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Pressemitteilung

BÖLW fordert sachgerechte Erfolgsmessung und Harmonisierung mit EU-Bio-Recht

EU-Regelung zur Pestizidreduktion

Berlin, 18.07.2023. Am 19.07.2023 findet im Agrarausschusses des Europäischen Parlaments eine Beratung zur Sustainable Use Regulation (SUR, Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln) statt. Dies kommentiert der geschäftsführende Vorstand des BÖLW, Peter Röhrig:

„Der Green Deal der EU, die globalen Ziele der UN-Biodiversitätskonvention für 2030 wie auch die Zukunftskommission Landwirtschaft in Deutschland sagen klar, dass ein „Weiter so“ beim Einsatz von Pestiziden keine Option ist. Wir brauchen eine starke und intakte Artenvielfalt als Grundlage für resiliente Ökosysteme und eine krisenfeste, sichere Ernährung. Der hohe Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide ist Mitverursacher der Biodiversitätskrise, in der wir uns befinden. Daher ist es richtig, dass die SUR Pestizidmenge und -risiko mindern will und jetzt zügig auf den Weg gebracht wird.
Mit seinem systemischen Ansatz zur Gesunderhaltung von Pflanzen zeigt der Öko-Landbau schon heute, wie eine Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide funktioniert.

Entscheidend für eine wirksame SUR ist, wie die Pestizidreduktion gemessen wird. Der geplante Indikator wurde vielfach als untauglich kritisiert. Auch vom Europäischen Rechnungshof. Denn der Fokus auf die eingesetzten Wirkstoffmengen, ohne adäquat die Risiken zu berücksichtigen, führt zu massiver Verzerrung. So können Pestizide mit geringem Risiko mit dem Indikator plötzlich als riskanter gewertet werden als besonders gefährliche. Es liegen konkrete Vorschläge für eine sinnvolle und zielführende Anpassung vor. Wir appellieren an die EU-Parlamentarier diese Vorschläge zu unterstützen.

Wichtig ist auch, dass die Vorgaben der SUR mit der EU-Öko-Verordnung harmonisiert werden. Daher muss die SUR die Definition von chemisch-synthetischen Wirkstoffen und Naturstoffen der EU-Öko-VO aufgreifen. Nur so kann für den Öko-Landbau ein kohärenter Rechtsrahmen geschaffen werden, was wichtig ist, um das EU-Ziel von 25 Prozent Öko-Landbau erreichen zu können.“

Hintergrund

Im Juni 2022 hatte die EU-Kommission ihren Verordnungsentwurf für den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorgestellt. Auf die anhaltende Kritik vor allem hinsichtlich des kompletten Pflanzenschutzmittelverbotes in Schutzgebieten, hatte die EU-Kommission im November 2022 reagiert indem beispielsweise die Gebietskulisse als auch die verbotenen Wirkstoffgruppen eingegrenzt wurden. Im Dezember 2022 hatten die Mitgliedsstaaten die Kommission um eine erneute Folgenabschätzung gebeten – sie liegt seit Anfang Juli vor. Darin bekräftigt die Kommission, dass Reduktionsziele bis 2030, gerade auch in Verbindung mit einer Ausweitung des Öko-Landbaus, möglich sind und dass diese aus Sicht der Kommission keine kritischen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in der EU haben werden. Vielmehr stellt die Kommission in ihrer Folgenabschätzung klar, dass nur mit einem effektiven Schutz der Artenvielfalt die Ernährungssicherheit langfristig sichergestellt werden kann. Dazu müsse es aber einen anderen Umgang mit Pestiziden geben. Es ist geplant, dass Änderungsvorschläge aus den Umwelt- und Agrarausschüssen des EU-Parlaments im Oktober im Plenum abgestimmt werden. Dieser Zeitplan ist nun nicht mehr sicher, da sich die Beratungen in den Ausschüssen verzögern. Die EU-Agrarminister wollen am 25. Juli 2023 die Ergebnisse der neuen Folgenabschätzung beraten. Sollte das Gesetzgebungsverfahren nicht bis zur Europawahl Mitte 2024 abgeschlossen sein, droht der Kommission unter Ursula von der Leyen ein Scheitern hinsichtlich der im Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie formulierten Umweltziele.

Die Kritik am von der Kommission vorgeschlagenen „Harmonisierten Risiko Indikator 1“ (HRI 1) bezieht sich im Wesentlichen auf die Überbewertung der eingesetzten Wirkstoffmenge, ohne adäquat tatsächliche Risiken gegenzuhalten. So wird beispielsweise eine Behandlung von Backpulver, welches als Wirkstoff mit geringem Risiko in der Anwendung gegen Apfelschorf gilt, mit der Berechnung im HRI ein achtmal höheres Risiko attestiert als einer chemisch-synthetischen Entsprechung, welche sogar als besonders gefährlich, nämlich als Substitutionskandidat gilt, aber im Vergleich zu Backpulver nicht mit mehreren Kilogramm, sondern nur im zweistelligen Grammbereich, eingesetzt wird. Mit den sinnvollen Gegenvorschlägen auf Grundlage bereits in EU-Mitgliedsstaaten verwendeten Indikatoren, könnten die Probleme des HRI 1 einfach verbessert werden (siehe z.B. UBA und IFOAM).

Aktuell unterscheidet die SUR zwischen „chemischen“ und „biologischen“ Wirkstoffen. Letztere Kategorie ist beinahe deckungsgleich mit den „Naturstoffen“ in der Öko-Verordnung, schließt aber mineralische Wirkstoffe, wie Backpulver, aus. Da die SUR den Öko-Landbau als wichtiges Instrument zur Zielerreichung nennt und in den Vorschlägen zur Weiterentwicklung teilweise besondere Regelungen für die Wirkstoffe, die im Ökolandbau erlaubt sind, genannt werden, sollte eine Anpassung der Definitionen in der SUR erfolgen.


Mehr darüber, wie Pflanzen im Ökolandbau gesund gehalten werden unter: www.boelw.de/themen/pflanze/gesundheit/


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Ein Foto von Peter Röhrig finden Sie zur Veröffentlichung im Zusammenhang mit dieser Meldung auf https://www.boelw.de/service/mediathek/personen/

Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeugerinnen, Verarbeiter und Händlerinnen von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von über 55.000 Bio-Betrieben 15,3 Milliarden Euro umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind unter anderem Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessengemeinschaft BioMarkt, Naturland, Arbeitsgemeinschaft Ökologisch engagierter Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.

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