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Position

Agrarökologie stärken

Für eine grundlegende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme

Berlin, 18.01.2019. Ein gemeinsames Positionspapier des BÖLW und 55 weiteren Organisationen, die eine Orientierung hin zu agrarökologischen Systemen einfordern. Lesen Sie hier Auszüge aus dem Papier. Am Ende des Artikels finden Sie das gesamte Stück zum Download.

Gemeinsam für naturnahe bäuerliche Anbausysteme und solidarische Lebensräume

Es ist Bewegung in die internationale Agrarökologie-Debatte gekommen. Immer mehr Menschen aus Bewegungen, Wissenschaft, Organisationen und Verbänden sowie einigen Regierungen haben verstanden, dass ein „Weiter-wie-bisher“ keine Option ist. Das hatte der Weltagrarbericht schon 2009 postuliert. Inzwischen ist die Botschaft angekommen. Die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft sind seit Langem offensichtlich. Beispielhaft zu nennen sind Wasserknappheit, Artensterben, hohe Treibhausgasemissionen, Bodendegradation und Landraub. Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Schäden gefährden die bäuerlichen Lebensgrundlagen und die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme an die bereits spürbaren Folgen der Klimakrise. Das Geschäftsmodell der internationalen Pestizid- und Saatgutkonzerne basiert auf dem Konzept der Grünen Revolution, die Erträge durch massiven Einsatz von künstlichem Mineraldünger und Pestiziden zu steigern. Doch dieses System gerät immer stärker unter massiven Rechtfertigungsdruck.

Obwohl die Menge an erzeugten Nahrungsmitteln ausreichen würde, um zehn Milliarden Menschen zu ernähren, ist die Zahl der Hungernden in den letzten drei Jahren wieder gestiegen. Sie liegt auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Nach Schätzungen der UN sind derzeit mehr als 820 Millionen Menschen unterernährt – 15 Millionen mehr als im Jahr 2016. Zwei Milliarden Menschen sind mangelernährt und weitere 1,9 Milliarden Menschen übergewichtig. Das zeigt, dass die gegenwärtigen Agrar- und Ernährungssysteme nicht in der Lage sind, für eine gute Ernährung für alle Menschen zu sorgen. Das belegen auch viele wissenschaftliche Studien (siehe Quellverweise im Dokument).

Das Konzept der Agrarökologie bietet zahlreiche Lösungen für die grundlegende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme. Um Agrarökologie zu stärken, müssen die verfehlten Agrar-, Handels-, Forschungs- und Subventionspolitiken grundlegend und schnell geändert werden.

Agrarökologie als Alternative zur industriellen Landwirtschaft

Agrarökologie ist die Alternative zur industriellen Landwirtschaft, sie stärkt die bäuerliche Landwirtschaft und sichert gute Arbeit auf dem Land. Der Transformationsprozess hin zur Agrarökologieist jedoch vielschichtig, denn Agrarökosysteme sind sehr unterschiedlich und komplex, so dass es nicht eine Herangehensweise für alle Situationen geben kann. Agrarökologische Transformationsprozesse basieren auf einem Bottom-up-Ansatz, das heißt die lokale Bevölkerung, bäuerliche Erzeuger*innen, Verarbeiter*innen und  Vermarkter*innen gestalten die Veränderungen selbst, anstatt sie „von oben“ von Staaten, Unternehmen und internationalen Organisationen verordnet zu bekommen.

Agrarökologie zielt auf eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Umgestaltung der Agrar- und Ernährungssysteme ab, in denen die Bauern und Bäuerinnen, handwerkliche Verarbeiter*innen und Verbraucher*innen im Zentrum der Entscheidungen stehen. Das Konzept baut auf den grundlegenden Prinzipien des ökologischen Landbaus auf, zu denen vornehmlich der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, der Kreislauf von Boden-Pflanze-Tier und Mensch sowie die Unabhängigkeit der Betriebe von externen Betriebsmitteln gehören. Insgesamt sind die Grundsätze der Agrarökologie einer umfassend ökologisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung verpflichtet.

Das Potenzial von Agrarökologie ausschöpfen

Agrarökologie entwickelt Lösungsansätze für viele soziale und ökologische Probleme in Landwirtschafts- und Ernährungssystemen in Zeiten des Klimawandels. Sie gründet dabei auf folgenden gleichberechtigten Elementen:

  1. Mehr Vielfalt über und unter der Erde
  2. Mehr Resilienz und Anpassung an die Klimakrise
  3. Selbstregulationsfähigkeit im Agrarökosystem stärken
  4. Mehr Kontrolle über Lebensgrundlagen
  5. Bäuerliche Agri-Kultur stärken
  6. Gesunde Ernährung und lokale Versorgung stärken
  7. Weniger Abhängigkeit, mehr Autonomie
  8. Gleichberechtigung von Frauen und Männern
  9. Mehr Beteiligung und Mitsprache
  10. Förderliche Politiken und partizipative Forschung

Forderungen an die Bundesregierung

Mit Agrarökologie lassen sich viele der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) erreichen. Bislang stehen die politischen Rahmenbedingungen einer Entwicklung hin zu Agrarökologie auf vielen Ebenen entgegen, unter anderem in der Agrar-, Ernährungs-, Handels-, Bioökonomie-, Saatgut oder Patentpolitik. Auch in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) spielt Agrarökologie nur eine  marginale Rolle. Die Forderungen der Organisationen setzen an den Politkfeldern an:

  1. Politische Rahmenbedingungen
  2. Entwicklungszusammenarbeit
  3. Forschung und Beratung
  4. Klima und Landwirtschaft
  5. Europäische Union
  6. UN-Welternährungsausschuss

Konkrete Maßnahmen in den Feldern sind im PDF-Dokument beschrieben.