Berlin, 07.12.2022. Der Krieg gegen die Ukraine verschärft die Marktbedingungen für den gesamten Lebensmittelsektor und so auch für Bio: Eine massiv veränderte Preisstruktur bei Rohwaren und Logistik, Versorgungsengpässe, Energieverteuerungen sowie Verunsicherungen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern veränderten das Kaufverhalten und somit die Wirtschaftslage der Branche. Das zuletzt sehr dynamische Wachstum bei Bio ist aktuell gebremst.
Fragestellungen, mit denen Bio in der öffentlichen Wahrnehmung zurecht verknüpft werden, wie Umweltschutz oder gesunde Ernährung, finden in den aktuellen Debatten wenig Widerhall. Stattdessen stehen aufgrund des Krieges Themen im Fokus wie Versorgungssicherheit oder Ertragsmenge, bei denen die Leistungen von Bio zum Teil (noch) nicht anerkannt werden. Zudem verdrängt die fortlaufende politische, mediale und gesellschaftliche Aufarbeitung des Ukraine-Krieges dringliche Umwelt- und Klimathemen von der täglichen Werte- und Umsetzungs-Agenda.
Es überlagern sich zwei große Krisen:
- Die globale, menschengemachte Umweltkrise (Klima, Artenvielfalt, Wasser), die mit dem Ukraine-Krieg nicht geringer geworden ist.
- Unterbrochene, gestörte Versorgungswege im globalen Handel und steigende Preise verschärfen den Hunger im globalen Süden. Die Abhängigkeit von Dünger-Importen sowie Importen von fossiler Energie für die Düngemittelherstellung gefährden auch die Nahrungsmittelproduktion in Deutschland.
Das leistet Bio für die Lösung der Krisen:
- Sicherheit: Bio-Lieferketten sind oft deutlich kürzer und direkter organisiert und so weniger anfällig für Störungen im globalen Handelsverkehr. Zudem sind die Unternehmensstrukturen entlang der Wertschöpfungskette (v.a. Verarbeitung & Handel) insgesamt kleinteiliger und oftmals stärker regional sowie dezentral organisiert. Diese Struktur garantiert eine hohe Verfügbarkeit von frischen, unbehandelten und somit gesunden, regionalen Lebensmitteln.
- Unabhängigkeit und Inflationsbremse: So wie uns erneuerbare Energien vor kritischen Abhängigkeiten und katastrophalen Umweltschäden schützen können, macht Bio unabhängig von problematischen Inputs wie energieaufwendig herzustellendem, mineralischem Stickstoffdünger, der noch dazu häufig aus Russland, Iran oder aus Katar importiert wird. Mit ihrer ressourcenschützenden Kreislaufwirtschaft produzieren Bio-Höfe ihren organischen Dünger in wesentlichen Teilen selbst und machen so unsere Landwirtschaft sicherer, souveräner und unabhängiger. Hier bei uns vor Ort und ebenso im globalen Süden.
- Klimaschutz: Bio-Landwirtschaft sorgt für mehr Klima-, Arten- und Wasserschutz. Es wird kein mineralischer Stickstoffdünger eingesetzt, der mit viel fossiler Energie hergestellt und importiert werden muss. Durch einen gezielten Einsatz von organischen Düngemitteln werden zudem weniger Treibhausgase freigesetzt. Durch vielfältige Fruchtfolgen wird vorbeugender Pflanzenschutz betrieben, durch den Anbau von Kleegras und organische Düngung mit Mist und Kompost wird Humus im Boden aufgebaut und so Kohlenstoff aus der Luft gebunden.
- Natur- und Umweltschutz: Bio sorgt für sauberes Wasser, Artenvielfalt und fruchtbare Böden. Denn bei Bio werden keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt. Auf über 95 Prozent der Bio-Flächen werden die Bio-Pflanzen ausschließlich mit vorbeugenden Maßnahmen, wie bspw. abwechslungsreichen Fruchtfolgen, gesund erhalten. Genauso wichtig für die Umwelt ist der effiziente Umgang mit organischen Düngern. Somit sorgt Bio mit seiner ressourcenschützenden Kreislaufwirtschaft für resiliente Anbausysteme, die die planetaren Belastungsgrenzen respektieren und enkeltauglich sind.
- Artgerechte Tierhaltung: Bio-Tiere haben viel Platz im Stall und auf der Weide. Bio-Bäuerinnen und Bauern halten nur so viele Tiere auf ihren Flächen, wie Umwelt und Klima vertragen. Bio-Futter für die Tiere muss zu einem großen Teil vom eigenen Betrieb bzw. aus der Region kommen. Diese Bio-Regeln bewirken eine konsequente Minderung des Antibiotikaeinsatzes.
- Keine Gentechnik: Die Anwendung von Gentechnik ist bei Bio tabu, denn die technische Manipulation greift direkt ins Genom von Pflanzen und Tieren ein. Dies birgt Risiken für Gesundheit und Umwelt und widerspricht dem Selbstverständnis von Bio. Gentechnik ist teuer und riskant, ein Großteil der Bürger in Deutschland und Europa lehnen die Risikotechnologie auf dem Acker und dem Teller ab. Bio-Züchterinnen und -Züchter setzen auf Vielfalt und zeigen bereits heute, wie erfolgreiche Sorten gute und stabile Erträge liefern und Problemlöser für Hunger- und Umweltfragen sind. Ganz ohne den Einsatz von Gentechnik. Alle, die Bio herstellen, produzieren mit handwerklichem Können, natürlichen Zutaten und innovativen Verarbeitungstechniken gentechnikfreies Qualitätsessen. Ohne Gentechnik bleiben Züchterinnen und Landwirte unabhängig und werden nicht in Patentstreitigkeiten hineingezogen.
- Wo Bio drauf steht, ist Bio drin: Das regelt die EU-Öko-Verordnung – das Bio-Grundgesetz. Es ist seit 1991 der mit Abstand höchste gesetzliche Standard der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Die klaren Regeln gelten von der Öko-Pflanzenzüchtung über die artgerechtere Tierhaltung, die schonende Lebensmittelherstellung und setzen auch den Standard für importierte Ware und Rohstoffe. Zentrales Element ist die engmaschig staatlich überwachte Öko-Kontrolle. Die EU-Öko-Verordnung sorgt für fairen Wettbewerb und schützt Verbraucherinnen und Verbraucher vor Irreführung bei Bio-Produkten.
Bio zeigt jeden Tag auf dem Feld und im Stall, dass es die unmittelbare und funktionierende Lösung für die Krisen ist, in denen wir uns aktuell befinden: Denn Bio sorgt für weniger Abhängigkeit von fossiler Energie, mehr Umwelt und Klimaschutz sowie für eine sichere und gesunde Ernährung. Daher bleibt das 30 Prozent-Bio-Ziel der Bundesregierung und ähnliche Ziele der EU (25 Prozent) und vieler Bundesländer richtig und wichtig, denn nur so kann Gesellschaft die Land- und Ernährungswirtschaft zukunftsfähig gestalten. Selbstverständlich muss die Entwicklung am Markt stattfinden.
Was die Politik jetzt tun muss:
- Es ist Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen der Marktentwicklung so zu gestalten, dass sich eine ressourcenschützende Land- und Lebensmittelwirtschaft etablieren und das gesetzte Bio-Ziel bis 2030 erreicht werden kann. Die Bio-Unternehmen stehen bereit, ihren Beitrag zu leisten und ihre Expertise einzubringen.
- Zentral ist die Herstellung einer fairen Wettbewerbssituation. Die konventionelle Landwirtschaft verursacht im Jahr 90 Mrd. Euro an Umweltschäden, diese Schäden liegen mehrfach höher als die Wertschöpfung in der Landwirtschaft. Sie sind nicht Teil des Produktpreises. Bio vermeidet diese versteckten Kosten. Die Preise an der Kasse entsprechen demnach nicht den wahren Kosten. Das muss sich ändern: durch eine Steuer auf Pestizide und Stickstoffüberschüsse und einen vergünstigen Mehrwertsteuersatz auf Bio-Produkte. Damit kann das Marktversagen bei der Nutzung von Umweltgütern verringert werden.
- Bio muss in der Außerhausverpflegung gestärkt werden: mindestens 50 Prozent Bio in Kitas, Schulen, Kantinen, Mensen, Kliniken, bei Bundeswehr und Polizei. So kommen wir einer besseren Landwirtschaft und Ernährung einen großen Schritt näher. Dazu muss der Bund die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen schaffen und die Küchen bei der Umstellung unterstützten. Wir wissen aus Dänemark, dass mehr Bio im Menü für bessere Mahlzeiten sorgt und die Menüs nicht teurer werden.
- Um das 30 Prozent-Bio-Ziel zu erreichen, braucht es schnell eine staatliche Informationskampagne, die Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informiert, was Bio-Produkte ausmacht und wie sie helfen, unsere Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Jede Gesetzgebung muss darauf ausgerichtet werden, die Erreichung der Umwelt- und Bio-Ziele zu ermöglichen. Das gilt bei der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) genauso wie für die Tierhaltungskennzeichnung oder das Düngerecht etc.
- Öffentliche Forschungsinvestitionen zur Weiterentwicklung der Bio-Land- und Ernährungswirtschaft müssen entsprechend des 30 Prozent-Zieles deutlich ausgebaut werden. Hierfür sind Förderungsprogramme für neue Forschungsinstitutionen nötig.
- Die Unternehmen, die die Transformation des Ernährungssektors voranbringen, aber jetzt aufgrund massiv steigender Energiepreise in Schwierigkeiten geraten, müssen jetzt unterstützt werden. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Energie bezahlbar bleibt. Wir erwarten, dass diejenigen, die wie viele Bio-Unternehmen bereits seit Jahrzehnten in erneuerbare Energien investiert haben und so deren Ausbau förderten, jetzt nicht für Fehlentscheidungen bei der Energiepolitik zahlen müssen.
Das Ziel von 30 Prozent Bio kann auch nur erreicht werden, wenn alle Politikbereiche daran mitwirken, wenn das Wirtschaftsministerium mit auf Nachhaltigkeit fokussierten Förderprogrammen und Bio-Gründungsfonds, das Finanzministerium mit einer ökologischen Steuerreform, das Forschungsministerium mit gut ausgestatteten Öko-Forschungsprogrammen und mehr Bildung zu Bio, das Umweltministerium mit Konzepten, die das volle Umweltleistungspotenzial von Bio heben, das Verteidigungsministerium durch Bio-Verpflegung der Bundeswehr und nicht zuletzt das Landwirtschaftsministerium in allen Gesetzgebungsverfahren von der GAP bis zur Kennzeichnung von Bio einplant.
Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeugerinnen, Verarbeiter und Händlerinnen von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von rund 54.500 Bio-Betrieben 15,87 Mrd. € umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind unter anderem: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe. Wer wir sind: https://www.boelw.de/ueber-uns/mitglieder/