.11.2012
[3] Hoffmann, Ingrid und Spiller, Achim (2010) Auswertung der Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II): eine integrierte verhaltens- und lebensstilbasierte Analyse des Bio-Konsums.
[4] z. B. KOLBE, H. (2000): Landnutzung und Wasserschutz. Der Einfluss von Stickstoff-Bilanzierung, Nmin-Untersuchung und Nitrat-Auswaschung sowie Rückschlüsse für die Bewirtschaftung von Wasserschutzgebieten in Deutschland. WLV Wissenschaftliches Lektorat & Verlag, Leipzig
[5] Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird eine Einschätzung von Kohlmeier et al. von 1990 nach wie vor als valide erachtet, derzufolge ein Drittel der Gesamt-Gesundheitskosten auf ernährungsbedingte Krankheiten zurückgeht (Bundestags-Drucksache 17/3808, aktualisiert auf Gesamtvolumen der Gesundheitskosten in 2014)
[6] Gattinger, A. et al. (2012): Enhanced top soil carbon stocks under organic farming. In: PNAS, 15. Oktober 2012, doi: 10.1073/pnas.1209429109
[7] Kommission Bodenschutz beim UBA, s. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/boeden-als-wasserspeicher


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