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Bio in der Gemeinschaftsgastronomie

Großes Potenzial für heimische Landwirtschaft und gute Ernährung

Berlin, 12.02.2020. Immer mehr Menschen essen auswärts – in der Kantine, im Supermarkt-Bistro, in Restaurants oder Mensen. Nachhaltig essen mit Bio-Produkten ist ein Zukunftstrend. Bringt man beide Entwicklungen zusammen, kann ein großes Potenzial freigesetzt werden: für die gesunde Ernährung vom Kindergarten bis ins Seniorenheim und für heimische Bio-Bauern.

11,8 Mrd. Mahlzeiten aßen die Deutschen 2018 außer Haus, damit wurden 80,6 Mrd. € umgesetzt. Die Gemeinschaftsverpflegung, also Betriebskantinen, Bildungs- und Pflegeeinrichtungen, verköstigte täglich 16,5 Mio. Menschen. Allein die Kantinen deutscher Behörden gaben 2018 jeden Tag 58.000 Essen aus. Die Kosten für ernährungsbedingte Krankheiten in Deutschland liegen bei rund 70 Mrd. € jährlich – durchschnittlich 853,65 € für jeden Bundesbürger – das sind fast 200 Mio. € pro Tag. Bislang misslingt es, diese Kosten günstig und effizient zu senken und die Gemeinschaftsverpflegung in diesem Sinne besser zu nutzen.

Für viele Tischgäste ist Nachhaltigkeit wichtig. Immer mehr Küchen greifen das auf und kochen mit Bio-Zutaten. Die Küchen und andere Akteure erkennen schon heute das große Potenzial, das in der Gemeinschaftsverpflegung schlummert. Denn gutes Essen mit hochwertigen Zutaten kann sich direkt positiv auf Gesundheit, Wohlbefinden und Essgewohnheiten auswirken. Erstaunlich ist auch der mittelbare Einfluss von hohen Bio-Anteilen in der Küche: Durch die andere Kostenstruktur bei Bio – tierische Produkte sind im Schnitt teurer – verändert sich auch das Kochen: Weniger Fleisch, mehr Frischzutaten und weniger Zusatzstoffe kommen in den Topf und auf die Teller. Mit mehr Frische schmeckt das Essen besser und am Ende wird weniger weggeworfen. Gelingt diese Umstellung in den Küchen, können die Kosten niedrig gehalten werden, die Gemeinschaftsverpflegung bleibt bei höherer Qualität günstig.

Heimische Öko-Zutaten bieten außerdem die große Chance, dass die Bauern ihre Produkte regional absetzen können. Und mehr Öko-Landbau tut Artenvielfalt, Klima und Böden gut – weshalb die Bundesregierung bis 2030 das Ziel von 20 % Bio-Fläche erreichen will.

Vorreiter zeigen schon heute, wie das Potenzial von Bio in der Gemeinschaftsverpflegung gehoben werden kann: Berlin schreibt 50 % Bio im Mittagessen der Grundschulen ab 2021 vor und finanziert eine umfassende Beratung. Auch in den Flächenländern tut sich etwas: Die Zahl der Öko-Modell- und Musterregionen in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg steigt, auch Niedersachsen startete Ende 2019 drei Öko-Modellregionen. Ein Kerninstrument für die Bio-Absatzförderung von München bis Hannover: Gemeinschaftsverpflegung. Zusätzlich investieren auch immer mehr private Unternehmen in eine nachhaltige und gute Betriebsgastronomie – für gesunde und zufriedene Mitarbeiter.

Der Bund kann eine Pionierrolle für mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung einnehmen – als Teil einer umfassenden Ernährungsstrategie – und damit Länder und Kommunen motivieren, in Kantinen, Schulen und Kitas in öffentlicher Hand mit mehr Bio-Zutaten zu kochen sowie er-nährungsphysiologische Mindeststandards umzusetzen. Aktuell sind jedoch nur vier von 148 behördeneigenen Kantinen des Bundes für eine nachhaltige Verpflegung nach Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ausgezeichnet. Und wie viele Bio-Produkte in den Küchen eingesetzt werden, kann der Bund gar nicht sagen. Geschätzt wird der Bio-Anteil in der Gemeinschaftsverpflegung bundesweit auf knapp 1 %.

Wie mehr Bio in Schulen, Krankenhäusern oder Behörden mit politischem Willen möglich ist, zeigen Deutschlands Nachbarn: Österreichs Regierungsprogramm sieht eine Bio-Quote 55 % bis 2030 vor, gemeinsam mit 100 % regionaler und saisonaler Beschaffung. Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen ist mit dem Motto „Jeder hat ein Recht auf gutes Essen“ und 90 % Bio-Anteil in seinen Einrichtungen Europas Spitzenreiter – und das bei gleichen Kosten wie zuvor.

Die Kombination aus Öko-Landwirtschaft, regionalen Bio-Waren und saisonal abgestimmten Speiseplänen in den Küchen sowie Ernährungsbildung ist der Königsweg für jede nachhaltige Gemeinschaft und ihre Verpflegung. Herausforderungen gibt es auf dem Weg dorthin natürlich viele. Aber immer mehr Köche, Bauern und Händler meistern Hürden heute schon und können Kommunen und Küchen bei ihrer Umstellung Vorbild sein. Eine aktive Ernährungspolitik kann dafür den Rahmen setzen und damit das Potenzial der Gemeinschaftsverpflegung heben – um die eigenen Nachhaltigkeits- und Gesundheitsziele kostengünstig zu erreichen und den Bauern Zukunftsperspektiven zu sichern. Würden alle Kantinen des Bundes nur auf 50 % Bio umgestellt und die Zutaten dafür größtenteils bei heimischen Bauern eingekauft, hätte die Bundesregierung bereits einen großen Schritt in Richtung des eigenen 20 %-Öko-Ziels getan.

AutorInnen: Peter Schmidt, Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) & Joyce Moewius