Berlin, 30.11.2021. Ziel der neuen EU-Agrarpolitik (GAP) ist es, dazu beizutragen, dass die gesellschaftlichen und staatlichen Anforderungen im Bereich Artenvielfalt, Klima- und Gewässerschutz erreicht werden können und immer mehr Bäuerinnen und Bauern eine positive Betriebsentwicklung ermöglicht wird. Ein wichtiges Instrument dafür ist der Öko-Landbau. Viele Bundesländer haben eigene ambitionierte Ziele in dem Bereich festgelegt, um Höfen und Umwelt eine Perspektive zu geben. Der Koalitionsvertrag der zukünftigen Bundesregierung stärkt diese Ambition mit seinem 30 % Öko-Ziel bis 2030. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine nationale Umsetzung der GAP, die dazu beiträgt, die Chancen des Bio-Marktes für die heimische Produktion zu nutzen. 2020 ging diese Entwicklung deutlich auseinander: Während der Markt um 22 % zulegte, lag das Flächenwachstum deutschlandweit bei lediglich 5,5 %. Ein Teil der Zurückhaltung bei der Vielzahl der grundsätzlich umstellungsbereiten Betriebe ist der Debatte um die EU-Agrarreform zuzuschreiben, die für Planungsunsicherheiten bei den Bäuerinnen und Bauern sorgt.
Die Durchführungsverordnungen zur Umsetzung der GAP stehen nun zur Entscheidung im Bundesrat. Dazu nimmt die Ökologische Lebensmittelwirtschaft hier Stellung. Besonders wichtig sind folgende Verbesserungen:
- Alle Eco-Schemes müssen konventionellen als auch den über die 2. Säule geförderten Bio-Betrieben (Einführung und Beibehaltung des ökologischen Anbauverfahrens) in gleichem Umfang zugänglich sein. Eco-Schemes müssen so gestaltet werden, dass keine Doppelförderung mit der Öko-Landbauförderung in der 2. Säule gegeben ist.
- Erweiterung des Eco-Scheme 4 „Extensivierung des gesamten Dauergrünlandes“, so dass es auch von extensiv wirtschaftenden Milchviehbetrieben in Anspruch genommen werden kann.
- Das Eco-Scheme 6 „Verzicht des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln“ sollte angepasst oder in die 2. Säule verschoben werden.
- Umweltleistungen der ökologischen Wirtschaftsweise bei der Konditionalität angemessen berücksichtigen.
Zu 1: In der Verbände-Anhörung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 14.10.2021 zum GAP-Direktzahlungen-Verordnungs-Entwurf, wurde seitens des Ministeriums betont, dass alle Eco-Schemes Bio-Betrieben offenstehen sollen, ohne die gleichzeitige Förderung des Öko-Landbaus auszuschließen. Andernfalls würde das Risiko bestehen, dass Bio-Betriebe im Fördergefüge schlechter gestellt werden, obwohl sie in besonderem Maße Umweltleistungen erbringen. Die Folge wären Rückumstellungen und vermindertes Öko-Flächenwachstum durch eine Verminderung der Umstellungsbereitschaft trotz steigender Nachfrage. Konkret trifft dies bspw. auf das Eco-Scheme 2 “Anbau vielfältiger Kulturen mit mindestens fünf Hauptfruchtarten“ zu. Es geht über die Anforderungen der EU-Öko-VO hinaus und muss somit auch von Bio-Betrieben in Anspruch genommen werden dürfen. Die im VO-Entwurf angesetzten 30 € pro Hektar sind sehr niedrig angesetzt – aktuell bieten einige Bundesländer die Maßnahme mit gleichen Anforderungen wie das geplante Eco-Scheme an, allerdings mit deutlich höheren Prämien. Nordrhein-Westfalen etwa gleicht die vielfältige Fruchtfolge mit 125 € aus, Bayern mit 85 €. Gleichzeitig ist die Nutzung der Maßnahme in den Bundesländern überschaubar. Im GAK-Rahmenplan sind 90 € für die Maßnahme vorgesehen. Die Förderung sollte mit 60 € pro Hektar budgetiert werden, um eine Mindestnutzung zu gewährleisten. Das zuletzt abgesenkte Budget für diese Maßnahme sollte rückgängig gemacht werden.
Zu 2: Der Entwurf des Eco-Scheme 4 „Extensivierung des gesamten Dauergrünlands“ zielt auf extensive Mastverfahren, insbesondere die Mutterkuhhaltung. Der Erhalt von extensivem Grünland trägt zum Klima- und Artenschutz bei, was wir sehr begrüßen. Für extensiv wirtschaftende Milchviehbetriebe gibt es jedoch kein nutzbares Grünland-Eco-Scheme. Betroffene Betriebe werden so weiter in die Intensivierung oder Betriebsaufgabe getrieben, denn sie können den Abbau der Mittel der Einkommensgrundstützung nicht oder nur kaum kompensieren. Die Anforderungen dieses Eco-Schemes sollen so ausgestaltet werden, dass eine breitere Nutzung dieser Maßnahme sowohl für Öko-Betriebe, als auch für extensiv wirtschaftende konventionelle Betriebe gewährleistet ist.
Vorschlag: Die Punkte 4.1. bis 4.5. des Eco-Scheme 4 (vgl. § 20 Absatz 1 Nummer 4 GAP-Direktzahlungen-Gesetz) bleiben inhaltsgleich, werden aber unter folgende Überschrift gestellt: „Extensives Mastverfahren im Rahmen der Schaf-, Ziegen-, Mutterkuhhaltung“. Zudem werden ab 4.6. weitere Anforderungen unter der Überschrift „Extensive Milchvieh-, Milchschaf- und Milchziegenhaltung (laktierende Tierbestände)“ formuliert:
- Begrenzung des maximalen Viehbesatzes im Gesamtbetrieb (inkl. Ackerfläche, Dauerkultur) auf 1,8 GV/ha
- Festlegung eines Mindest- und Maximalen Viehbesatzes für Raufutterverwerter bezogen auf Dauergrünland und Hauptfutterfläche. Der Mindestbesatz beträgt 0,5 RGV/ha. Der maximale Viehbesatz des Betriebs ist 1,8 RGV/ha.
Die vorgeschlagenen Kriterien sind einfach und effizient kontrollierbar, da die Daten zur Flächenbewirtschaftung (Grünland, Hauptfutterfläche) sowie zum Tierbestand an Rindern, Schafen, Ziegen verfügbar sind.
Zu 3: Das Eco-Scheme 6 „ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel“ soll zur Reduktion des Einsatzes dieser Mittel beitragen, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Aufgrund ungenügender Kontrollstrukturen ist die Einhaltung dieses Eco-Schemes faktisch nicht überprüfbar, somit betrugsanfällig und kann so zu einer unfairen Wettbewerbssituation führen. Daher eignet sich diese Maßnahme nicht als Eco-Scheme und wäre besser in der 2. Säule aufgehoben, zumal entsprechende Interventionsmaßnahmen in den Entwürfen des Strategieplans vorgesehen sind. Auch die Vorgabe der „Einjährigkeit“ schränkt die Umweltwirkung stark ein. Es ist davon auszugehen, dass die gleiche Fläche im Folgejahr wieder intensiv(er) mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln behandelt wird.
Das Argument, dass die Maßnahme zu einer „Heranführung (auf eine Umstellung) zum Öko-Landbau“ beitragen würde, teilen wir nicht, da eine Umstellung auf das System Öko-Landbau durch eine intensive Beratung begleitet werden muss. Ein alleiniges „Weglassen“ von chemisch-synthetischen Pestiziden konventioneller Betriebe könnte im Gegenteil dazu führen, dass potentiell umstellungswillige Betriebe nach dem Anwenden des Eco-Scheme frustriert sind und in der Konsequenz einer Umstellung eher ablehnend gegenüberstehen.
Öko-Landbau als mehrjährige Maßnahme bringt eine höhere Umweltleistung, als einjährige Maßnahmen, aber ist in der Folge auch mit einem höheren Aufwand (u.a. durch die Gesamtbetriebsumstellung) und Einbußen verbunden.
Vorschlag: Aus diesen Gründen sollte das Eco-Scheme auf ein reduziertes Angebot begrenzt werden. Es sollten ausschließlich „Eiweißpflanzen, einschließlich Gemenge, außer Ackerfutter“ eingeschlossen sein, daher sind folgende Kulturen aus dem VO-Entwurf zu streichen: Sommergetreide, einschließlich Mais, Sommer-Ölsaaten, Hackfrüchte, Feldgemüse, Gras oder anderen Grünfutterpflanzen oder als Ackerfutter genutzte Eiweißpflanzen, einschließlich Gemenge. So könnte in Verbindung mit dem Eco-Scheme „Vielfältige Kulturen“ eine Ausdehnung des Anbaus von Körnerleguminosen ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in konventionell wirtschaftenden Betrieben unterstützt werden.
Zu 4: Mit der neuen GAP werden Bio-Betriebe über die Konditionalität, von der sie bisher bei den Greening-Auflagen ausgenommen waren (“green per definition”), neuen bürokratischen und finanziellen Lasten ausgesetzt. Künftig müssen sie mindestens 4 % ihrer Fläche über Landschaftselemente/Brachen einbringen und verlieren auf diesen Flächen sowohl die Öko-Förderung als auch Erträge. Der Verlust an Produktionsfläche wird zu einer Minderung heimischer Öko-Erzeugnisse in einem Wachstumsmarkt führen.
Um den produktionsintegrierten Naturschutzansatz des Öko-Landbaus angemessen zu berücksichtigen, sollten Verpflichtungen nach § 11 des GAP-Konditionalitäten-Gesetzes in Verbindung mit den §§ 19 bis 21 zu zwei Dritteln über die bewirtschaftete Ackerfläche abgegolten werden können, wenn der Gesamtbetrieb nach den Vorschriften der Verordnung (EU) 2018/848 über den ökologischen Landbau bewirtschaftet wird.
Die Umweltleistungen, die auf den Öko-Flächen erbracht werden, sollten daher im Rahmen der Konditionalität anerkannt und angerechnet werden. Für Flächen von gesamtumgestellten Öko-Betrieben sollte der Mindestanteil von nicht-produktiven Flächen auf ein Drittel begrenzt werden.
Wir appellieren an die Bundesländer, die Eco-Schemes, die am 17. Dezember im Bundesrat verabschiedet werden sollen, so zu gestalten, dass eine Beibehaltung und die Umstellung auf Bio auch eine ökonomisch vernünftige Entscheidung bleiben kann, da nur so das Ziel von 30 % Bio-Landwirtschaft in Deutschland erreicht werden kann.
Der BÖLW ist der Spitzenverband deutscher Erzeugerinnen, Hersteller und Händlerinnen von Bio-Lebensmitteln und vertritt als Dachverband die Interessen der Ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken werden jährlich von 52.185 Bio-Betrieben 14.99 Mrd. € umgesetzt. Die BÖLW-Mitglieder sind: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Deutscher Tee & Kräutertee Verband, Eco-land, ECOVIN, GÄA, Interessensgemeinschaft der Biomärkte, Naturland, Arbeitsgemeinschaft der Ökologisch engagierten Lebensmittelhändler und Drogisten, Reformhaus®eG und Verbund Ökohöfe.